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Montag, 13. März 2017

Ex-, Post- und Nochkommunisten (di merda)

Italiens größte Partei, die sowohl den Staats- als auch den Regierungschef stellende Partito Democratico (PD, Demokratische Partei), hat sich gespalten. Die damit absehbare Zersplitterung des Parteiensystems kann für das südeuropäische Land weitreichende Folgen haben.

Ende vergangenen Monats haben sich Vertreter des linken Flügels der PD losgesagt und die „Bewegung der Demokraten und Progressisten“ (DP) gegründet. Mit von der Partie sind der ehemalige PD-Fraktionschef im italienischen Parlament Roberto Speranza und der Präsident der Region Toskana, Enrico Rossi.
Das veröffentlichte Gründungspapier des linken Projekts liest sich in Teilen wie eine Generalabrechnung mit dem bisherigen Parteichef Matteo Renzi. Die neu gegründete DP werde „nicht am Ehrgeiz und an der arroganten Anmaßung ihres Führers ersticken“ und solle „zu ihrem Kurs zurückfinden und den Rechtsdrall aufgeben“.

Parteiinterne Kritiker haben Renzi schon länger einen übermäßigen persönlichen Ehrgeiz attestiert. Der frühere Ministerpräsident war kurz vor der Abspaltung des linken Parteiflügels von seinem Posten als PD-Chef zurückgetreten und hatte erklärt, er wolle im Juni auf einem Parteitag erneut für den Chefposten bei der PD kandidieren. Sollte Renzi damit Erfolg haben, ist er automatisch der Spitzenkandidat für die Parlamentswahlen, die spätestens im Frühjahr 2018 abgehalten werden müssen.
Die Spaltung der PD könnte Renzis Ambitionen auf eine Rückkehr an die Spitze der Regierung allerdings gefährden.

Demoskopen bescheinigen der neuen Linkspartei ein Stimmenpotenzial von fünf bis sechs Prozent, die Renzi am Ende fehlen könnten.
Darüber hinaus sehen politische Beobachter mit der Spaltung im linken Lager die Gefahr wachsen, dass sich Italiens Parteiensystems „balkanisiert“ und das politische System noch instabiler wird. Die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) hat in der Vergangenheit signalisiert, sie wolle generell keine Koalitionen eingehen. Das Mitte-Rechts-Lager aus Silvio Berlusconis Forza Italia und der Lega Nord ist laut Umfragen von einer Mehrheit weit entfernt. 

Das Wahlrecht droht die Lage noch zu verschärfen. Bereits im Januar hat Italiens Verfassungsgericht die Reform des Mehrheitswahlrechts für das Abgeordnetenhaus aus dem Jahr 2015 zwar teilweise einkassiert, das Wahlgesetz aber insgesamt als sofort anwendbar eingestuft. Mit dem Urteil gilt für das Abgeordnetenhaus das Mehrheitswahlrecht. Renzis Scheitern bei der Verfassungsreform im letzten Dezember hat allerdings zur Folge, dass die zweite Kammer, der Senat, vermutlich erneut per Verhältniswahlrecht bestimmt wird. Dieser Dualismus kann weitreichende Folgen haben. So hat Staatspräsident Sergio Mattarella die Forderungen nach vorgezogenen Neuwahlen zurückgewiesen.

Im Dezember erklärte der frühere Verfassungsrechtler Sergio Mattarella, er lehne die Auflösung des Parlaments ab, solange für beide Parlamentskammern unterschiedliche Wahlrechte gelten. In der Diskussion ist inzwischen die generelle Rückkehr zum alten Verhältniswahlrecht. Dieses gilt allerdings als eine Ursache für die jahrzehntelange politische Instabilität Nachkriegsitaliens. Mit dem steckengebliebenen Reformprojekt Renzis bleibt zudem das Problem erhalten, dass sich Abgeordnetenhaus und Senat gegenseitig blockieren können. Zur missglückten Wahlrechtsreform kommen die anhaltenden wirtschaftlichen Probleme Italiens, etwa die weiter schwelende Krise des Bankensektors.

Ob die stärkste Oppositionspartei, Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), von der Spaltung der regierenden PD profitieren kann, ist keineswegs ausgemacht. Die „Grillini“ sorgen nämlich inzwischen ausgerechnet in der italienischen Hauptstadt für negative Schlagzeilen. Die M5S-Kandidatin Virginia Raggi war letztes Jahr in Rom mit einer Zweidrittelmehrheit zum Stadtoberhaupt gewählt worden. Angetreten war die Juristin mit dem Versprechen, die Korruption in der skandalgeplagten Metropole zu bekämpfen. Raggi wird inzwischen allerdings wegen fragwürdigen Personalentscheidungen selber stark kritisiert. Im Raum steht der Verdacht, die Bürgermeisterin habe bei der Ernennung des Tourismusdirektors ihr Amt missbraucht. Im Zuge von Ermittlungen wurde die Politikerin inzwischen von der Staatsanwaltschaft befragt. Bereits im Dezember durchsuchten Carabinieri sogar die römische Stadtverwaltung und beschlagnahmten Unterlagen zu Personalentscheidungen der Bürgermeisterin. Im Kontrast zu dieser Entwicklung sollte Rom eigentlich als ein Vorzeigeprojekt der Fünf-Sterne-Bewegung für eine Regierungsübernahme auf nationaler Ebene dienen. Innerhalb der Bewegung wachsen die Spannungen zwischen Unterstützern und Gegnern Raggis. Im Verhaltenskodex der Bewegung war ursprünglich das Prinzip verankert, dass ein Mitglied automatisch sein politisches Amt abgibt, wenn es zum Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens wird. Grillo veranlasste im Januar die Streichung dieses Passus.  Norman Hanert

Zum Wahnsinnigwerden. Die Italiener leiden seit 1968 an der Savonarolitis und werden weiter daran sterben. Als (sehr dünne) Hoffnung bleibt nur, dass Renzi außerhalb von Florenz manchmal erst beim zweiten Anlauf gewinnt. Jedenfalls bewundere ich seine Energie. Er hat die Virtú, jetzt bräuchte er nur noch die Fortuna.


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