Im Grunde kann ein Artikel über Ralf Stegner nur mit dem Satz
beginnen: Zu Ralf Stegner fällt mir nichts ein. Niemandem fällt zu Ralf
Stegner etwas ein. Nicht einmal Ralf Stegner selber.
Bevor die AfD auf der politischen Szenerie erschien, wußte kaum ein
Mensch, wer Ralf Stegner ist. Inzwischen hat sich der Sozialdemokrat als
eine feste Größe im Talkshow- und Twitter-Zirkus dieser Republik
etabliert.
Sein hölzernes Gesicht mit den nach unten gezogenen Mundwinkeln ist
zur Marke geworden, zu einer Art Emoji. Stegner erscheint wie eine
Commedia dell’arte-Figur, die sich im Jahrhundert und im Genre geirrt
hat.
Den Aufstieg in die Glamourwelt des Gefragtseins und sogar -werdens
verdankt Stegner den rechtspopulistischen Schwefelbuben, deren
Bekämpfung er mangels anderer Alternativen zu seiner Obsession erklärt
hat. Und auch die „rechtsextreme AfD-Bande“ oder „die AfD-Idioten“, wie
er sie liebevoll nennt, profitieren von der symbiotischen Anhänglichkeit
ihrer sozialdemokratischen Klette:
Von Stegners Genossen Heiko Maas abgesehen, besitzen sie zur Zeit
keinen verläßlicheren Wahlkämpfer als den stellvertretenden
SPD-Bundesvorsitzenden und Wiedergänger des Mr. Beaker („Mimimi“) aus
der Muppet-Show.
Das wirklich Drollige, ja Hochkomische an der Konstellation Stegner –
AfD besteht ja darin, daß der Sozi habituell genau jene Eigenschaften
verkörpert, die er der politischen Konkurrenz unterstellt: Er wirkt
frustriert, dumpf, haßerfüllt und harthirnig. Stegners Charme gehört in
eine Liga mit der Virilität von Anton Hofreiter und der Selbstironie von
Martin Schulz. Gäbe es eine rechte „Heute-Show“, er wäre deren
personifizierter running gag.
Wer der SPD Arges will, muß nichts weiter tun, als Stegner ins
Fernsehen einzuladen. Optimisten kalkulieren um die 10.000 Minusstimmen
für die Sozialdemokraten pro Talkshow-Auftritt von Stegner. Nie wirken
Rechtspopulisten sympathischer, als wenn der Kastenschädel aus
Bordesholm/Kreis Rendsburg-Eckernförde neben ihnen sitzt und ein Gesicht
macht, als habe er ein Stück Gammelfleisch im Mund.
Eine zweite Möglichkeit, der SPD zu schaden, besteht darin, Stegner
zu zitieren. „Die rechtsgerichtete politische Instrumentalisierung der
Terroranschläge ist widerlich“, twitterte er am 14. November 2015 nach
den Massakern islamischer Radikaler in Paris. Einen Monat zuvor hatte er
das Messerattentat auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker
mit den Worten kommentiert: „Pegida hat mitgestochen.“
Dieser ethische und auch logische Spagat bereitet unserem roten
Rabauken nur wenig Mühe. Im September 2016 erklärte er in einem
Interview, die AfD sei ein Fall für den Verfassungsschutz, weil „die
Brandreden der Rechtspopulisten zu Brandsätzen zum Beispiel gegen
Flüchtlingsunterkünfte werden“. Die Partei trage „eine politische
Mitverantwortung für das, was durchgeknallte Rechtsextremisten machen,
denn sie bereitet verbal den Boden“. Und er?
„Fakt bleibt, man muß Positionen und Personal der Rechtspopulisten
attackieren, weil sie gestrig, intolerant, rechtsaußen und gefährlich
sind“, hatte er schon am 8. Mai 2016 getwittert, um 0.33 Uhr übrigens,
da war der grobianische Sproß eines Gastwirts-Ehepaars vielleicht schon
etwas beschickert. Wer ihn wegen solcher Äußerungen angesichts der
ständigen körperlichen Attacken auf AfD-Politiker einen geistigen
Brandstifter nennt, geht dennoch fehl; geistig und Stegner, das ist wie
eloquent und Merkel.
Stegners Wahrnehmung der Wirklichkeit ist oft von exklusiver Art.
„Wenn Leute hinter einer Naziflagge hinterherlaufen, finde ich es
falsch, so zu tun, als wüßten die nicht, was sie täten“, erklärte er am
18. November 2016, vergaß aber zu erwähnen, wo er dergleichen beobachtet
haben will (gab es vielleicht ein Länderspiel?).
Am 13. Dezember 2016 empfahl der promovierte Politikwissenschaftler:
„Wer vor der Islamisierung Deutschlands warnt, braucht medizinischen
Rat, keinen politischen. Hier wird man doch eher vom Blitz erschlagen,
als daß man einen Islamisten auf der Straße trifft.“ (Immerhin machte er
keinen Unterschied zwischen Islam und Islamismus.)
Sechs Tage später ermordete ein Dschihadist am Berliner
Breitscheidplatz zwölf Menschen, verletzte 55 weitere zum Teil schwer
und versaute unserem Statistiker die Pointe, denn an Blitzschlag sterben
im Schnitt nur zehn Deutsche pro Jahr. In kecker Unbeirrtheit schob er
am 23. Dezember nach: „99,9 Prozent der Flüchtlinge haben mit
Terrorismus genausowenig zu tun wie 99,9 Prozent der Deutschen.“ Mit
anderen Worten: Deutsche und Flüchtlinge sind zu exakt gleichen Teilen
für den Terrorismus verantwortlich.
Was dagegen hilft, weiß Stegner auch. „Schweinefleisch in Kantinen,
Abschiebe-TV: Dieser ganze konservative Quark zeigt den Unterschied zu
uns auf. Wir wollen eine Politik für sozialen Zusammenhalt für alle
Menschen, die hier leben“, gab er am 2. Januar dieses Jahres zum besten.
Notfalls eben ohne Schweinefleisch.
„Ich bin jemand, der sagt, was er denkt“, vertraute Stegner im Januar 2014 der Badischen Zeitung an. Wenigstens kennt er sein Problem. MK am 5. 5. 2017
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