Stationen

Donnerstag, 7. April 2016

Aus dem Mülleimer der Küchenpsychologie

Als Jesus 40 Tage lang in die Wüste ging, um zu fasten, führte ihn der Teufel in Versuchung und nahm dabei die Rolle eines gewieften Theologen ein: „Wenn du Gottes Sohn bist, stürze dich (vom Tempel) hinab, denn es steht geschrieben: Seinen Engeln befiehlt er, dich auf Händen zu tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt!"
Jesus konterte mit einem anderen Bibelvers („In der Schrift steht auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen!") und machte damit deutlich, dass es nicht um den aus dem Zusammenhang gerissenen und für die eigenen Zwecke instrumentalisierten Wortlaut, sondern um den Geist hinter den Worten geht.

Wenn also in diesen Wochen immer wieder führende protestantische Theologen mit extra ausgewählten Bibelstellen für die desaströse Zuwanderungspolitik der Bundesregierung werben oder gar – wie jüngst die „Lutherbotschafterin“ Margot Käßmann – dazu auffordern, islamistischen Mördern „mit Liebe zu begegnen“, sollten Christen ihnen entgegenhalten, dass Jesus als guter Hirte immer seine Schafe beschützt, sich klar gegen die heuchlerischen Pharisäer gestellt, die Geldwechsler aus dem Tempel gejagt hat und vor allem, dass er – anders als Käßmann – zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik zu unterscheiden vermochte: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers und Gott, was Gottes ist.“

Viele Christen wissen sehr wohl, dass ihr Glaube von ihnen verlangt, Konfliktlinien nicht zu verkleistern, Missstände und Widersprüche deutlich zu benennen, der Verfolgung und Ermordung von Menschen nicht tatenlos zuzuschauen, sondern ihre Stimme dagegen zu erheben.

Dietrich Bonhoeffer forderte sogar, „dem Rad in die Speichen zu greifen“. Den gescheiterten Versuch, Hitler zu beseitigen und das Räderwerk des nationalsozialistischen Terrors anzuhalten, bezahlten er und viele andere christliche Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 mit dem Leben.

Hätte Margot Käßmann von Bonhoeffer gefordert, die SS-Wachmänner in den KZ´s „mit Liebe zu provozieren“ oder statt ein Attentat auf den Führer zu planen, für diesen zu beten? Ganz ausschließen kann man es leider nicht.
Eher ist allerdings davon auszugehen, dass Käßmann und der mit schwerer Schlagseite durch die politischen Tagesthemen irrlichternde EKD-Vorsitzende Bedford-Strohm ihre Liebe und ihr Verständnis sehr ungleichmäßig verteilen. Denn geht es gegen die „Rechtspopulisten“ von AfD oder Pegida – von denen im Gegensatz zu den Islamisten nicht bekannt ist, dass sie Massenmorde und Massenvertreibungen verüben, junge Mädchen als Sexsklavinnen verkaufen oder geistig Behinderte für Selbstmordattentate einsetzen – können sie plötzlich klare Kante zeigen, mit drastischen Worten warnen oder zu Zivilcourage und Widerstand aufrufen.


Harte Linie gegen „rechts“, aber beim islamistischen Terror butterweich zeichnen: die „Mitverantwortung“ des Westens wegen Kreuzzügen und Kolonialismus, die „soziale Ausgrenzung“ zorniger junger Muslime, der versäumte „Dialog“ mit ihnen“ etc.  – warum ist das eigentlich so? Ich fürchte, aus Überzeugung!

Wer das Umfeld der einschlägigen Friedens- und Palästina-Gruppen, Eine-Welt-Cafés und Gesprächskreise zum christlich-muslimischen Dialog in den Landeskirchen erlebt hat, der weiß, wie große Teile der Basis dort ticken. Weit verbreitet ist etwa die Überzeugung, „die Muslime“ seien aufgrund weltweiter Verfolgung und Diskriminierung „die neuen Juden“, wohingegen die realen Juden, die jetzt in Israel leben, heute den Palästinensern das antäten, was ihren Vorfahren von den Nazis angetan worden sei. Die Opfer von damals seien die Täter von heute, und die Mauer, die Israel zwischen sich selbst und die Palästinensergebiete gezogen hat, sei schlimmer als die Berliner Mauer und pure Apartheid.

So verschafft ein simpler Griff in den Mülleimer der Küchenpsychologie auch einfältigen Menschen das Gefühl von Durchblick und ein ruhiges Gewissen, indem er vielleicht davon ablenkt, was die eigenen Großväter im Krieg so getrieben haben. Frei nach Orwell: Nichtwissen ist Macht!

Diese Dauerbetroffenheit vorgebenden christlichen Friedenstauben wissen ja meist nicht einmal, dass analog zur Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung von israelischem Gebiet Hunderttausende von Juden aus arabischen Ländern vertrieben wurden, mit dem Unterschied, dass diese längst in die israelische Gesellschaft integriert wurden, während jene bis zum heutigen Tag in Lagern vegetieren. Sie wissen nicht, dass die Grenzmauer der israelischen Bevölkerung jahrelang einen effektiven Schutz vor Attentaten gewährt hat, jedenfalls bis zur gegenwärtigen „Messer-Intifada“ (die es auch nur selten als dürre Kurzmeldung in deutsche Nachrichtensendungen schafft).

Sie durchschauen nicht das Kalkül der Islamverbände, sich in ihrer unverschämt angemaßten Opferrolle zu suhlen, um Kritik an den erschreckenden Auswüchsen ihrer Religion systematisch als „Islamophobie“ zu denunzieren und mit dem Antisemitismus gleichzusetzen, aus dem wiederum der weit verbreitete muslimische Judenhass ausgeklammert bleiben soll.

Von alledem wissen sie nichts, und es interessiert sie auch nicht. Fakten über die Verfolgung von andersgläubigen Minderheiten und die miserable Menschenrechtssituation in fast allen islamischen Staaten wie auch über die weitverbreiteten Ressentiments innerhalb der muslimischen Bevölkerung in Deutschland gegen „Ungläubige“ dringen zu dem wahrnehmungsselektiven Milieu, das in vielen landeskirchlichen Gemeinden an den Schaltstellen der Macht kluckt, ebenso wenig durch wie in die Redaktionen vieler Medien, die mit ähnlich gestricktem Personal besetzt sind.

Einzig der Wunsch, die Erwartungen dieses sich politisch links verortenden und in seiner ignoranten Weltsicht einbetonierten Milieus zu bedienen, erklärt viele der scheinbar so absurd weltfremden Stellungnahmen von Käßmann und Co. Mit der Bibel und den Grundprinzipien des christlichen Glaubens haben sie hingegen nichts zu tun.

Oliver Zimski ist Übersetzer, Sozialarbeiter und Autor. 2015 erschien sein Kriminalroman „Wiosna – tödlicher Frühling“.

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