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Montag, 12. August 2024

Die unaufhaltsame Drift ins Chaos (da müssen wir durch)

 

Leeds im Juli: Eine Frau wird wegen eines hingeworfenen Kommentars zu Unruhen festgenommen und in eine Zelle gesperrt. Sie versteht nicht, warum. Der Fall wirft auch ein Licht auf die aktuelle Auseinandersetzung um ein schärferes Vorgehen der britischen Polizei gegen ethnischen oder religiös begründeten „Hass“.

Inzwischen trenden Botschaften wie diese hier auf Online-Plattformen. „Wenn Sie dies hier retweeten, können Sie im Vereinigten Königreich festgenommen werden. Bitte retweeten Sie das nicht“, schreibt ein Nutzer anscheinend aus den sicheren USA. Zu sehen ist eine Menschenansammlung, die einen Slogan wiederholt. Eine Demonstration also, und es soll illegal sein, das online zu verbreiten? Tatsächlich handelt es sich um eine Demonstration gegen den jüngsten Protest, aber das ist wohl nur eine ironische Spitze des Tweeters, der von der Einäugigkeit der Polizei bereits ausgeht.

Der malaysische Journalist und X-Nutzer Ian Miles Cheong, der meist über US-Politik tweetet, weist darauf hin, dass schon das Zeigen von muslimischen Schlägertrupps auf britischen Straßen ein Vergehen gemäß der derzeitigen Anwendung britischer Gesetze sein könne. Zu dieser Gesetzgebung zählen inzwischen verschiedene Gesetze zu rassisch oder religiös begründetem „Hass“ offline und online, einige davon sind noch nicht einmal letztgültig vom Parlament verabschiedet.

Der Online Safety Act* gehört in diese letztgenannte Kategorie. Auf Anregung des Londoner Bürgermeisters Sadiq Khan will Premierminister Keir Starmer die darin enthaltenen Regelungen, die zunächst die Online-Plattformen selbst betreffen, noch einmal anschauen und bei Bedarf verschärfen. Khan hatte gesagt, das Gesetz reiche nicht aus, um Nutzer vor „Verletzungen online zu schützen“. Starmer scheint entschlossen zum Durchgreifen auch im britischen Online-Raum.

Im Grunde kann man aber bis zum Jahr 1986 zurückgehen, als der Public Order Act, das Gesetz zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung, vorsah, dass „Rassenhass“ sowie Hass aus religiösen Gründen oder aufgrund der sexuellen Orientierung einer Person zu Verstößen gegen die öffentliche Ordnung führen bzw. diese schon alleine darstellen können. 2006 wurde noch ein Spezialgesetz, der Racial and Religious Hatred Act, beschlossen, der das Schüren von „Hass“ aufgrund des ethnischen oder religiösen Hintergrunds von Personen definitiv zum Verbrechen machte. Das hat ohne Zweifel mit der Kolonialgeschichte des Landes zu tun. Übrigens musste die herrschende Klasse schon Rücksicht auf die Muslime Pakistans nehmen, als das größere Indien noch zum Empire gehörte.

Der Westen treibt die Zuwanderung voran, der Osten blockiert
Knapp war man an der Kriminalisierung von „beleidigender Sprache“ schlechthin vorbeigeschrammt. Satiriker und Comedians fürchteten schon, dass ihnen keine Scherze mehr über ethnische Gruppen möglich sein sollten. Bürgerrechtsaktivisten blieben jedoch dabei, das neue Gesetz sei eine gefährliche Angelegenheit, denn einmal aus der juristischen Besenkammer geholt, könne es zu einem effektiven neuen Blasphemie-Gesetz im Vereinigten Königreich werden. Das sagte die Menschenrechtsanwältin und Labour-Peeress Shami Chakrabarti, früher Leiterin der Bürgerrechtsgruppe Liberty.

Nun scheint der Zeitpunkt gekommen. Eine Britin aus Leeds berichtet Abenteuerliches von den Unruhen im dortigen Stadtteil Harehills, in den vor allem ortsansässige Roma und Muslime verwickelt waren. Die Frau wurde im Umfeld der Unruhen festgenommen, während das Zerstörungswerk selbst von den Ordnungskräften hingenommen wurde. Die Polizei hatte sich zurückgezogen, ließ den Unruhen ihren Lauf. Aber nicht den Kommentaren über die Unruhen.

Die Frau verstand nach eigenem Bekunden über Stunden nicht, warum sie eine ganze Nacht in einer spartanischen Zelle verbringen musste. Sie befand sich in einem Schockzustand, sprach 13 Stunden lang kein Wort. Erst am nächsten Tag wandte sich ein gutwilliger Beamter an sie und sagte ihr, dass man sie aus dieser schwierigen Lage herausholen wolle. Man müsse sie aber wegen irgendetwas anklagen, da man sie ja nun einmal festgenommen hatte.

Die Frau verstand noch immer nicht: Anklagen weshalb? Was hatte sie überhaupt getan? Eine Straftat sei begangen worden, hieß es nun. Noch immer dämmerte nichts bei der Frau: „Ich weiß nicht, was mir vorgeworfen wird. Es hat offenbar irgendwas mit ‚Rasse‘ zu tun.“ Das weiß die Frau aber auch nur, weil man ihr zwei Stunden eines „Rassen-Bewusstseins-Kurses“ („racial awareness course“) auferlegte. Mit anderen Worten: Die englische Justiz hält es für angezeigt, verärgerte bis wütende weiße Briten, die am Rande von gewaltsamen Ausschreitungen vielleicht etwas herumkrakeelen, zu verhaften und danach in Diversity-Kurse zu stecken.

Die Frau kommt zu keinem weiteren Schluss, aber sie muss wohl etwas darüber gesagt haben, wie sehr „16 Jahre Einwanderung“ das Gebiet von Harehills „ruiniert hätten“. Zuvor hatte sie den Polizisten Tee und Süßigkeiten angeboten. Und dann kam sie an den falschen Polizeibeamten.

In den Kommentaren zu diesem Video findet man immer wieder die Überzeugung, dass die Zwei-Klassen**-Polizei und -Justiz im Königreich schon lange besteht, mit einem ersten Höhepunkt bei den wöchentlichen Aufmärschen radikaler Hamas-naher Muslime in London, die durch keine Hass-Gesetze und damit zusammenhängende Festnahmen aufgehalten wurden.

Nun gibt es noch mehr Fälle, in denen häufig schon etwas bejahrten Briten vorgeworfen wird, gegen die Anti-Hass-Gesetze ihres Landes verstoßen zu haben, indem sie gewisse Dinge online teilten. Wo das Nachdenken aufhört und der „Hass“ beginnt, das ist manchmal sicher schwer zu bestimmen, wie der Fall der Frau aus Leeds zeigt.

Aus einem weiteren Video könnte man schlussfolgern, dass die Frau verhaftet wurde, weil sie sich nicht mit dem Polizisten einigen konnte. Aber das würde die Sache verharmlosen. Eine ernsthafte Querulantin sähe sicher anders aus. Laut weiteren Berichten wurde ein Mann in Leeds verhaftet, weil er gesagt hatte: „Geht nach Hause, wir Briten haben genug davon gesehen.“

Im Gegensatz zu vielen Straftätern ohne Englischkenntnisse, die nicht einmal ihre Sozialstunden ableisten müssen. werden die Protestler gegen die Kindermorde von Southport mit mehr als zweijährigen Haftstrafen belegt. Kritiker weisen schon jetzt darauf hin, dass dies aufgrund der Belegung der britischen Gefängnisse zum Spießrutenlauf werden kann. Man denke an den Film „Flucht aus Alcatraz“.

Neuerdings kommen die quasi offiziellen Eingeständnisse leitender Polizeibeamter hinzu, die sich gleichsam unter den Schutz der muslimischen Gemeinschaften begeben haben und nur dank der Mitarbeit von deren Anführern noch so etwas wie die Fassade einer funktionierenden Polizeiarbeit aufrechterhalten können. Laut Kabinettsminister Nick Thomas-Symonds gibt es einen Unterschied zwischen „friedlichen Protesten“ und „Personen, die mit Waffen auf der Straße auftauchen“. Allerdings wurden nicht alle „Personen“, die in den letzten Tagen „mit Waffen auf der Straße“ auftauchten, mit der gleichen Härte des Gesetzes konfrontiert.

Interessant am Rande: Die offizielle Seite der Polizei war am Freitag vom Ausland her nicht erreichbar. Entwickelt sich das UK gerade zur Blackbox, was die Polizeiarbeit angeht? Sollen ausländische Journalisten vom Recherchieren abgehalten werden?

Gelegentlich lohnt es, sich an den Ursprung der gesamten Protestwelle zu erinnern. Der Ruf „Rettet unsere Kinder“ hat Väter und Mütter über viele hergebrachte Grenzen hinweg vereint, seien das nun die Konfessionen in Irland oder auch Rassenschranken im gesamten Land.  TE

 *Der Online-Safety-Act ist das britische Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das Maas unter Merkel schuf und sofort von Erdogan, Putin und Lukaschenko kopiert wurde.

**Zwei-Rassen-Justiz müsste es, wenn man sich des Jargons der Propagandisten des heutigen Zeitgeistes bedienen wollte, heißen.

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Paradox ist, dass in Europa Frankreich (die Revolte 2005 in den banlieu war eine klare Ansage und Zukunftsvision für ganz Europa) und Großbritannien die Vorreiter des Chaos sind und Deutschland sich trotzdem bemüht, die beiden in dieser Hinsicht zu überholen und noch zu übertreffen (damit am Ende die Schuld auch ganz bestimmt Deutschland gegeben wird, möchte man angesichts der masochistischen Neigung der Deutschen vermuten), und sogar die Polen eifern Deutschland auf diesem kranken Kurs seit den Wahlen Anfang des Jahres nach... 

Es ist die Hölle auf Erden. Und genau so sieht es auch aus, wenn Helene Fischer als Trittbrettfahrerin dieser Drift ein Konzert gibt, Regenbogenfahnen schwenkt und großmäulig Reden über Coming Out schwingt und expressis verbis den Eltern einer jungen Frau droht, die sich geoutet hat (kurz nachdem Taylor Swift in Wien verwehrt worden war, drei Konzerte zu geben, weil Muslime vorgehabt hatten, ein Massaker unter den Fans anzurichten). Was als Befreiungsbewegung auftritt, ist (wie bereits in den 70er Jahren) in Wahrheit eine neue Form der Versklavung, Unterdrückung, Abstempelung und Ächtung, auf der Herrschaft jetzt fußen soll, die den gesamten Westen erfasst hat und dessen Vergötterung des Sexualtriebs auch auf den falschesten Gleisen, auf denen er sich treibend Abwege bahnt, dem Rest der Welt als Vorbild dienen soll und auch tatsächlich dient. Auch gerade denen, die in den einstmals 2. und 3. Welt genannten Ländern dem Westen seine kulturanthropologische Vorherrschaft streitig machen wollen, denn die neue Form der Versklavung wird von einer neuen Form der Scheinheiligkeit begleitet, unabhängig davon, ob die Welt jetzt wirklich oligopolar wird oder ob gerade ein neuer Wettstreit darum begonnen hat, wer die Welt beherrscht.

Es ist die Hölle auf Erden, sagte ich. Man möchte fast sagen, dass wir gerade die Hölle auf Erden erleben, sei das Einzige, worüber sich noch alle einig sind. Nur sind die Teufel eben immer "die Anderen". Es werden ja eigentlich alle von hehren Motiven angetrieben (so niederträchtig die Instrumentalisierung und Verabsolutierung der eigenen Beweggründe in der Folge auch sein mag), und alle kämpfen "für die Verteidigung der Demokratie". Deswegen weiß ich nicht, ob ich mich wirklich an Leon Bloys Dictum "Wer nicht zu Gott betet, betet [unvermeidlich] den Teufel an" halten soll, oder ob die Bhagavad-Gita nicht die realistischere Beschreibung der Tragödie ist, in die wir geraten sind; weil sie beschreibt, wie Tugenden, welche jede für sich ihre Daseinsberechtigung besitzt, miteinander in einen unausweichlichen Konflikt geraten können und beide jeweils durch Übertreibung pervertiert und delegitimiert werden, weshalb ihre Daseinsberechtigung scheinbar ihre Gültigkeit einbüßt.

Unabhängig von diesem dräuenden Zweifel wird Peter Hahne jedoch recht behalten. Und gestern hat er nicht von ungefähr den Psalm 144 zitiert, der an Arjuna erinnert. Bhagavad-Gita hin, Bhagavad-Gita her, man muss das kulturmarxistische  Hübl an der Wurzel packen.


 

 

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