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Mittwoch, 28. August 2024

Ein Schachzug!

 Friedrich Merz (CDU) sitzt vor den Journalisten der Bundespressekonferenz. Ungefragt betont er mehrfach, dass sein Angebot an Olaf Scholz überhaupt nicht parteipolitisch motiviert sei – nicht einmal etwas mit Parteipolitik zu tun habe. Ihm gehe es darum, dass die etablierten Parteien das Vertrauen der Bürger verlören, weil sich in der Einwanderungspolitik nichts konkret ändere. Über den Kanzler sagt Merz sogar, dass Scholz das Land zu entgleiten drohe.

Deswegen hat Merz Scholz einen Verfahrensvorschlag gemacht, der es in sich hat: In einem ersten Schritt sollen SPD und Union jeweils einen Zuständigen benennen, die das Feld inhaltlich klären. Dann soll es noch im September ein Gesetzespaket geben, das in den Bundestag eingebracht wird. Der Kanzler solle den Fraktionszwang aufheben lassen. Dann hätten SPD und Union zusammen eine auskömmliche Mehrheit für das besagte Gesetzespaket.

Merz will die Einwanderung stoppen. Statt die Einwanderung steuern zu wollen, soll es in den entsprechenden Gesetzen wieder heißen, dass es darum gehe, die Einwanderung zurückzufahren. Zu diesem Zweck will Merz das Dublin-Abkommen wieder in Kraft setzen. Demnach darf Deutschland keinen Antragsteller von Asyl aufnehmen, der zuvor bereits ein anderes Land der EU betreten hat.


Um Dublin wieder in Kraft zu setzen, wäre Merz bereit, weit zu gehen. Der CDU-Chef räumt ein, dass es Zweifel gebe, ob sich die Regelung so ohne weiteres gegen EU-Recht durchsetzen lässt. Falls sich zeige, dass das nicht möglich ist, will Merz sogar die Notlage ausrufen. Denn dann hätte Deutschland das Recht, geltendes EU-Recht außer Kraft zu setzen und zur Not gegen dessen Regelungen Einreisende an der Grenze abzuweisen. Zudem will Merz die Rechte der Ermittlungsbehörden stärken. Etwa durch anlasslose Kontrollen oder durch die Nutzung von Online-Adressen für die Fahndung.

Das Angebot Merz ist eines im Sinne des Films „Der Pate“. Eines, das Scholz nicht ablehnen kann. Zumindest nicht ohne Schmerzen. Denn Merz hat zum ersten Mal offen die Mitschuld der CDU und CSU an der jetzigen Situation in der Einwanderungspolitik offen eingeräumt. Lehnt Scholz jetzt Merz’ Angebot ab, ist die ungezügelte Einwanderung seine Verantwortung – und nicht mehr die von seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU). So wie die Ampel den Atomausstieg mit dem Beharren im Frühjahr 2023 zu ihrer Energiepolitik gemacht hat.

Für die Ampel wäre es das Ende, wenn Scholz auf Merz eingeht. Eine Koalition aus SPD und Union würde dann faktisch eine Einwanderungspolitik durchsetzen, gegen die sich die Grünen ausdrücklich aussprechen. Obendrein noch eine Innenpolitik, gegen die sich die FDP wehrt. Das können sich Scholz’ Partner nicht gefallen lassen und danach am Kabinettstisch sitzen bleiben.

Merz ist mit dem Angebot ein Geniestreich gelungen: Er streift das ungeliebte Erbe Merkels ab. Er setzt die Ampel unter Druck und er vertritt inhaltlich sinnvolle Positionen, mit denen sich 2025 gut Wahlkampf machen lässt. Parteipolitisch ist das alles sinnvoll. Kein Wunder, dass Merz meint, betonen zu müssen, dass dies alles nichts mit Parteipolitik zu tun habe.     Mario Thurnes


Der Kanzler gibt ein persönliches Statement ab, und liest vom Teleprompter ab. Er kommt nach Solingen und redet über seinen Zorn über das Abschlachten. Nachfragen sind nicht erlaubt. Fragen könnten den Kanzler aus dem Konzept bringen. Bleiben wir bei den Sozialdemokraten, deren Fenster zur Welt der Wahlbürger der Blick in die Fernsehkamera ist. Saskia Esken, tonangebend, zeichensetzend, eiskalt. Von den Morden in Solingen, vom öffentlichen Sterben mit durchtrennten Halsschlagadern, „können wir nicht allzu viel lernen“, sagt sie. Noch einmal, weil es so ehrlich wie kalt ist, von den Morden eines illegalen Migranten „können wir nicht allzu viel lernen“. Drei Deutsche abgestochen, weitere schwer verletzt. Das Blut auf dem Festplatz, noch nicht getrocknet und weggewischt. Bei wie vielen Terrormorden setzt wohl bei der Frau und ihrer Partei ein Lerneffekt ein?

Mit „wir“ meint die Frau Esken ihre politische Klasse. Woher sollten sie etwas gelernt haben, was sie nicht bereits wissen? Sie bewegen sich durch das Land mit Leibwächtern und Limousinen und bekommen von treuen Funktionären ausgewähltes Volk vorgeführt. Sie sprechen in Kameras und diktieren in Blöcke. Denjenigen, die noch Talkshows sehen, was für ein treffender Name für diese politische Kunstwelt, sehen immer die gleichen Figuren, die Besorgnis und Lösungskompetenz vorgeben. SPD-Innenministerin Faeser steht mit dem Solinger Bürgermeister, der in Schleuseraktivitäten verwickelt sein soll, auf dem Podium und warnt vor Hass und Hetze und bringt das Sprüchlein vom Zusammenstehen. Wenn Menschen zusammenstehen, ist der nächste Hals keine Armlänge Abstand entfernt. Solingen hat es blutig gezeigt. Nancy Faeser will endlich das Waffenrecht verschärfen. Jäger und Sportschützen sollen an die Kandare genommen, sprich entwaffnet werden. Dabei weist der gerade veröffentlichte Polizeibericht aus, dass von Jägern keine Gefahr ausgeht. Faeser will die Bürger entwaffnen. Migrantengewalt und die Menschen wehrlos lassen. Ein Polizeifunktionär sagt deutlich, jeder sei selbstverantwortlich, wenn er sein Haus verlasse, öffentliche Verkehrsmittel nutze oder Veranstaltungen besuche.

Der Grüne Habeck mischt sich ein. Mit magischem Denken, ganz nach Grüner Art. Ein Messerverbot will er. Dabei macht sich kein Messer selbständig auf die Suche nach Blutgefäßen. Die Pressebengels schreiben brav mit und verbreiten die habecksche Sorge vor wild gewordenen Messern. Das ist die Ahnungslosigkeit, die Weltfremdheit der Politik. Habeck hätte auch fordern können, wer mit dem Waffenrecht in Konflikt gerät, verliert Asylanspruch und Aufenthaltsrecht. Dann wäre die aus grünen Augen so schöne Reinkommen-und-bleiben-Politik an ihr Ende gekommen. Das wäre aber kein magisches Denken mehr, sondern hätte etwas mit Verantwortung den Deutschen gegenüber zu tun. Aber sie wollen ja nichts lernen, diese abgeschottete Kaste. Da hat Frau Esken wahr gesprochen. Da ist nichts zu lernen. Die Migrationspolitik ist gescheitert, wirkt tödlich. Wir beachten unsere eigenen Gesetze nicht und bauen dagegen Wohnungen, gewähren Geld und stellen Pässe aus. 

Dieses Land bekommt weiterhin junge Männer aus islamischen Gesellschaften. Und wenn das Volk leidet, sich fürchtet, gar murrt – dann soll es sich ein Stück Torte kaufen. Das beruhigt. Alle warnen jetzt davor, den Terror von Solingen zu instrumentalisieren. Weil doch in ein paar Tagen Wahlen in Sachsen und Thüringen sind. Aber alle tun es. Die politische Klasse der selbsternannten Demokraten fürchtet, dass der erschrockene Wähler, die Falschen wählt. Jede Berichterstattung über Solingen ist ein Instrumentalisieren. Schon die Auswahl der politischen Reaktionen ist es. Von der AfD wurde da wenig berichtet. Offensichtlich wollte die Presse nicht wissen, was die Vertreter dieser Partei denken. Und wenn doch, dann kommt sofort einer der Demokraten daher und stellt „Hass und Hetze“ fest. Auch das ist wieder magisches Denken. Man fährt der aufstrebenden politischen Konkurrenz übers Maul, lässt sie vor keine Kamera und glaubt, dass es nützt. Fantasten, die an Zauberei und Magie glauben, können recht unterhaltsam sein. Fantasten in der Politik sind Ideologen und brandgefährlich. Sie nehmen Leichen in Kauf und lassen die Blutlachen wegkärchern. Sie lernen nicht allzu viel.    Frank Wahlig


Friedrich Merz hat bemerkenswerte Pläne im Kampf gegen illegale Einwanderung. Klar ist: Das ist mehr als ein parteitaktisches Manöver. Der CDU-Chef will Deutschland aus einer tiefen Krise führen.

Das war eine Pressekonferenz der anderen Art: keine Floskeln, keine Beschwichtigungen, keine Allgemeinplätze. CDU-Chef Friedrich Merz hat vor der Hauptstadtpresse nach seinem Gespräch mit Bundeskanzler Scholz (SPD) präzise und detaillierte Änderungen am Asyl- und Migrationsrecht eingefordert. Vier Tage nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag in Solingen hat der Oppositionsführer seinen Willen deutlich gemacht, die außer Kontrolle geratenen illegalen Einwanderung „signifikant“ zu reduzieren und dazu, zeitlich und inhaltlich auf dieses Ziel beschränkt, mit dem Kanzler zusammenzuarbeiten.

Merz hält sich nicht mit den bekannten und hohlen Forderungen nach schärferen Waffengesetzen, kürzeren Messerklingen oder schnelleren Abschiebungen auf. Er will die Zuwanderung auch nicht „steuern“, wie es die Ampelparteien fordern, sondern massiv begrenzen, notfalls mit der Ausrufung des „nationalen Notstands“ gegenüber der Europäischen Union.

Dazu will Merz jedes Gesetz, jede Verordnung auf den Prüfstand stellen, auch das Grundgesetz, wie er auf Nachfrage deutlich machte: „Es gibt kein Tabu.“ Und er will die Rückkehr zum Dublin-Vertrag in Brüssel einfordern lassen, nach der Asylanträge nur im ersten Land gestellt werden dürfen, in dem ein Bewerber ankommt.

Meint Merz das ernst? Der CDU-Chef versicherte glaubhaft, seine Forderungen seien „nicht taktisch gemeint“, es gehe ihm nicht um die anstehenden Landtagswahlen. Und als einer der ersten Unionspolitiker räumte er offen ein, „dass meine Partei nicht unschuldig ist“, sprich: dass die CDU-Kanzlerin Angela Merkel einst die Grenzen offen gehalten hat. Aber erste Korrekturen, die noch von Schwarz-Rot beschlossen worden seien, habe die Ampel-Koalition wieder zurückgenommen, „es ist wieder schlimmer geworden“.

Scholz drohe das Land zu entgleiten, sagte Merz, und gemeint war erkennbar: Deutschland ist in Gefahr, nicht nur der Kanzler. „Geht nicht ist kein Argument, das ich noch gelten lasse“, so eine der Kernaussagen von Merz. „Dann muss es machbar gemacht werden.“

Er habe Scholz vorgeschlagen, umgehend je einen Politiker zu benennen, um Gespräche über kurzfristig machbare Gesetzesänderungen und andere Maßnahmen aufzunehmen, „das hätte schon heute Nachmittag starten können“, aber der Kanzler habe sich Bedenkzeit ausbedungen, und „das ist in Ordnung, auch wenn ich es anders gemacht hätte“.

Wer in dieser Pressekonferenz lediglich parteipolitische Manöver sieht, dürfte sich irren. Tatsächlich markiert sie einen Wendepunkt in der deutschen Asyldebatte: Da ist plötzlich ein Spitzenpolitiker, und gar der Vorsitzende der stärksten Partei, der den Wandel will und konkrete Vorstellungen hat. Und Merz lässt keinen Zweifel daran, dass er alles andere als eine Koalition mit den Sozialdemokraten will. Er will ein Ziel erreichen und er treibt den Kanzler, der nach dem islamistischen Polizistenmord in Mannheim Vorschläge angekündigt habe, ohne bislang zu liefern, nunmehr vor sich her.

Scholz habe doch seine Richtlinienkompetenz neulich in Anspruch genommen, um die Koalitionäre zu gutem Benehmen aufzurufen, da könne er sie doch auch nutzen, um die Abstimmung über die vorgeschlagenen Reformen vom Fraktionszwang zu befreien. „Union und SPD haben die absolute Mehrheit, da brauchen wir weder Grüne noch FDP“, sagte der Oppositionschef – und meinte natürlich außerdem: wir brauchen weder AfD noch BSW.

Heute hat Friedrich Merz seinen Anspruch angemeldet, dieses Land zu regieren . Und es aus einer tiefen Krise zu retten.    Ansgar Graw

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