Mainzelmännchens Expressionismus

Diese Biederkeit, diese Verzagtheit beim Ansprechen gesellschaftlicher Probleme, ich könnte heulen. Das ist doch immer noch ZDF-Traumschiff-Niveau. Dabei hätten die echt genug Geld, um in die Vollen zu gehen. Zum Beispiel so:

Claudia liebt Josephine, eine schwarze Transfrau, die aus dem Kongo fliehen muss, nachdem sie die Machenschaften westlicher Multis im Blutdiamantengeschäft enthüllte. Aber es stellt sich heraus, das selbst die auf ihre vermeintliche Weltoffenheit stolze Claudia mit ihrem Denken in rassistischen Stereotypen verhaftet ist, und ihre Familie väterlicherseits im alten deutschen Kaiserreich einen lukrativen Kolonialwarenhandel betrieb, der direkt von der Zwangsarbeit von Josephinas Vorfahren profitierte. Kann es in dieser schwierigen Konstellation eine Liebe auf Augenhöhe geben?

Und dann sind da noch Hermann, der Drogendealer. Klaus, Ulrich und Fritz, die schwulen Nazis aus dem Erdgeschoss. Christian, der eklige Porschefahrer und Unternehmer, dem das Haus gehört und der für die FDP im Bundestag sitzt. Und Renate, die Chefin vom REWE, die überall im Laden AFD-Plakate aufhängen lässt, sich weigert, an People of Colour zu verkaufen und zum sogenannten „Breit-Day“ 88 Flaschen Blauer Würger aus der sächsischen Schnapsbrennerei Wurzelrudi aus Kloppe a.d. Elster an Peggy, Jaqueline, Kevin und all die anderen jungen rechtsaffinen Hartz4-Mütter verteilt, die täglich vor dem REWE herumlungern, um sie mit dieser Kümmerer-Masche ebenfalls in den blauen Sumpf hineinzuziehen, der in Wahrheit ein brauner ist. (Wolfram Ackner)

Ist Deutschland inzwischen das verlogenste Land des demokratischen Westens? Ich fürchte tatsächlich ja. Aber es ist eine Art Wettrennen. Mehr als Deutschlands Primat beunruhigt mich dabei, dass nicht etwa alle hinter Deutschland her rennen, sondern dass Deutschland eigentlich getrieben an der Spitze dieser Drift steht und willenlos in einem Mainstream nach vorne strebt. Wie bei einem Fischschwarm, bei dem die Ersten zuerst gefressen werden.