Immer mehr spricht dafür, dass die AfD im Herbst krachend scheitern wird.
1. teilweise an der allgemeinen Trägheit, dem Verharrungsmoment, das die Menschen allem Neuen entgegensetzen, nachdem die Gedankenloseren ihm begeistert entgegensprangen, denn das Neue löst bei den Vielen (und gerade auch bei den Besonnenen) immer Angst aus, besonders dann, wenn das Neue schön ist. Und in Europa kommt verstärkend noch antiamerikanischer Groll hinzu.
2. teilweise an sich selbst: an Höcke bzw. daran, dass es in der AfD (und ergo in den Talkshows) keine Männer wie Lichtmesz und Sellner gibt und Themen, die wortgewandt, charmant, scharfsinnig, luzide, anschaulich, spontan, lebendig, rhetorisch brillant und gelassen vertreten und nie expressis verbis, sondern immer nur implizit angesprochen sehr wohl zugkräftig auch auf unser ungebildetes Fachidiotenbürgertum wirken könnten, einem schwülstig sentimentalen Tollpatsch mit unsäglich schlechtem Geschmack überlassen werden, der außer kaum mal relevanten Geschichtskenntnissen und einem reinen Herzen nichts vorzuweisen hat.
3. teilweise daran, dass selbst Pretzell - also der einzige männliche Pol außer Höcke-Gauland-Poggenburg innerhalb der AfD - offenbar übersieht, dass der fast totale Sieg der roten Strolche nicht allein auf die Grünen zurückzuführen ist, sondern auf zwei Momente, die getrennt marschierten und ein schlagender Beweis dafür sind, wieviel ein einziger Mann im Lauf der Zeit erreichen kann, wenn er einen Baum pflanzt und sein Wachstum geduldig 25 Jahre lang pflegt.
Genauer gesagt waren es zwei Männer: Klaus Wagenbach und Hans Magnus Enzensberger. In den 80-er Jahren hatten all die "Qualitätsjournalisten", die jetzt in den Chefsesseln sitzen, mindestens 20 wegweisende Bücher aus dem Wagenbach-Verlag in ihren Regalen (damals meist noch ohne das Wissen ihrer Eltern und Professoren), wenn sie nicht das "Kursbuch" oder den "Freibeuter") abboniert hatten.
Noch vor 3 Jahren war ich der Ansicht, dass in Deutschland in 20 Jahren eine konservative Avantgarde beginnen könnte zu siegen, wie jetzt gerade die Linke siegt. Und das nur deshalb, weil ich sah, dass es in unserer Epoche zwei Männer gibt, die - wie Scipio von Hannibal - gelernt haben, wie man seine Gegner mit den eigenen Waffen schlägt. Diese beiden Männer sind 1. Kubitschek als Antidot Wagenbachs und 2. Michael Klonovsky als Antidot Enzensbergers.
4. weil Martin Schulz als pöbelnder Rüpel souverän die Szene beherrscht und Petry mit größerer Wucht zermalmen wird, als es Trump mit Hillary gelang.
Pretzell hat begriffen, dass das größte Problem der AfD die Zeit ist, die Eyle, was a) daran liegt, dass sich bei 1 Kind pro Frau die deutschstämmige Bevölkerung alle 25 Jahre halbiert und b) daran, dass durch die Invasion testosterontriefender Araber der Handlungsbedarf gegenüber der gefährlichen Stichwortgeberin Aydan Özuguz exponentiell dringender wurde. Pretzell scheint auch zu ahnen, dass Patzelts Analyse (Petry&Pretzell = Realos, Höcke&Kubitschek = Fundis) zu kurz greift. Aber bisher sieht nicht einmal er, dass der sich anbahnende totale Sieg der roten Strolche im Herbst 2017 auf Wagenbach und Enzensberger zurückzuführen ist und auch nur metapolitisch verhindert werden kann. Wie aber soll man zeitraubende metapolitische Arbeit leisten, wenn Eile geboten ist? Indem man Höcke bremst, gleichzeitig aber die Kraft der schnellen Verbände (Identitäre Bewegung und 1%) irgendwie mit den eigenen Kräften bündelt: Beschleunigung und Doppelbödigkeit.
Leider ist Deutschland ein Land, wo der Freimut keine Heimat (mehr?) hat. Gab es in Deutschland jemals einen Leo Longanesi? Da ist Österreich viel gesünder. Ganz zu schweigen von Italien!
In Italien gewann Berlusconi nicht auf Grund seiner Medienmacht, sondern weil er seine drei Sender allen als Forum zur Verfügung stellte, seine linken Moderatoren nicht feuerte, selber nach dem Motto "willst du gelten, mach dich selten" handelte und sich daher nur sehr selten persönlich äußerte, dann aber, wenn nach dem langen Warten alle an seinen Lippen hingen, immer rhetorisch brillant, schlagfertig, in publikumsgerechter Sprache, scharfsinnig, ideenreich, klug antikonformistisch, die verstaubten linksbürgerlichen Klischees entlarvend: er fasste in Worte, was die Mehrheit - kleine und große Leute - seit Jahrzehnten nur fühlte, weil es seit Jahrzehnten niemand artikuliert hatte (nicht einmal brillante Zeitkommentatoren wie Umberto Eco).
Wie also soll es gelingen, mit Kubitschek getrennt zu marschieren und vereint zu schlagen in einer Situation, in der die Eyle herrscht? Eigentlich müsste der Baum langsam wachsen, wie Wagenbachs Baum. Romano Prodi nannte sein Parteienbündnis nicht um sonst Ulivo, Olivenbaum, machte dann aber den Fehler, ein von Natur aus langsam wachsendes Gehölz zu eiligem Wachstum zu zwingen, statt Berlusconi in Ruhe die Dreckarbeit machen zu lassen. Aber das ist ein anderes Thema...
Prodi hätte wirklich Zeit gehabt. Die AfD dagegen hat keine. Wenn der AfD etwas fehlt, dann Zeit.
Pretzell ist der einzige, der Schulz etwas entgegensetzen kann. Aber nur, wenn er von Leuten wie Klonovsky, Lichtmesz, Sellner, Jongen (und vielleicht auch Kubitschek) auf eine Weise flankiert wird, die aus dem Fernsehbildschirm in Millionen von Wohnzimmer hineinragt.
Auch Petry kann es nur schaffen, wenn sie von ein paar brillanten Männern unterstützt wird. Man unterschätze Schulz nicht! Der Mann hat die richtige Stimme, die richtige Körpersprache, den richtigen Hass auf Trump und Berlusconi (und es wird ihm nur nützen, wenn er durch schlaue Analysen als Hassprediger "entlarvt" wird). Er ist der Rüpel, der Merkel und Petry besiegen wird und Wagenbachs, i.e. Anne Wills, Maischbergers, Markus Lanzs, Willemsens, Thomas Gottschalks, Reich-Ranickis, Plasbergs, Günther Jauchs, Johannes B. Kerners, Joschka Fischers, Dany le Rouges Sieg total machen wird.
Das Pöbeln muss die AfD ihm überlassen. Sie muss geschmeidig auf ihn reagieren, aber sie muss gleichzeitig ihre Kuschreflexe loswerden und zu einem unbefangenen, gnadenlosen Gegenangriff übergehen. Das schaffen Pretzell und Petry aber alleine nicht, selbst eingeräumt, dass es für Frauen und Juden leichter ist, unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Pretzell und Petry brauchen die Hilfe von Lichtmesz, Sellner und Laut gedacht im Fernsehstudio. Denn Broder wird ihnen nicht helfen. Oder nur wenn sie ihn zusammen mit Klonovskys Frau beknien, gemeinsam nach Yad Vashem zu fahren!!
Was ist zu tun?
1. Beschleinigung. Das geschieht bereits durch das Internet: Sezession, Facebook, Twitter
2. Doppelbödigkeit. Das geschieht vielleicht auch schon: Die Strategie, Höcke ein Ausschlussverfahren anzuhängen, das irgendwann versandet, weil Höcke die Sympathie der Schiedsgerichte genießt, kann ein Vorteil sein, wenn es der AfD gelingt - in Ermangelung der beiden Ebenen, die den roten Strolchen als zwei Spielfelder zur Verfügung standen: die Grünen als parlamentarischer Aktionskörper und Wagenbach-Enzensberger als hermeneutisches Kraftfeld - doppelbödig zu sein: quod licet Jovi non licet bovi bzw. die AfD braucht eine kurzfristige Perspektive, die die Reizthemen in eine längerfristige Strategie einfüttert und erst mal vertagt. Mit anderen Worten, es ist gut Höcke auf Eis zu legen, damit er in ein paar Jahren noch frisch ist, wenn der Gärungsprozess in der Bevölkerung die Angst vor therapeutischer Katharsis gelindert hat. Dann ist er vielleicht auch nicht mehr so tölpelhaft, wenn er sicht nicht mehr so einsam zu fühlen braucht.
3. Das Fernsehen ist immer noch das A und O. Wir brauchen in den Talkshows Leute wie Lichtmesz und Sellner. Aber solange es in der AfD keine Leute wie sie gibt, werden sie gerade mal von Servus.TV eingeladen. Also müssen sie a) entweder AfD-Mitglieder werden oder b) man lässt sich etwas anderes einfallen, um sie in Maischbergers und Wills und Plasbergs und Lanzs Studios zu schmuggeln.
Was also ist zu tun? Es wäre schon viel gewonnen, wenn sich Petry und Pretzell bewusst würden, dass das Hauptproblem darin besteht, dass sie in den Fernsehstudios nicht so sehr von Grünwählern, sondern vor allem von Wagenbachschülern umzingelt sind, weil vor wenigen Jahren, als die letzten konservativen Journalisten in Pension gingen, ein Generationswechsel seinen Abschluss fand, der begann, als ein ehemaliger Lektor Wagenbachs (Thomas Schmid, der 1978 vielleicht Deutschlands bester Italienexperte war) Chefredakteur von Springers "Welt" wurde und Döpfner sich mit Grass aussöhnte.
Und dann muss überlegt werden, wie man Lichtmesz, Sellner und "Laut gedacht" in Plasbergs, Wills, Illners, Lanzs Talkshow bekommt.
Schulz ist wie Helmut Böttiger ein "vertikaler Eindringling" im Sinne Ortega y Gassets, der nur wenig Talent besitzt und dennoch bzw. gerade deshalb zu den typischen Siegern der Epoche gehört.
Spreng klatscht auch schon.
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