David und Victoria Beckham waren das erste Mega-Influencer-Promi-Paar. Wie der Zuschauer erfährt, trugen alle Gäste auf ihrer Hochzeit lila Kleidung, und die beiden sassen auf goldenen Thronen, was dem 48-Jährigen heute schräg vorkommt: «Ich glaube, ich habe mich einfach an Victoria orientiert, aber was haben wir uns dabei gedacht?» Victoria: «Es hat Spass gemacht. Wir machten uns keine Sorgen darüber, was die Leute sagen würden.» Ironisch fügt sie hinzu: «Ich weiss nicht, woher die Throne kamen.» Sie widersprechen und necken sich, die heute gefeierte Designerin rollt über so manchen Entscheid ihres Gatten die Augen. Beide kommen sympathisch daher. Vor allem sie, die früher ihr Eisengel-Image wie ihre Luxushandtasche vor sich hertrug, wird gegen Ende der vier Folgen gewinnender, stellenweise blitzt sogar Humor durch.

Ein bisschen leid tut einem anfangs David, wie er mit ermattetem Blick dasitzt und einen etwas verlorenen Eindruck macht, ohne die Erfolge, die jubelnden Fans und die Weltbühne. Er wirkt wie jemand, der krampfhaft versucht, einen Sinn in seinem Leben zu finden. Gegen Ende stellt man aber fest, dass man sich wohl getäuscht hat. Menschlich macht den Superstar vor allem, wie er über die Schattenseiten seines Lebens spricht; offenbar hatte er das Bedürfnis, Dinge zu erklären aus der Zeit, als er wie ein Aussätziger im eigenen Land behandelt wurde.

Auch sein Landsmann Harry fühlte sich unverstanden und wollte das öffentliche Bild zurechtrücken: Alle sollen gut von Harry denken. Die Offenbarungen in seiner Netflix-Doku enthielten jedoch ausser dem Klagen über ihr Leben, dem Lästern über die eigene Familie und die Boulevardpresse, die ihren Alltag in England unerträglich machte, wenig Neues. Hängen blieb vor allem der Eindruck des Superprivilegierten, der zwar sagt, er wolle ja nur ein «normales Leben» führen, dabei einen durchwegs royalen Lifestyle pflegt – aber dann dessen negative Begleiterscheinungen beklagt. Beide Paare leben einen sündhaft teuren Lebensstil. Nur musste kein Steuerzahler je Hochzeit, Privatjets oder Millionenanwesen der Beckhams finanzieren.

Die Presse kann erbarmungslos sein, und die britische Boulevardpresse hat den Ex-Royals übel mitgespielt. Der Beckham-Film zeigt jedoch noch mal einen ganz anderen Hass-Level: Der Hass schlug dem Ex-Fussballer wegen eines Platzverweises an der WM 1998 mit aller Wucht entgegen, als England ausschied und er zum Sündenbock erklärt wurde. Der damals 23-Jährige wurde monatelang bei jedem Schritt an die Öffentlichkeit von Fans angefeindet, bespuckt, man schickte ihm Briefe mit Patronenkugeln, eine Beckham-Puppe wurde an einem Galgen aufgehängt. Sogar Victoria wurde im Stadion durch an Obszönität nicht zu überbietende Sprechchöre beleidigt. Die Doku ist auch bemerkenswert, weil sie den Abgrund der Massen zeigt; Leute passten Beckham ab, um ihn übelst zu beschimpfen – dafür nahmen sie ihre kleinen Kinder mit! – wegen einer Millisekunde, in der er bei einem Ballspiel nicht ganz optimal reagierte. Innerlich wurde er «klinisch depressiv», sagt Victoria. Er rappelte sich hoch, kämpfte weiter, irgendwann schoss er wieder Tor um Tor. In diesem Mann steckt ein Zünder, um den man ihn beneidet.

Ein weiterer Unterschied ist, ob man in einer Reportage eigene grandiose Leistungen und Erfolge vorzuweisen hat, oder hauptsächlich durch das Ausplappern familiärer Angelegenheiten für Aufsehen sorgt. Bei Harry hat man bisweilen den Eindruck, dass er das, was er geschenkt bekommen hat, wegwirft und dazu noch die eigene Familie verrät. Das dürfte auch der Grund sein, warum Harry und Meghans Doku nicht den gewünschten Effekt erzielte. Der PR-Guru, der den Beckhams zu der Verfilmung riet, hat gute Arbeit geleistet.   Tamara Wernli