An diesem Wochenende öffnen sich die Tore zur Leipziger Buchmesse.
Sie ist der kleinere Bruder der in Frankfurt am Main stattfindenden
Herbstmesse und vor allem ein Stelldichein deutscher Buchverlage,
stärker zugeschnitten auf das Lesepublikum. 500 Jahre nach der
Reformation, die mittels revolutionärer neuer Drucktechnik zum Urknall
aufklärerischer Massendebatten wurde, ist die Buchmesse der Ort, an dem
aktuelle gesellschaftliche Kontroversen schwarz auf weiß sichtbar
werden.
Ob Kaiserliche Bücherkommission im Frankfurt des 17. Jahrhunderts
oder spätere Zensurbehörden roter oder brauner Diktaturen – immer
beäugten Mächtige kritisch den von neuen und noch schnelleren Medien
beflügelten freien Austausch von Informationen und Meinungen. Die
Freiheit, sich zu versammeln, offen und ohne Nachteile politisch äußern
zu können und die Freiheit der Presse wurden die essentiellen, über
Jahrhunderte zäh erstrittenen Rechte demokratischer Staaten.
Wer darf den Raum der Öffentlichkeit betreten?
Subkutan findet jedoch unter der Oberfläche in allen Gesellschaften
zu jeder Zeit, seien sie formell noch so freiheitlich und demokratisch,
stets ein Kampf darum statt, wer den Raum der Öffentlichkeit hörbar
betreten darf, wer den Zugang zu Mikrophonen in Rundfunk und Fernsehen
erhält, wessen Spielräume weiter und wessen Spielräume enger werden. Es
geht dabei immer schlicht um politische Macht.
Daß wir auch in Deutschland eine Unwucht haben zwischen dem, was
Bürger denken und meinen und dem, was – insbesondere
öffentlich-rechtliche – Medien abbilden und reflektieren, beschrieb vor
40 Jahren Elisabeth Noelle-Neumann schon als das Phänomen der
„Schweigespirale“. Diese Schieflage rückt nun in den letzten Jahren
immer deutlicher ins Bewußtsein. Der polemische Ausruf „Lügenpresse“
oder „Fake News“ drang von den Rändern in die Mitte vor. In Sozialen
Medien wie Facebook und Twitter reflektieren Leser und Zuschauer in
Echtzeit, welche Nachrichten Verbreitung finden und sorgen für
alternative Informationen.
Verlassen wir alle unsere Echokammern
Insbesondere im Zuge der seit September 2015 eskalierenden
Flüchtlings- und Asylkrise empfanden wachsende Teile des Publikums, daß
über die Köpfe der Bürger hinweggeschrieben, hinwegkommentiert wird.
Die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali plädiert im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT dafür,
den Dialog über politische Grenzen hinweg offener zu führen. Sie
kritisiert die eigene Journalistenzunft, zu häufig die Distanz zu
verlieren und den eigenen Vorurteilen nachzugeben. Ich meine, man sollte
sie beim Wort nehmen, und ich will mir gerne an die eigene Nase fassen.
Vielleicht bewegt sich ja doch etwas. Verlassen wir alle unsere
Echokammern, in denen wir uns manchmal nur noch selbst bestätigen. Der
politischen Kultur täte es gut. Dieter Stein
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