Im Ankündigungstext von Hoffmann & Campe für ein im April
erscheinendes Buch heißt es: "Niemand in der deutschsprachigen
Gegenwartsliteratur hasst virtuoser, fundierter und zugleich liebevoller
als der Schriftsteller Maxim Biller. Mit der Kolumne »100 Zeilen Hass«
begann er seine Karriere als Journalist beim Magazin Tempo,
bevor er sich dann auch als Erzähler und Dramatiker einen Namen machte.
Über 100 Mal begab er sich zwischen 1987 und 1996 Monat für Monat auf
die Suche nach Wahrheit und Ehrlichkeit. (...) Erstmals erscheinen hier
sämtliche Texte unverändert als Buch. Jede Kolumne ist ein pointierter
Indizienprozess im Dienst nur einer Sache: dem Kampf für das Gute und
gegen alles Schlechte."
Ist das nicht drollig? Ob Biller in einem
späten Anfall von Selbstironie diesen Zinnober selber verzapft hat oder
doch ein Klappentextautomat des Verlags routiniert sein Programm
durchzog, stehe dahin. Wichtig ist die Botschaft in Zeiten des von der
Masi eifrig verfolgten Hate Speech: Hass ist völlig in Ordnung,
wenn er sich gegen das Schlechte (= Böse = gegen rechts) richtet. Und
dieses Kriterium hat Biller mit seinen Kolumnen willig und zur vollsten
Zufriedenheit der Linksschickeria erfüllt. Billers Hassziele waren fast
immer "rechts", also kompatibel mit dem linken, "linksliberalen", grünen
Zeitgeist. Er lärmte nur lauter als die baumschulendicht stehende
Konkurrenz und stach tatsächlich, bei aller Ähnlichkeit des Wuchses,
nach einer Weile aus ihr hervor.
Ich entsinne mich seiner
herzigen Formulierung, die Zerstörung Dresdens sei "hart, aber
notwendig" gewesen. Und die Soldaten mit dem roten Stern auf der Mütze
ohne Wenn und Aber "Befreier". Wie umgekehrt Johannes Gross ein
Kryptonazi war. Mochte Biller auch mal den Vegetarismus verspotten,
geschah dies nicht ohne Hinweis auf jenen eines ehemaligen
Reichskanzlers. Seine Kolumne hatte neben einer grundsoliden Aversion
gegen alles traditionell Deutsche nur ein Motiv: Er begehrte den Applaus
der Gesinnungsschickeria, er wollte sich nach oben hassen. Das ist
nicht schön, aber Brauch und in einem gewissen Sinne legitim. Außerdem
ist die Prosa der Geltungssüchtigen oft besser als die der Bescheidenen.
Biller besaß durchaus Talent, seinen Hass, mag er fingiert gewesen sein
oder tief empfunden, in Worte zu setzen.
Zugleich war die
Berechenbarkeit seiner Meinungsbeiträge samt der ebenfalls berechenbaren
Reaktionen darauf so legendär, dass immer wieder Versuche angestellt
wurden, die gewaltige Lücke zu schließen, die der zunehmend schmerzlich
Vermisste im kippenden Ökosystem der bundesrepublikanischen
Öffentlichkeit hinterlassen hatte, nachdem ihm in den späten 1990ern die
Puste für regelmäßige Hassbekundungen ausgangen war. (Vielleicht hat
Biller als Jude auch zu kapieren begonnen, worauf die weitere Forcierung
des brennenden deutschen Selbsthasses, in den er so munter Öl zu gießen
verstand und der sich zuletzt in der hysterischen Bewillkommnung zum
Teil hochaggressiver und auch hochaggressiv antisemitischer
Analphabetenmassen manifestierte, eines nicht mehr allzufernen Tages
hinauslaufen werde.) Spiegel online etwa installierte gleich
vier oder fünf Klone mit dem elaboriertesten Bonsai-Biller Georg Diez
mittenmang. Auch der aktuell in der Türkei im Gefängnis sitzende
Journalist Deniz Yücel meldet periodisch seinen Anspruch auf die
Planstelle des gehätschelten Spitzenhassers an, etwa als er 2011 auf die
Sarrazin-Debatte Bezug nehmend in der taz schrieb: "Endlich!
Super! Wunderbar! Was im vergangenen Jahr noch als Gerücht die Runde
machte, ist nun wissenschaftlich (so mit Zahlen und Daten) und amtlich
(so mit Stempel und Siegel) erwiesen: Deutschland schafft sich ab!" –
"Woran Sir Arthur Harris, Henry Morgenthau und Ilja Ehrenburg
gescheitert sind, (...) übernehmen die Deutschen nun also selbst." –
"Der baldige Abgang der Deutschen ist Völkersterben von seiner schönsten
Seite." – "Nun, da das Ende Deutschlands ausgemachte Sache ist, stellt
sich die Frage, was mit dem Raum ohne Volk anzufangen ist, der bald in
der Mitte Europas entstehen wird: Zwischen Polen und Frankreich
aufteilen? (...) Palästinensern, Tuvaluern, Kabylen und anderen
Bedürftigen schenken? (...) Egal. Etwas Besseres als Deutschland findet
sich allemal."
Selbstverständlich ist das keine
Volksverhetzung, sondern nur Satire. Volksverhetzung wäre es, wenn der
Schreiber ein "Rechter" und das beschimpfte Kollektiv keine "Köterrasse"
wäre. Wie das Hamburger Landgericht entschieden hat, kann eine Mehrheit
wie die Biodeutschen keineswegs kollektiv beleidigt und von einem
Deutschtürken, sofern er nicht Akif Pirincci heißt, auch nicht
volksverhetzt werden. (Und mal unter uns: Wenn sie nicht mehr die
Mehrheit stellen, ist es auch nicht mehr nötig, oder?)
Keinesfalls
will ich den Anschein erwecken, ich empfände einen türkischen Knast als
angemessenen Aufenthaltsort für unseren Deutschlandhasser. Yücels
Verhaftung hat nichts zu tun mit seiner durchaus AKP-kompatiblen
Deutschen-Aversion.
***
"Moderne Grüne nehmen Wald inzwischen vor allem als Bewuchs wahr, der die Installation neuer Windräder behindert."
Alexander Wendt
***
Apropos
Alexander Wendt: Dessen Buch "Der grüne Blackout" ist das Erhellendste,
was ich über die deutsche Energiewende gelesen habe (hier; bald auch als Hörbuch). Zu deren mir zuvor unbekannten Pikanterien gehört der sogenannte „Phantom-“ oder „Geisterstrom“.
Folgen
wir Wendt: "Befindet sich an den Schönwettertagen viel zu viel Strom im
System, dann bleibt den Netzunternehmen nicht anderes übrig, als den
Überfluss an Abnehmer jenseits der deutschen Grenzen zu verschenken, um
einen Kollaps zu verhindern. Oft reicht noch nicht einmal das: Dann
müssen sie eine Gebühr zahlen, damit jemand die Energie überhaupt
abnimmt. In einzelnen Fällen kostet das mehr als 100 Euro pro
Megawattstunde. Dem Strom muss also noch eine Entsorgungsgebühr
hinterhergeworfen werden. Selbstverständlich stellen die Netzeigentümer
diese Kosten den Stromkunden in Rechnung. Und auch dieser Posten steigt
rasend schnell, weil immer mehr Solarstrom vor allem um die Mittagszeit
im Frühjahr und Sommer das Netz flutet.
Der Gesetzgeber, also
der Deutsche Bundestag, hätte dieses Problem wenigsten mildern können,
wenn er darauf bestanden hätte, dass Grünstromproduzenten nur für die
Energie eine Vergütung bekommen, die tatsächlich von den Netzen
aufgenommen und zu den Verbrauchern transportiert werden kann. Damit
hätte er die Branche gezwungen, entweder in Speicher zu investieren,
oder das Ausbautempo neuer Wind- und Solarparks wenigstens an den Stand
der Netze anzupassen, also freiwillig zu drosseln. Stattdessen änderte
die große Koalition das EEG im Jahr 2009 einfach folgendermaßen: Der
Grünstrom, der nicht in die Netze passt, muss von den Netzbetreibern
trotzdem bezahlt werden. Und zwar zum vollen Tarif. Sie vergüten, was
Wind-, Solar- und Biogasproduzenten theoretisch bei unbegrenzter
Netzkapazität hätten einspeisen können. Natürlich bekamen die
Netzbetreiber im Gegenzug das Recht, die Kosten für diesen Phantomstrom
an ihre Energiekunden weiterzureichen.
Allein im ersten Quartal
2016 bezahlten die Stromkunden laut Bundesnetzagentur schon 147,7
Millionen Euro für nie produzierten Strom. Dazu addierten sich im gleichen
Zeitraum noch einmal 52 Millionen Euro für den so genannten Redispatch –
also das schnelle Herunterfahren von Kohle- und Gaskraftwerken, um den
Weg für Grünstrom freizumachen. Denn dafür müssen die
Kraftwerksbetreiber entschädigt werden."
Deshalb steht auf Ihrer
von Jahr zu Jahr steigenden Stromrechnung – neben allerlei anderen
Subventionsposten, die dem Stromkunden aufgehalst werden, und
selbstverständlich nicht als solcher gekennzeichnet – Geisterstrom, der
nie erzeugt wurde und keine einzige Glühlampe zum Leuchten bringt.
Das
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mag das größte Schurkenstück in der
Geschichte bundesrepublikanischer Gesetzgebung gewesen sein, noch knapp
vor dem ESM, und, was das Milieu der Profiteure angeht, in deren Taschen
die Steuermilliarden umgelenkt werden, ein veritabler Stoff für einen
Roman oder eine große Gesellschaftssatire. Als politischer Akt indes ist
die Energiewende ein integraler Bestandteil der zum Teil
staatsstreichartig vollzogenen Demolierung unseres Landes durch die
Merkel-Administration, von der ich immer noch nicht glauben mag, dass
sie intendiert ist (aber das läuft in den Resulaten auf das gleiche
hinaus). Wie die Euro-"Rettung" und wie die Masseneinwanderung ist auch
die Energiewende ein rein ideologisches Projekt, dem eine quasireligiöse
Dimension innewohnt. Es geht schließlich um nichts weniger als die
Rettung der Menschheit, der Erde, mindestens der Atmosphäre etc.,
weshalb der weitere milliardenteure Marsch in die Illusion auch so
ungerührt fortgesetzt werden kann ("Desto schlimmer für die
Wirklichkeit"), obwohl nun wirklich sogar jeder Zeit-Abonnentin zu
schwanen beginnt, dass alle drei "Projekte" schnurgerade in den Kollaps
und die Katastrophe führen. Aber "Deutsch sein heißt, eine Sache um
ihrer selbst willen zu tun", wie unser begabtester Götterdämmerer
befand. MK am 3. 3. 2017
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