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Samstag, 10. August 2024

Gorgias würde sich auf die Schenkel hauen

Das ist jetzt die zweite Hybrisphase des Westens. Die erste hat McNamara in "The Fog of War" sehr aufrichtig beschrieben, und es war den USA gelungen, die selbstverschuldete Rufschädigung im Lauf der Zeit wiedergutzumachen. Dass der Irakkrieg nach 9/11 schon zu der zweiten Phase gehört, würde ich auch aus heutiger Sicht nicht unbedingt sagen, trotz der Betrügereien Blairs, Powells und Bushs, die damit verbunden waren. Die Strategie, auf diese Weise alle islamischen Extremisten dazu zu zwingen, in den Irak zu strömen, um sie dort zu vernichten, hatte etwas für sich. Aber erstens war die Durchführung entsetzlich stümperhaft (seit damals traue ich den USA nicht mehr zu, in militärischer Hinsicht noch irgendetwas richtig zu machen; das ist endgültig vorbei) und zweitens war ich entsetzt, als Wolfowitz bekannte, er hätte nicht gedacht, dass es zu derartigen Schwierigkeiten kommen könnte; denn das war nun wahrlich eine Selbstverständlichkeit. Was ich nicht für möglich gehalten hatte, war, dass die amerikanischen Politiker und Militärexperten dermaßen inkompetent sein könnten. Dass sie skrupellos sind, darüber hatte ich nie Zweifel. Dass von Deutschland nichts mehr übrig bleiben werde, falls es in Europa zu einem Krieg zwischen Amerika und Russland kommen sollte (schon Napoleon und Tocqueville hatten diese Zweiteilung der Welt vorhergesehen) , war für mich immer eine Selbstverständlichkeit. Wir sind das Glacis der USA. BRD und DDR waren vor 1989 schlicht und einfach die Kettenhunde zweier Großmächte. Die Welt hätte sich daran geweidet, wenn die Deutschen einander gegenseitig zerfleischt hätten. Und sie waren dumm genug, um dazu bereit zu sein, denn sie verkörperten das Gegenteil von ʿAsabīya. Ein Greuel für jeden echten Patrioten. Am Dümmsten sind immer die linken Grünlinge: damals als Pazifisten, heute als Bellizisten. Ich verweigerte damals den Wehrdienst! Aber ich verstand mich mit Offizieren immer besser als mit Wehrdienstverweigerern, denn letztere waren ausnahmslos von moralischem Dünkel motiviert, ohne die blasseste Ahnung vom Krieg zu haben.



Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt,
Ein Reiter vor Dschellalabad hält,
„Wer da!“ – „„Ein britischer Reitersmann,
Bringe Botschaft aus Afghanistan.““

Afghanistan! er sprach es so matt;
Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,
Sir Robert Sale, der Commandant,
Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.

Sie führen in’s steinerne Wachthaus ihn,
Sie setzen ihn nieder an den Kamin,
Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,
Er athmet hoch auf und dankt und spricht:

„Wir waren dreizehntausend Mann,
Von Cabul unser Zug begann,
Soldaten, Führer, Weib und Kind,
Erstarrt, erschlagen, verrathen sind.

„Zersprengt ist unser ganzes Heer,
Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,
Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,
Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt.“

Sir Robert stieg auf den Festungswall,
Offiziere, Soldaten folgten ihm all’,
Sir Robert sprach: „Der Schnee fällt dicht,
Die uns suchen, sie können uns finden nicht.

„Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,
So laßt sie’s hören, daß wir da,
Stimmt an ein Lied von Heimath und Haus,
Trompeter, blas’t in die Nacht hinaus!“

Da huben sie an und sie wurden’s nicht müd’,
Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,
Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,
Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.

Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
Laut, wie nur die Liebe rufen mag,
Sie bliesen – es kam die zweite Nacht,
Umsonst, daß ihr ruft, umsonst, daß ihr wacht.

Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann,
Einer kam heim aus Afghanistan.    (Theodor Fontane)


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