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Montag, 19. August 2024

Es ist Habeck egal, wer unter ihm Kanzler wird

Spaziergang mit dem Vizekanzler


Mitte Juli gab Annalena Baerbock, die Ministerin für feministische Außenpolitik, ihren Verzicht auf eine Kanzlerkandidatur 2025 bekannt, eine Kandidatur, die ihr niemand angetragen hatte. Ganz ihrer Rolle als Staatsfrau bewusst, verkündete Baerbock die auch für ihre Partei überraschende Entscheidung nicht in Berlin, Jena, Köln oder Hamburg, sondern in Washington, als Nachricht an die ganze Welt. Als Grund verwies Baerbock auf die Wichtigkeit ihrer Person angesichts der globalen Krisen, die den ganzen Einsatz ihrer Person verlangen:

„Daher bedeutet in diesen extremen Zeiten staatspolitische Verantwortung als Außenministerin für mich: statt in einer Kanzlerkandidatur gebunden zu sein, meine Kraft weiterhin voll und ganz meiner Aufgabe zu widmen, Vertrauen, Kooperation und verlässliche Strukturen zu bilden – für und mit so vielen Partnern weltweit und in Europa, die darauf bauen.“

Nach dieser aufsehenerregenden Verzichtserklärung hat sich nun Robert Habeck in einem Podcast des Nachrichtenportals „Politico“ am vergangenen Donnerstag erstmals selbst zu einer Kanzlerkandidatur für die Grünen geäußert: „Ich möchte mich gerne für Deutschland in die Verantwortung nehmen lassen“, so Habeck, „für meine Partei, für das Projekt, für die Demokratie, für die feste Überzeugung, ja, das Wissen würde ich sagen, dass nur die Gestaltung der Zukunft das Land zukunftsfähig macht.“ Neben dem klassischen Habeck-Sprachduktus, mit leicht vibrierender Stimme Belanglosigkeiten in die Welt zu blasen, fiel insbesondere ein Seitenhieb auf Baerbock auf, der an ihr Versagen als Kanzlerkandidatin erinnerte. Mit einer der üblichen Fußballmetaphern blickt der Wirtschafts- und Klimaminister auf die historische Chance für die Grünen bei der letzten Bundestagswahl zurück. „Das ist ja der Unterschied zu 2021, dass man sagt, da ist ein Feld bereitet, bitte lass mich den Elfmeter schießen, ich muss ihn nur reinbringen.“ Die Kanzlerschaft als Tor und Baerbock als Elfmeterschützin, die den Ball nicht versenkte.

Habeck wäre nicht Habeck, wenn er sich selbst heute nicht in einer viel schwierigeren Situation sähe, vor einer Aufgabe, der nur er gewachsen sein kann. „Selbst in den kühnsten Träumen hätte man sich nicht vorstellen können, dass es wirklich rapide runtergeht. Du wirst eingewechselt und es steht 4:0 gegen dich.“ Nur wurde Habeck nicht beim Stand von 4:0 eingewechselt. Er steht seit Beginn des Spiels auf dem Platz, hat, um im Fußballjargon zu bleiben, massiv Eigentore geschossen und durch Untätigkeit und falsche Entscheidungen ein ganzes Land buchstäblich in Rückstand gebracht. Bundestrainer Scholz hat das entweder nicht gemerkt oder schon wieder vergessen. Ob Habeck aber tatsächlich für die Grünen als Kapitän aufs Spielfeld laufen wird, macht er vom Rest der Mannschaft abhängig. Er sei prinzipiell bereit, die Positionen der Grünen „zu korrigieren“ und gemeinsam etwas „Neues“ zu schaffen.

Was Habeck damit sagen will: Annalena hat es 2021 verbockt, er hätte schon damals den Sieg sichergestellt, müsse aber nun unter ungleich schwierigeren Bedingungen das Ruder herumreißen. Wir erinnern uns daran, wie Baerbock im November 2020 in einem NDR-Interview ihren Konkurrenten Habeck vor laufenden Kameras und einer staunenden Öffentlichkeit gedemütigt hatte. In der ihr eigenen Arroganz und Selbstherrlichkeit sagte sie über ihren Gegner und Parteigenossen: „In manchen Dingen sind wir sehr anders. Vom Hause her kommt er – Hühner, Schweine, weiß ich nicht, was haste? Kühe melken.“ Und sie setzte hinzu: „Ich komme eher aus dem Völkerrecht. Da kommen wir aus ganz anderen Welten.“ Habeck sagte darauf gar nichts, aber man sah ihm, trotz seines angedeuteten Lächelns, die innere Wut an. Das Ergebnis des Konkurrenzkampfes kennen wir: Baerbock wurde Kanzlerkandidatin und stolperte nicht allein über eine Plagiatsaffäre. Für Habeck war immer klar, dass er der bessere Kandidat gewesen wäre. Nun kann er seinen Anspruch nach seiner Niederlage 2021 endlich anmelden. Allerdings in einer für die Grünen ziemlich unkomfortablen Situation: Die Partei steht bundesweit bei etwa 12 Prozent. Bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen droht ihr ein historisches Desaster. Das Reden über eine grüne Kanzlerschaft bestätigt also für viele nur wieder die Realitätsferne der grünen Ökobourgeoisie. Deshalb bleibt Habeck im Gespräch mit „Politico“ vorsichtig: Anstatt konkret zu werden, flüchtet sich Habeck, der in letzter Zeit besonders fahrig und müde wirkt, in die üblichen rhetorischen Volten, gipfelnd in: Die „Zukunft wird gebaut“. Die Zukunft scheint aber, wie seine Wärmepumpenbetteltour zeigte, aktuell nicht auf der Seite der Grünen zu stehen. So bleibt Habeck am Ende nur ein allgemeiner Appell an alle Demokraten (die AfD ist damit nicht gemeint): „Alle müssen sich klarmachen, auch jetzt meine Partei, was wir eigentlich wollen, wir müssen raustreten wollen davon, wir müssen dann einmal den Kopf hochmachen, den Horizont wieder sehen und sagen: ‚Da wollen wir hin‘ und sagen: ‚Das ist unser Angebot‘, und dann gehen wir los und dann gucken wir mal, wie viele mitkommen." Darüber werde die Partei „noch ein bisschen reden müssen. Und wenn wir wissen, wie wir es genau machen, dann melden wir uns". Man ist an dieser Stelle geneigt zu sagen, bitte, liebe Grüne, ihr müsst euch nicht wieder bei uns melden. Ihr werdet nicht wirklich vermisst. Alexander Meschnig

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