Stationen

Freitag, 19. Mai 2017

Hans-Olaf Henkel

Emmanuel Macron will einen Haushalt für die Eurozone. Kein Problem für Wolfgang Schäuble, auch wenn so ein weiterer vor allem von Deutschland finanzierter Topf entsteht, aus dem sich Macron bedienen kann. Haben deutsche Politiker nicht schon immer französischem Druck nachgegeben?

Helmut Kohl bezahlte die Zustimmung François Mitterrands zur Wiedervereinigung mit der Aufgabe der D-Mark. Gerhard Schröder beugte sich dem Druck Jacques Chiracs und akzeptierte Griechenland in der Eurozone, obwohl selbst die durch die Griechen getürkten Zahlen dafür nicht reichten.
Weil Nicolas Sarkozy mit dem Ende der deutsch-französischen Freundschaft drohte, brachte Angela Merkel das finanzielle Beistandsverbot von Maastricht zu Fall – und rettete vor allem französische Banken, bei denen die Griechen in der Kreide standen. Und François Hollande erzwang gegen den Rat der Mehrheit der Eurogruppe die Zustimmung Merkels zum dritten Griechenland-Rettungspaket.
Heute übertreffen sich deutsche Politiker in ihrer Freude über die Niederlage Marine Le Pens darin, den europapolitischen Vorschlägen Macrons möglichst viel Gutes abzugewinnen, auch wenn diese deutschen Interessen widersprechen. Höhere Schulden in Frankreich? Für Sigmar Gabriel völlig in Ordnung, auch wenn wir als größter Gläubiger im Euro dafür mithaften. Gemeinsame Haftung der Banken in der Eurozone? Für CDU/CSU, FDP, Grüne, Linke im EU-Parlament kein Problem, auch wenn deutsche Sparer für das Gezocke französischer Banken haften.
Die französische Arbeitslosenversicherung soll mit unserer zusammengelegt, der deutsche Handelsüberschuß abgebaut und die Staatsschulden vergemeinschaftet werden. Die Eurozone soll ein eigenes Parlament bekommen und so weiter. Es stimmt, einige dieser Vorschläge werden von Berlin noch abgelehnt. Es stimmt aber auch, daß Merkel und Schäuble noch fast alle roten Linien, die sie gegenüber Frankreich lauthals gezogen, später leise übertreten haben.
Der Verfasser dieser Zeilen hat lange in Frankreich gelebt und gearbeitet. Er weiß: Frankreich ist nicht zu reformieren. Schon jetzt bereiten sich starke Kräfte von ganz links und ganz rechts – die Gewerkschaften vorneweg – darauf vor, ihre Proteste von der Place de la Bastille auf ganz Frankreich auszuweiten.
Macron weiß das auch. Deshalb stellt er jetzt weniger Forderungen an sein Volk als an Brüssel und Berlin. Statt diesen jetzt eilfertig nachzukommen, sollten Merkel, Schäuble, Juncker, Gabriel & Co. ihn daran erinnern, daß seine Priorität nicht sein kann, Europa oder Deutschland zu reformieren, sondern Frankreich.  Hans-Olaf Henkel


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