Die Forderung nach professionellen Standards für die Soziale Arbeit
in Flüchtlingsunterkünften mag durchaus angebracht sein. Was allerdings
verantwortliche Lehrende darüber hinaus in ihrem ins Netz gestellten Positionspapier
proklamieren, ist schlicht ein Aufruf an Sozialarbeiter, den
Rechtsstaat zu missachten. So heißt es an einer Stelle, die Soziale
Arbeit sehe sich aufgefordert, rechtliche Festlegungen für freiwillige
Ausreisen und Abschiebungen kritisch zu hinterfragen. Bis hierhin ist
das sicher richtig, hat man bereits schon von unsinnigen
Abschiebeurteilen gehört, die zum Beispiel in ihren Heimatländern
misshandelte Frauen oder hoch motivierte Integrationswillige betreffen.
Dann folgt allerdings die pauschale Aussage: „Das bedeutet auch, sich
der Erwartung zu verweigern, an der Durchsetzung aufenthaltsbeendender
Maßnahmen mitzuwirken.“
An späterer Stelle wird behauptet, es sei mandatswidrig, wenn
Sozialarbeiter „Amtshilfe“ für die Polizei leisten. Konkret gemeint ist
damit: Angaben zu vermuteten Herkunftsländern machen, Abwesenheiten in
Unterkünften melden, Adressen von untergetauchten Bewohnern weiterleiten
oder an Altersfeststellungen mitwirken. Offenbar wird bereits das als
Beteiligung an möglichen Abschiebungen interpretiert und dies
widerspreche dem professionellen Ethos Sozialer Arbeit. „Angesichts
drohender aufenthaltsbeendender Maßnahmen sollten Sozialarbeiter_innen
über sämtliche Handlungsoptionen beraten, damit Betroffene selbst eine
informierte Entscheidung treffen können.“ Die „Handlungsoptionen“ sind
hinreichend bekannt. Die Welt
beschreibt zum Beispiel das Osnabrücker „Mekka der Abschiebungsgegner“,
deren Aktivisten hofiert und zu Vorträgen geladen werden: „Im Internet
verkünden sie triumphierend ihre Einsätze wie Treffer in der
Torschützenliste.“
Tatsächlich darf man auch anderer Meinung sein, dass nämlich die
Mitwirkung an einer geregelten Einwanderung keineswegs mandatswidrig ist
– weil diese Voraussetzung für eine planungsbedürftige Integration und
einen funktionierenden Staat ist, in welchem Soziale Arbeit erst
nachhaltig wirken kann. Eher ist eine Mandatswidrigkeit bei Professoren
festzustellen, die Studierende einseitig politisch indoktrinieren und
Gefolgschaft erwarten. Wird diese verwehrt, und mögen die Gründe auch
noch so vernünftig sein, kommt es durchaus zu Kündigungen.
So zumindest geschehen einem Sozialarbeiter in Belgien, der
Vorgesetzte, Politiker und Bürgermeister über den radikalislamischen
Anführer Fouad Belkacem aufklärte. „Statt angehört zu werden, habe er
seine Stelle als Sozialarbeiter verloren“, schrieb die NZZ 2012. Im Februar 2015 berichtete Spiegel Online,
Fouad Belkacem wurde als Anführer der Terrorgruppe „Sharia4Belgium“ zu
einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt: wegen Anwerbung
junger Menschen für den Dschihad in Syrien. Kein Wort in dem Artikel von
dem Sozialarbeiter, der bereits Jahre zuvor auf diese Gefährdung
hinwies und deswegen Ende 2005 entlassen wurde, wie Der Standard aktuell in einem Interview mit ihm aufzeigt. So viel auch zum Umgang mit Whistleblowern.
Insgesamt wird sich der rosarote Bleiberecht-für-alle-Aktivismus über
kurz oder lang als eines der größten Integrationshindernisse erweisen.
Denn die eigenmächtige Aushöhlung des Rechtsstaats kommt vorrangig
Kriminellen zugute, während sich ehrliche und kooperative Migranten und
Einheimische nicht mehr auf eine funktionierende Justiz verlassen
können. Sorge um die Autorität der Justiz
beklagt bereits jetzt der Vorsitzende des Bundes Deutscher
Verwaltungsrichter, Robert Seegmüller: „Wenn Ausländer nach
entsprechenden Urteilen nicht konsequent abgeschoben werden, verlieren
der deutsche Staat und seine Justiz massiv an Autorität.“ Das Problem
habe sich durch die große Zahl ankommender Flüchtlinge wesentlich
verschlimmert: „Die deutschen Behörden werden dem nach meinem Eindruck
überhaupt nicht mehr Herr.“ Ein Kläger etwa habe nach einem Urteil
gerufen, das „sei ihm egal, er werde ohnehin nicht abgeschoben“.
Der Städte- und Gemeindebund verlangte bereits im Oktober vergangenen
Jahres im Rahmen der Flüchtlingsarbeit die Einstellung von bis zu 50.000 neuen Sozialarbeitern.
Manche von ihnen, vor allem jene im Öffentlichen Dienst, werden sich
nun neben einer berufsethischen Ambivalenz zusätzlich in einem
Autoritätskonflikt wiederfinden. Noch immerhin ist Rechtsprechung und
ihre Ausführung durch Justiz und Exekutive grundgesetzlich in Artikel 20
geregelt. Theoretisch. Praktisch maßen sich Professoren für
Sozialarbeit und linksautonome Aktionsgruppen gerade an, fern eines
demokratischen Verständnisses auch diesen Bereich des öffentlichen
Lebens allein in ihrem Sinne zu kapern. Das Recht zum Widerstand „gegen
jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen“, ist im Übrigen im vierten Absatz geregelt.
Das Positionspapier unterzeichneten bisher über 130
Hochschullehrer aus ganz Deutschland sowie Vereine und Verbände,
darunter die Amadeu Antonio Stiftung.
Susanne Baumstark, Jahrgang 1967, ist freie Redakteurin und Diplom-Sozialpädagogin. Dieser Text erschienen zuerst auf ihrem Blog Luftwurzel
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.