"Bei einer Wiedervereinigung wären die Deutschen bald wieder zum
Fürchten", schwante es einem Esel (Günter Grass). "Die DDR wird genauso
lange existieren wie die Bundesrepublik", orakelte ein anderer (Günter
Gaus).
Und nun muss ich den beiden zugestehen: Sie hatten recht. Anders als sie ahnten, aber doch recht.
Und wenn die Antideutschen wüssten, wie sehr ich sie verachte, würden sie mich zu ihrem Ehrenmitglied ernennen.
Solange es nur um öffentliche Auftritte von bösen Menschen wie etwa Jörg Baberowski oder Rainer Wendt oder von AfD-Politikern ging – die öffentlich ohnehin nur unter Polizeischutz und in Universitäten per se
nicht auftreten können, es aber nicht anders verdient haben –, so lange
war es völlig egal, ja im Grunde richtig und angemessen, also praktisch
staatsbürgerkundlich korrekt, wenn der linke Pöbel sie boykottierte.
Als unsere "Linksfaschisten" (wie, historisch etwas ungelenk, Sankt Jürgen
Habermas den Sachverhalt mehr zum Ausdruck als auf den Begriff brachte)
damit begannen, dem AfD-Gründer Bernd Lucke den Traum eines jeden
Universitätsprofessors zu erfüllen – keine Lehrveranstaltungen bei
vollen Bezügen –, war ein leises Gemosere zu vernehmen. Nachdem nun aber
auch bewährte Talkschau-Teilnehmer und sogar veritable Minister i.R.
wie Christian Lindner und Thomas de Maizière daran gehindert wurden,
einen öffentlichen Vortrag zu halten, dachte man sich beim heute-Journal, darüber müsse der Zuseher irgendwie in Kenntnis gesetzt und belehrt werden.
Wen
würden Sie, geneigte Leserin, wenn Sie überdies geneigt wären, sich
einmal kurz und nicht allzu tief in die Rolle des Claus Kleber zu
versetzen, zu diesem Sachverhalt interviewen? Lindner? De Maizière?
Lucke gar? Ein AfD-Mitglied ginge ja nicht, der oder das würde sich
sofort zum Opfer stilisieren. Also wen?
Falsch.
"Nicht
nur Bernd Lucke, auch Renate Künast hat die Schattenseiten der
Meinungsfreiheit kennengelernt", moderiert der Kleberclaus das traute Zwiegespräch
an. Über so ein delikates Thema kann man im ZDF im Grunde nur mit einem
Mitglied der Expertenpartei sprechen. Also gibt die knuffige Grüne
Auskunft, und die erste Antwort ist schon mal nicht verkehrt, nämlich,
sie wisse gar nicht, ob diejenigen, die Lucke niedergebrüllt haben,
"sich wirklich zu Recht auf Meinungsfreiheit berufen hätten. Glaube ich
nicht. Ich wäre schon dafür eingetreten, mit ihnen zu diskutieren. Und
glaube, dass ein Professor, der früher mal eine Partei gegründet hat,
mit dem Inhalt die makroökonomische Vorlesung beginnen sollte. Mit der
Frage, ob das mit der D-Mark Sinn macht oder nicht, hätte ich mir so
gewünscht."
Von Merkel lernen heißt, formulieren lernen. Künast
ist Juristin, das stellt sie schon mal klar. Das Niederschreien einer
makroökonomischen Vorlesung ist keine erkennbare Meinung. Wer früher mal
eine Partei gegründet hat, darf Vorlesungen halten. Aber er hätte mit
den Schreiern diskutieren sollen.
Kleber wendet weise ein: "Man
hat kein Wort von ihm hören können." Und endlich zur Sache kommend,
fährt der Moderator fort: "Nun war Herr Lucke schon auch ein Mann, der
im rechten Rand gefischt hat, mit Worten wie 'Entartung von Demokratie',
und der sich mit Menschen aus der rechtsextremen Szene umgab. Hat er
damit ein Stück weit Meinungsfreiheit verwirkt?"
Wäre ich Lucke,
ich würde eine Anfrage an den Staatssender schicken, mit welchen Leuten
"aus der rechtsextremen Szene" ich mich umgeben hätte; wie der
Verleumderclaus sich aus der Sache davonzustehlen suchte, wäre bestimmt
lustig. Die Bemerkung, dass ein Staatsbürger "die Meinungsfreiheit
verwirkt" haben könnte, ist großes Nazikino, doch das Engholm/Rau'sche
"ein Stück weit" als liebevoll-pädagogische Einschränkung – Bastonade
muss sein, aber du darfst die Socken anlassen – verleiht ihm eine
gemütvoll-spätbundesrepublikanische Note.
Künast ist freilich
nicht so doof, beim Grundrechteabbau mitzuspekulieren; sie repliziert
gekonnt: "Meinungsfreiheit kann man gar nicht verwirken."
Kleber
schlägt einen Haken nach rechts: "Nun hat man aber schon den Eindruck,
dass manche aus der eher linken Szene sich Dinge erlauben, die sie
Rechtsextremen ganz sicher nicht erlauben würden. Also zum Beispiel die
Verhinderung von öffentlichen Auftritten."
Künast: "Ja, denken wir
an den Kollegen de Maizière, der ein Buch vorstellen wollte und heute
im Bundestag glücklicherweise gesagt hat, er wird es doch nochmal
vorstellen. Finde ich auch richtig so. Mich frustriert das, dass Leute
jetzt zu dieser Methode greifen, gleichwohl ich die beiden rechts und
links finde, nicht vergleichbar halte. Die einen haben jetzt
Veranstaltungen verhindert, was unklug und falsch war. Auf der anderen
Seite, im Rechtsextremismus, ist es ja organisiert von Pegida,
Identitären Bewegung, AfD, die so richtig versuchen die Menschen, den
Menschen Angst zu machen, sich in diesem Land überhaupt nicht mehr zu
engagieren."
Also die einen verhindern Veranstaltungen, die
anderen nicht, aber die anderen sind schlimmer, weil sie Angst machen
(wie eigentlich?). Leider verhindern die Linken inzwischen sogar
Auftritte, gegen die Frau Künast gar nichts hat. Ansonsten wäre es weder
schlimm noch der Rede wert, denn die Veranstaltungsverhinderungen sind
ja aktive Angstbekämpfungsmaßnahmen. Ist das endlich verstanden worden?!
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