Italiens größte Partei, die sowohl den Staats- als auch den
Regierungschef stellende Partito Democratico (PD, Demokratische Partei),
hat sich gespalten. Die damit absehbare Zersplitterung des
Parteiensystems kann für das südeuropäische Land weitreichende Folgen
haben.
Ende vergangenen Monats haben sich Vertreter des
linken Flügels der PD losgesagt und die „Bewegung der Demokraten und
Progressisten“ (DP) gegründet. Mit von der Partie sind der ehemalige
PD-Fraktionschef im italienischen Parlament Roberto Speranza und der
Präsident der Region Toskana, Enrico Rossi.
Das veröffentlichte
Gründungspapier des linken Projekts liest sich in Teilen wie eine
Generalabrechnung mit dem bisherigen Parteichef Matteo Renzi. Die neu
gegründete DP werde „nicht am Ehrgeiz und an der arroganten Anmaßung
ihres Führers ersticken“ und solle „zu ihrem Kurs zurückfinden und den
Rechtsdrall aufgeben“.
Parteiinterne Kritiker haben Renzi schon
länger einen übermäßigen persönlichen Ehrgeiz attestiert. Der frühere
Ministerpräsident war kurz vor der Abspaltung des linken Parteiflügels
von seinem Posten als PD-Chef zurückgetreten und hatte erklärt, er wolle
im Juni auf einem Parteitag erneut für den Chefposten bei der PD
kandidieren. Sollte Renzi damit Erfolg haben, ist er automatisch der
Spitzenkandidat für die Parlamentswahlen, die spätestens im Frühjahr
2018 abgehalten werden müssen.
Die Spaltung der PD könnte Renzis
Ambitionen auf eine Rückkehr an die Spitze der Regierung allerdings
gefährden.
Demoskopen bescheinigen der neuen Linkspartei ein
Stimmenpotenzial von fünf bis sechs Prozent, die Renzi am Ende fehlen
könnten.
Darüber hinaus sehen politische Beobachter mit der Spaltung
im linken Lager die Gefahr wachsen, dass sich Italiens Parteiensystems
„balkanisiert“ und das politische System noch instabiler wird. Die
Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) hat in der Vergangenheit signalisiert, sie
wolle generell keine Koalitionen eingehen. Das Mitte-Rechts-Lager aus
Silvio Berlusconis Forza Italia und der Lega Nord ist laut Umfragen von
einer Mehrheit weit entfernt.
Das Wahlrecht droht die Lage noch zu
verschärfen. Bereits im Januar hat Italiens Verfassungsgericht die
Reform des Mehrheitswahlrechts für das Abgeordnetenhaus aus dem Jahr
2015 zwar teilweise einkassiert, das Wahlgesetz aber insgesamt als
sofort anwendbar eingestuft. Mit dem Urteil gilt für das
Abgeordnetenhaus das Mehrheitswahlrecht. Renzis Scheitern bei der
Verfassungsreform im letzten Dezember hat allerdings zur Folge, dass die
zweite Kammer, der Senat, vermutlich erneut per Verhältniswahlrecht
bestimmt wird. Dieser Dualismus kann weitreichende Folgen haben. So hat
Staatspräsident Sergio Mattarella die Forderungen nach vorgezogenen
Neuwahlen zurückgewiesen.
Im Dezember erklärte der frühere
Verfassungsrechtler Sergio Mattarella, er lehne die Auflösung des
Parlaments ab, solange für beide Parlamentskammern unterschiedliche
Wahlrechte gelten. In der Diskussion ist inzwischen die generelle
Rückkehr zum alten Verhältniswahlrecht. Dieses gilt allerdings als eine
Ursache für die jahrzehntelange politische Instabilität
Nachkriegsitaliens. Mit dem steckengebliebenen Reformprojekt Renzis
bleibt zudem das Problem erhalten, dass sich Abgeordnetenhaus und Senat
gegenseitig blockieren können. Zur missglückten Wahlrechtsreform kommen
die anhaltenden wirtschaftlichen Probleme Italiens, etwa die weiter
schwelende Krise des Bankensektors.
Ob die stärkste
Oppositionspartei, Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), von der
Spaltung der regierenden PD profitieren kann, ist keineswegs ausgemacht.
Die „Grillini“ sorgen nämlich inzwischen ausgerechnet in der
italienischen Hauptstadt für negative Schlagzeilen. Die M5S-Kandidatin
Virginia Raggi war letztes Jahr in Rom mit einer Zweidrittelmehrheit zum
Stadtoberhaupt gewählt worden. Angetreten war die Juristin mit dem
Versprechen, die Korruption in der skandalgeplagten Metropole zu
bekämpfen. Raggi wird inzwischen allerdings wegen fragwürdigen
Personalentscheidungen selber stark kritisiert. Im Raum steht der
Verdacht, die Bürgermeisterin habe bei der Ernennung des
Tourismusdirektors ihr Amt missbraucht. Im Zuge von Ermittlungen wurde
die Politikerin inzwischen von der Staatsanwaltschaft befragt. Bereits
im Dezember durchsuchten Carabinieri sogar die römische Stadtverwaltung
und beschlagnahmten Unterlagen zu Personalentscheidungen der
Bürgermeisterin. Im Kontrast zu dieser Entwicklung sollte Rom eigentlich
als ein Vorzeigeprojekt der Fünf-Sterne-Bewegung für eine
Regierungsübernahme auf nationaler Ebene dienen. Innerhalb der Bewegung
wachsen die Spannungen zwischen Unterstützern und Gegnern Raggis. Im
Verhaltenskodex der Bewegung war ursprünglich das Prinzip verankert,
dass ein Mitglied automatisch sein politisches Amt abgibt, wenn es zum
Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens wird. Grillo veranlasste im
Januar die Streichung dieses Passus. Norman Hanert
Zum Wahnsinnigwerden. Die Italiener leiden seit 1968 an der Savonarolitis und werden weiter daran sterben. Als (sehr dünne) Hoffnung bleibt nur, dass Renzi außerhalb von Florenz manchmal erst beim zweiten Anlauf gewinnt. Jedenfalls bewundere ich seine Energie. Er hat die Virtú, jetzt bräuchte er nur noch die Fortuna.
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