Wenn das Gespräch in die Nähe des
Themas kommt, sagt Gauland gleich vorweg: "Ich wehre mich gar nicht
gegen den Populismusvorwurf." Das wäre auch nicht ganz leicht, wenn man
seine jüngeren Reden im Ohr hat. Da fordert er im Landtag
Mindestlohn für die Bürgerwehren, die an den Landesgrenzen
patrouillieren, "weil die Regierung nicht in der Lage ist, das
Gewaltmonopol zu schützen". Da erregt er sich, dass beim G-7-Treffen
"für die Sicherheit der Staatschefs" Grenzkontrollen durchgeführt
werden, "aber wenn dem Bauer in der Uckermark sein Traktor gestohlen
wird, dann gilt das nicht". Er rechnet die "tausend Milliarden", die die
Energiewende verschlinge, auf 20 Millionen deutsche Rentenempfänger
herunter, und er verwandelt die Kosten des Berliner Pannenflughafens
fürs Publikum kurzerhand in Lehrerstellen. Manchmal erinnert er auch an
die 200.000 Fledermäuse, die der Windkraft zum Opfer fielen. Pro Jahr!
Das ist das Niveau, auf
das sich Gauland herablässt, um die Unfähigkeit, Böswilligkeit und den
Irrsinn der herrschenden Politik zu illustrieren. Er lässt sich nicht
hinreißen, sein Populismus ist kalkuliert. Er kann ihn auch abschalten.
Dann gibt er im Landtag den würdigen Alterspräsidenten, der geschliffen
und hochgebildet über das Ethos des "guten Abgeordneten" räsoniert.
Ein paar Monate zuvor
hatte Gauland von einem Informanten aus der Verwaltung gesteckt
bekommen, es gebe Pläne für eine Flüchtlingsunterkunft, die bis nach der
Wahl verschwiegen werden sollten. Daraus wurde sein Wahlkampfhit. "Ich
halte keine aufstachelnden Reden über Flüchtlinge", beteuert er.
Zugleich erinnert er sich, "wie das Thema im Wahlkampf explodierte".
Explodieren scheint überhaupt das Wort, das ihm einfällt, wenn es um die
Probleme der Zuwanderung geht. Die Flüchtlingszahlen "explodieren", die
Kosten für Unterbringung und Betreuung "explodieren": "44 Millionen, 90
Millionen, 110 Millionen", deklamiert er in der Haushaltsdebatte.
"Es kann nicht sein, dass wir in
kleinen Orten bald so viele Flüchtlinge wie Einwohner haben", ruft er im
Landtag. Beim Italiener am See räumt er ein, dass die Brandenburger
ihre beängstigenden Eindrücke von den Fremden bislang vor allem aus dem
Fernsehen beziehen. Aber macht das einen Unterschied? Gauland findet
nicht. Im Ruhrgebiet herrschten die Zustände ja schon, vor denen sich
seine Leute fürchteten. "Wir sind diejenigen, die den Menschen eine
Stimme geben, die lange eine solche Stimme gesucht haben", formuliert er
den Auftrag seiner Partei. Den Menschen Ängste nehmen, gehört nicht
dazu. Früh hat Gauland die AfD zum "natürlichen Verbündeten" der Pegida-Bewegung ausgerufen.
Wenn in den 1970er
Jahren hessische CDU-Hardliner vom Schlage Alfred Dreggers
Intellektuelle wie Adorno oder Habermas für die Taten der RAF
verantwortlich machen wollten, hat Gauland dem widersprochen. Nun möchte
er, sozusagen als Gegengeschäft, auch den Rechstpopulismus dieser Tage
nicht mit den Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte in Verbindung
gebracht sehen: "Dagegen wehre ich mich!" Wenn die öffentliche Debatte
eines politischen Missstandes für kriminelle Handlungen verantwortlich
gemacht werde, die sich gegen diesen Missstand richten, sagt Gauland und
verfällt in die juristische Tonlage, "dann können Sie gar keine Politik
mehr machen". ZEIT
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