Stationen

Dienstag, 15. Oktober 2019

Zum richtigen Augenblick

Sie alle kennen –, nein, nicht die wilde Schwermut, die uns bei der Erinnerung an Zeiten des Glücks ergreift, sondern die Ankündigung, ein Buch erscheine gerade zur rechten Zeit oder, noch termingenauer, zum richtigen Augenblick. Eine solche Schrift ist die erste Publikation der Jüdischen Bundesvereinigung in der AfD, kurz JAfD, erschienen unter dem Titel: "Was Juden zur AfD treibt".

Eigentlich müsste das Büchlein im Zusammenhang mit dem Synagogenattentat von Halle derzeit durch sämtliche Medien geistern, aber eine wirklich freie Presse entscheidet natürlich ganz allein, was sie thematisiert und was nicht.
Der Titel ist überaus präzise gewählt: Was Juden zur AfD treibt – treibt, wohlgemerkt, nicht unbedingt zieht.

Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle waren im Netz vereinzelte Kommentare von AfD-Leuten zu lesen, der Art, es seien zu Halle doch Deutsche umgebracht worden und keine Juden, warum drücke sich die Kanzlerin dann in einer Synagoge herum (über die Verlogenheit dieser Geste habe ich meinen Teil gesagt), womit Juden also gewissermaßen die deutsche Volkszugehörigkeit abgesprochen wurde. Ob das nun dämlich oder antisemitisch ist, will ich nicht entscheiden müssen; auch hier gilt der Satz, man möge nicht gleich Bosheit unterstellen, wo Blödheit als Grund hinreicht. Selbstredend gibt es in der AfD Antisemiten, vielleicht nicht ganz so viele wie bei den Linken, Grünen und Sozen, jedoch ausreichend viele, um sich als Jude nicht direkt bzw. rund um die Uhr angezogen zu fühlen.

Aber hier geht es um die Treiber. Einer der Autoren, Wolfgang Fuhl, stellvertretender Bundesvorsitzender der JAfD, zitiert dazu den Herausgeber der Jüdischen Rundschau, Rafael Korenzecher, mit der Feststellung: "Nun ist die neue Opposition mit ihren nicht zu übersehenden deutlich rechtslastigen Problemen ganz sicher weder auf uns Juden maßgeschneidert noch unser Wunschkind. But this is what we got – mehr haben wir nicht. Und das ist beschämenderweise immer noch viel, viel mehr als uns die etablierten linkslastigen und Islam-affinen Judenhass-Dulder und Israel-Dämonisierer bieten."

Was also "treibt" diese Leute in eine Partei, die, nach Annegret Trump-Sparrenpower, den "parlamentarischen Arm des Rechtsextremismus" bildet? (Die Frage, wo dann wohl dessen Kopf zu verorten sein mag, verkneife ich mir mal.) Die ziemlich überraschende Antwort lautet: Es ist die Ausbreitung des Islam und damit der muslimischen Judenfeindschaft nach Europa.

Bereits im Vorwort versichert Arthur Abramovych, Student der Neueren deutschen Literatur und stellvertretender JAfD-Bundesvorsitzender, es gehe den Autoren auch darum, "das Deutungsmonopol des Zentralrats in seine Schranken zu verweisen".Von einem "Zentralrat der Hofjuden", der heute darüber entscheidet, "welche Juden rein und welche unrein sind", spricht recht unflätig gar Olli Weksler, der als Kontingentflüchtling nach Deutschland einwanderte, Informatiker, Webdsigner, ehedem Robotik-Student in Moskau. Der Zentralrat könne lediglich für die Mehrzahl der bei ihm organisierten Juden sprechen, sekundiert Wolfgang Fuhl, der zweite stellvertretende JAfD-Bundesvorsitzende, und das sei allenfalls die Hälfte der ca. 200.000 in Deutschland lebenden Juden.

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