Stationen

Donnerstag, 3. Oktober 2019

Tag der deutschen Einheit

Anlass, auf unsere europäischen Nachbarn zu blicken und daran zu erinnern, dass:

> "die Belgier sich am 21. Juli über ihre Unabhängigkeit vom Königreich der Ver­einigten Niederlande freuen, symbolisiert durch den Amtseid des ersten belgischen Königs 1831

> Bosnier und Herzegowiner den 1. März bejubeln – in Erinnerung an das Unabhängigkeitsreferendum von 1992, das mit der Ausrufung einer von Jugoslawien unabhängigen Republik Bosnien und Herzegowina endete. (Wer hat dem Referendum zum Sieg verholfen? Das Volk.)

> sich die Bulgaren am 3. März der nationalen Wiedergeburt aus den Fängen des osmanischen Zentralstaates im Jahr 1878 dankbar erinnern und am 1. November noch den (schulfreien) Tag der nationalen Erweckung ergänzen
> die Esten ihre erste Unabhängigkeit (1918) am 24. Februar beschwören, die sie sich nach erneuter Unterdrückung durch den Moskauer Zentralstaat sicher nicht mehr freiwillig nehmen lassen werden (welchselbiges auch für Litauer und Letten gilt)

> die Franzosen am Quatorze Juillet alljährlich den Sturm auf die Bastille ins Gedächtnis rufen, als das aufstän­dische Volk am 14. Juli 1789 das verhassteste Symbol der Unterdrückung eroberte
> die Portugiesen mit ihrem Dia de Portugal am 10. Juni bis heute des Todes­tags von Nationaldichter Luís de Camões im Jahr 1580 gedenken (unfassbar im Jahr 2019 – eine Kulturnation par excellence)
> wie die Spanier am 12. Oktober die Fiesta Nacional de España, den Día de la Hispa­nidad begehen, als Symbol für die Ausdehnung spanischer Sprache und Kultur über Europa hinaus (Spanisch wird von über 400 Millionen Muttersprachlern gespro­chen, von denen nur etwas mehr als jeder Zehnte in Spanien lebt)
> die Schweizer am 1. August den legendären Rütlischwur hochleben lassen, den sich 1291 die Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden im Kampf gegen invasions­willige Österreicher gegeben haben.
Deutschland aber (nicht so sehr die Deutschen) begeht seinen Nationalfeiertag am 3. Oktober, jenem Tag, an dem 1990 ein von Politikern ausgehandelter Staatsvertrag zwischen der BRD und der DDR in Kraft trat, zu dem es keinerlei Referendum durch das Volk gegeben hat. Lange Zeit immerhin genehmigte sich die Bundesrepublik Deutschland mit dem 17. Juni einen arbeits- und schulfreien Nationalfeiertag, der Teile des Volkes ehrte, jene Menschen, die beim Volksaufstand in der DDR 1953 ihr Leben verloren haben.
Nachdem der 17. Juni mit der Wiedervereinigung nicht mehr opportun war, hätte sich als neuer Gedenktag der 9. November buchstäblich aufgedrängt – der deutsche Schicksalstag des 20. Jahrhunderts schlechthin. Doch am 9. November 1989 war definitiv zu viel Volk beteiligt.

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