Stationen

Samstag, 13. Mai 2017

Für die Katz

Das gesamte politische Establishment in Paris wie in Berlin und bei der EU hat sich parteiübergreifend hinter den siegreichen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron gestellt. Das macht eine grundlegende Veränderung in der politischen Landschaft Europas sichtbar.

Hier wurde die Zerstörung des seit dem Weltkrieg geltenden politischen Koordinatensystems offenkundig. Das alte Trio Konservativ-Liberal-Sozialdemokratisch verschwindet.
Daher trug die Macron-„Begeisterung“ der Etablierten denn auch sichtlich Züge der Verzweiflung. Sie erschien wie das letzte Aufbäumen eines Kartells, das bislang alles unter sich aufteilen konnte und nun erleben muss, wie neue Kräfte und Konstellationen mit Wucht in die Gefilde der bislang sicher geglaubten Macht eindringen. Es ist nochmal „gut gegangen“, aber für wie lange noch?
Macrons Präsidentschaft steckt von Beginn an zwischen Baum und Borke. Und er wird seine deutschen Partner in eine ähnlich prekäre Lage manövrieren− ja, aus Selbsterhaltungstrieb sogar manövrieren müssen.
Der Neue im Elysée hat „Reformen“ angekündigt, die im Vergleich zu jenen Gerhard Schröders bestenfalls als homöopathisch zu bezeichnen sind. Doch selbst dafür schlug ihm schon am Tag nach der Wahl der erbitterte Widerstand einer radikalen Linken entgegen, die sich nach den fast  20 Prozent ihres Kandidaten beim ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen zu Recht stark fühlt.
Als Zuckerstück für die re­formunwilligen Franzosen betreibt Macron die Vergemeinschaftung der Schulden der EU-Staaten und fordert ein EU-Finanzministerium sowie eine gemeinsame EU-Arbeitslosenversicherung. Das heißt: Vor allem die Deutschen sollen dafür zahlen, dass in Frankreich mit seiner 35-Stunden-Woche, seinem Sozialstaat, seiner Schuldenpolitik und seiner vergleichsweise weniger wettbewerbsfähigen Wirtschaft möglichst wenig verändert werden muss.
Die derart zur Kasse gebetenen Deutschen werden ihre Politik bald fragen, warum sie die Last der Hartz-Reformen ertragen und dem Wegschmelzen ihrer Ersparnisse zugunsten der Staatskasse per Nullzins zugesehen haben, wenn die Früchte ihrer Entbehrungen nun über den Rhein getragen werden. Der Appell an ihre „europäische Solidarität“ muss da wie Hohn klingen, der Hinweis, sie profitierten ja in Wahrheit am meisten, wie eine dreiste Lüge.
Die Politik der Einheitswährung und der sinnlosen „Umverteilung“ in Europa, die erst zu dem heftigen Aufeinanderprallen der so unterschiedlichen Volkswirtschaften geführt hat, ächzt immer vernehmlicher unter den eigenen Widersprüchen. Der „Europäer“ Macron könnte es sein, der das morsche Gebälk an seine Belastungsgrenze führt.   Hans Heckel

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