Stationen

Mittwoch, 1. Mai 2019

Ethnozentristische Selbstverteidigung

Ich stieg im vergangenen Sommer in Oberammergau aus dem Zug und fand in der ansonsten menschenleeren Bahnhofshalle, die strenggenommen ein Hüttlein ist, einen Trupp juveniler Schwarzer vor, vertieft in eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen, ins Herumlungern. Gut, dachte ich, was sollen sie in Deutschland anderes tun? Sie säen nicht, sie ernten nicht, und das Sozialamt nährt sie doch; die Vöglein wären töricht, wenn sie davonflögen. Dennoch erregte dieser Anblick meinen Widerwillen, weniger wegen der ostentativ zelebrierten Tagedieberei, sondern weil ich diese sonnenbebrillten und mit ihren Händis hantierenden Mohrenbuben, die ein im Radius von fünf- bis sechstausend Kilometern allgemein unverständliches Idiom sprachen, als Empfangskomitee eines pittoresken oberbayrischen Alpenstädtchens denkbar unpassend fand. Unpassend ist das passende Wort: Es passte nicht zusammen. Sie passten nicht dorthin. Sie waren groteske Fremdkörper. Der Adorno-Kalauer, dass kein richtiges Leben im falschen möglich sei, menetekelte um diese Räbchenschar. Was also, frug ich mich, sollte der Unsinn, sie hierher umzutopfen?
Später erzählte ich einer Bekannten (mit Migrationshintergrund) vom Oberammergauer Begrüßungsausschuss, und sie teilte mein Befremden nicht nur prompt, sondern schimpfte über eine Kanzlerin, die deutschlandweit die Wegweiser derart verstellt habe, dass solche Ankünfte daraus resultierten. Allerdings wollte sie mir nicht folgen, als ich ihr versicherte, dass ich mich auch an einem kohlpechrabenschwarzen comité d'accueil mitten in Oberbayern nicht gestoßen haben würde, wenn die Burschen in Lederhosen dort gesessen und im breitesten Bayrisch miteinander geredet hätten. Nein, sie sei grundsätzlich dagegen, die Länder mögen doch bitte bleiben, was, und die Völker, wo sie sind. Aber sie selbst?, fragte ich. Und mein Großvater? Das gehöre zur normalen innereuropäischen Arbeitsmigration und sei etwas anderes. Solche Wanderungen hätten immer zur Anpassung der Ankömmlinge an die Kultur des Aufnahmelandes geführt, bei leichter Modifikation der Letzeren, es habe sich gewissermaßen die Würzmischung allmählich verändert. Was derzeit in Westeuropa stattfinde, sei die dauerhafte Etablierung des Fremden, Fremdkulturellen, religiös Feindseligen, ohne auch nur das Ziel einer Anpassung an die Sitten der Einheimischen noch ins Auge zu fassen, perverserweise finanziert von den Steuern der Autochthonen. Die Geburten gäben eine eindeutige Auskunft darüber, wohin dieser Prozess führe: Verdrängung und langsame kulturelle Auslöschung.
Oh, gab ich zurück, kulturell ausgelöscht seien die meisten Deutschen ohnhin längst, sie möge sich nur die Reden der Kanzlerette oder die Interviews des Grünen-Chefs anhören, da prange die Unbildung in aller Unbewusstheit und Schamferne, und überhaupt seien mir viele Deutsche eben ihrer Unbildung wegen fremd bis zum Ekel. Das deutsche Bildungs- und Universitätswesen produziere nur noch kulturellen Tiefstand, öffentliche Debatten hätten sich dem intellektuellen Niveau polynesischer Totem-Kulte angenähert, was früher Feuilleton war, sei heute Regierungsbordell, dieser Kampf sei verloren, man müsse sich der Erhaltung der Zivilisation widmen, mit Verbündeten welcher Herkunft auch immer.
Ich wollte sodann meine Habitus-Theorie entfalten, welche auf der Beobachtung fußt, dass es zahlreich Schwarzen- oder Asiatenkinder gibt, die in Europa geboren und habituell vollkommen europäisiert sind, die Landessprache im Zungenschlag jener Region sprechen, aus der sie stammen – als prominente Partes pro Toto nenne ich gern die Fußballer David Alaba und Manuel Akanji –, aber Madame mochte nicht mehr zuhören, also wechselten wir das Thema.
Festgehalten sei gleichwohl: Wenn sie Lederhosen trügen und bayrisch sprächen, wäre mein Sinn für Harmonie befriedigt. Dasselbe gälte sinngemäß für Paris. Ich bin kein Rassist, ich bin Kulturchauvinist. Ist aber wahrscheinlich noch schlimmer.   MK

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