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Montag, 25. April 2016

Angesichts der Einsamkeit ein wahrer Held

So werden selbst die Wise Guys lügen gestraft. Heldentum ist nämlich ein bisschen mehr als gewissenhafter Alltag (und redliche Mühe angesichts von "Wir schaffen das."). So schön und so gut gemeint dieses Lied auch ist, es ist Teil einer diffusen Verlogenheit, deren Motor die moralische Eitelkeit ist.


 Mit dem 2010 erschienenen Werk „Deutschland schafft sich ab“ schrieb der ehemalige Berliner Finanzsenator und Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin den bislang auflagenstärksten Sachbuchtitel der bundesdeutschen Geschichte. Es folgten „Europa braucht den Euro nicht“ (2012) und „Der neue Tugendterror“ (2014).
Nun legt er – da er nach seiner Problemanalyse von „Deutschland schafft sich ab“ vielfach nach Verbesserungsvorschlägen gefragt worden sei – mit dem Titel „Wunschdenken. Europa, Währung, Bildung, Einwanderung – warum Politik so häufig scheitert“ einen Lösungsvorschlag auf den Tisch. Doch dieser – so läßt bereits der Auftakt heute vermuten – wird von der Politik wohl mit ganzer Entschlossenheit tabuisiert werden, nach dem Motto: If you can´t beat them, ignore them.


Dementsprechend wurde die Buchvorstellung am Montag in Berlin nicht, wie in den Vorjahren, im Haus der Bundespressekonferenz oder im Hotel Adlon vor Hunderten von Medienvertretern abgehalten, sondern im abseits gelegenen Tagungswerk Jerusalemkirche – schräg gegenüber vom gleichfalls schräg gebauten Jüdischen Museum – vor nicht einmal hundert Journalisten. Am Ende der Buchvorstellung lag Sarrazins Buchtitel noch stapelweise auf dem Verlagstresen, als handele es sich um einen Ladenhüter.

Dabei ist es ein Buch, das dem politischen „Laden“ im Kanzleramt ein Armutszeugnis ausstellt.
Nicht nur wegen des durch die aktuelle Politik gefährdeten Wohlstands in Deutschland, sondern auch in bezug auf Angela Merkel, die sein Buch von 2010 für „nicht hilfreich“ erklärt und seine Entlassung aus dem Bundesbankvorstand betrieben hatte. Der Kanzlerin attestiert Sarrazin nun, mit der Öffnung der Grenzen „die größte politische Torheit seit Ende des Zweiten Weltkrieges“ begangen zu haben, die sie anschließend mit ihrer Aussage vom 15. September 2015 („freundliches Gesicht“) moralisch bemäntelt habe.
Auf Nachfrage erklärte Sarrazin, ihn verstöre bei Angela Merkel, daß bei ihrer Intelligenz und Sachkenntnis ihre Entscheidungen eigentlich unmöglich seien. Dennoch sieht Sarrazin das Versagen der deutschen Politik – sei es beim Euro, der Massenzuwanderung oder der Energiewende – im politischen Wunschdenken, das ein Produkt der Fremd- und Selbsttäuschung sei.

Kennzeichnend dafür seien fünf Faktoren: Unwissenheit, Anmaßung, Bedenkenlosigkeit, ein aus dem Egoismus geborener Opportunismus und Betrug sowie schließlich der Selbstbetrug. So werde die Zukunft Deutschlands nicht an Gleichheitsfragen, Genderfragen und Fragen des Klimawandels entschieden, „den Hobbys der Gesinnungsfetischisten“, deren Utopien letztlich ein totalitärer Charakter innewohne, sondern an den Themen Einwanderung, Demographie und Bildung.

Nachgehakt, inwiefern denn auch die meinungsbildende Presse als Vierte Gewalt verantwortlich für das politische Wunschdenken sei, verwies Sarrazin auf den Klassiker Max Weber und dessen Aufsatz „Politik als Beruf“. Dessen Erkenntnis zeige bereits, daß zwischen politischen Redakteuren und Politikern kein Unterschied bestehe.
Der Großteil der politischen Journalisten wolle Politik nicht beschreiben, sondern machen. Wahrscheinlicher sind wohl auch diesmal – um die Beschreibung des DVA-Verlagschefs Thomas Rathenow in bezug auf die bisherigen Buchveröffentlichungen Sarrazins zu zitieren – „emotionale Attacken“ gegen die „analytische Kälte“ Sarrazins. Nun denn, die Klimaerwärmung kommt – so oder so.

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