Fachausschüsse im Berliner Abgeordnetenhaus unternehmen jede
Legislaturperiode eine Reise. Bei der geplanten Fahrt des
Wirtschaftsausschusses nach Israel gibt es allerdings Probleme. Der
Grund: der Ausschußvorsitzende Frank-Christian Hansel (AfD). Andere
Mitglieder weigern sich, mit ihm nach Tel Aviv zu reisen. Unter anderem
wird dem als gemäßigt geltenden AfD-Politiker vorgeworfen, in Chemnitz
den Schulterschluß mit Rechtsextremen vollzogen zu haben. Im Interview
mit der JUNGEN FREIHEIT, weist er dies strikt zurück und stellt
klar: „Die AfD ist die Partei des politischen Realismus aus der Mitte
der Gesellschaft.“
Herr Hansel, eine geplante Reise des Wirtschaftsausschusses im
Berliner Abgeordnetenhaus nach Israel droht zu scheitern. Der Grund sind
offenbar Sie. Offen darüber reden will aber niemand so recht, warum
nicht?
Hansel: Es geht um mich in meiner Eigenschaft als
Ausschußvorsitzender und damit auch Delegationsleiter im Kontext der
AfD. Die anderen Parteien scheinen Vorbehalte zu haben, die sie aber
kaum begründen oder an mir festmachen können. Außer den Versuch, die AfD
diskreditieren zu wollen, sehe ich nicht, was dahinter steckt. In
meinem beruflichen Leben vor der AfD habe ich Wirtschaftsdelegationen
unter anderem im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und
des Bundeswirtschaftsministeriums beispielsweise nach Kuba und Mexiko
geleitet. Ich weiß sehr gut, was Außenwirtschaftsförderung bedeutet und
weiß, wie man sich auf diplomatischem Parkett bewegt. Da kann der ein
oder andere Provinzpolitiker, dem diese langjährige Berufspraxis im
Ausland fehlt, eher noch was lernen.
In der „Berliner Morgenpost“ wird Ihre Teilnahme am Trauermarsch
in Chemnitz als Hindernis geschildert. Sie liefen dort in einer Reihe
mit Thüringens AfD-Chef Björn Höcke und Pegida-Chef Lutz Bachmann mit.
Fällt Ihnen das nun auf die Füße?
Hansel: Das ist ein billiger Vorwand. Ich habe mich zu Chemnitz klar und öffentlich positioniert.
Das war offenbar nicht klar genug, wenn Ihre Kollegen anderer Parteien Sie deswegen kritisieren.
Legitimen Protest wie in Chemnitz können wir uns nicht entziehen, nur
weil er auch von Gruppen geteilt wird, zu denen die AfD aus Überzeugung
Distanz hält und weiter Distanz halten muss. Die AfD steht für ein
demokratisches Gemeinwesen auf der Basis unseres Grundgesetzes und lehnt
Extremismus und Gewalt in jeder Form ab. Versuche der Eskalation von
Links- oder Rechtsextremisten oder anderen Provokateuren, die
friedlichen Bürgerprotest unterminieren wollen, lehnen wir mit allem
Nachdruck ab und werten ihn als Instrument, die AfD zu diskreditieren.
Es ist eben nicht so, daß wir Ausschreitungen augenzwinkernd in Kauf
nehmen, wie das immer wieder unterstellt wird.
Als Mitglied des AfD-Bundeskonvents habe ich wesentlich mit dafür
gesorgt, daß der von den Landesverbänden Sachsen, Thüringen und
Brandenburg im Alleingang und gegen gültige Parteibeschlüsse geplante Banner für den Trauermarsch,
der einen Schulterschluß zwischen AfD und Pegida in Chemnitz öffentlich
zur Schau gestellt hätte, nicht ausgerollt werden durfte.
Das hieß konkret?
Hansel: Wir haben auf meinen Antrag hin bei nur zwei
Gegenstimmen von 50 politisch klargestellt, daß das Distanzgebot zu
Pegida erhalten bleibt und damit ein – von Teilen der Partei in den
genannten Landesverbänden provozierter – mutmaßlicher „Rechtsruck“
vereitelt wurde. Das hat insbesondere Lutz Bachmann dazu veranlaßt, mich
zusammen mit dem rheinland-pfälzischen Landes- und
Fraktionsvorsitzenden Uwe Junge zum Buhmann der „Bewegung“ auszurufen,
ein Zeichen, daß ich da offenbar alles richtig gemacht habe.
Sie werden zum gemäßigten Flügel der AfD gezählt. Macht Sie die Teilnahme an einer solchen Veranstaltung unglaubwürdig?
Hansel: Es ging uns darum, uns als Vertreter der
westlichen Landesverbände mit der AfD vor Ort, die den Trauermarsch
angemeldet hatte, solidarisch zu zeigen, nach dem Motto: Chemnitz ist
überall. Ohne die klare politische Beschlußlage des Bundeskonvents gegen
den Schulterschluß mit Pegida, den wir am Samstagvormittag in Dresden
in Sachen Trauermarsch Chemnitz mit übergroßer Mehrheit vereinbart
haben, wären allerdings weder Uwe Junge, der Bundestagsabgeordnete
Albrecht Glaser oder ich am Nachmittag nach Chemnitz gefahren. Wir
hatten klar gemacht: Wenn das geplante Banner nicht wegkommt, fahren wir
nicht mit!
Und die Veranstaltung selbst, problematisch?
Hansel: Der Trauermarsch selbst war dann auch bis
zum Ende tatsächlich eine ruhige und unproblematische Veranstaltung. Daß
da auch ein Lutz Bachmann mitlief, ließ sich nicht verhindern. Aber
seine Reaktion auf unser klares politisches Signal, daß wir mit ihm
nichts zu tun haben wollen, spricht ja eine klare Sprache! Problematisch
war und ist die Tatsache, daß es zwei Demonstrationen gab. Die erste am
Montag, mit den häßlichen Bildern, die nicht von der AfD organisiert
war, und die vom Samstag, der Trauermarsch. Sogar die „Tagesthemen“ mußten ja offiziell zugeben, daß sie zum AfD-Trauermarsch vom Samstag Bilder der Demo vom Montag gezeigt hat.
Das kriegt man dann nur schwer heraus aus den Köpfen! Um Ihre Frage
einfach zu beantworten: Wer sich für eine adäquate Bewertung meiner
Teilnahme in diesem Kontext ernsthaft interessiert, kann mir
Unglaubwürdigkeit nicht vorwerfen.
Ostdeutsche AfD-Landesverbände betonen immer wieder den
Unterschied zwischen Ost und West. Das Kooperationsverbot mit Pegida
wurde zuletzt aufgeweicht. Muß sich die AfD stärker von Organisationen
am rechten Rand distanzieren?
Hansel: Das Kooperationsverbot wurde nur für Dresden
gelockert, insoweit, daß AfD-Leute da auftreten können. Aber auch
nirgendwo sonst. Darüber war und bin ich nicht glücklich, eben weil das
mißverstanden werden konnte im Sinne einer Öffnung in diese Richtung.
Das konnten wir, was Chemnitz betrifft, allerdings stoppen, auch wenn
das medial bisher nicht wirklich durchgedrungen ist. Wer mich kennt,
weiß um mein normatives Mantra: Die AfD ist die Partei des politischen
Realismus aus der Mitte der Gesellschaft.
In einigen Tagen gründet sich der Zusammenschluß der Juden in der AfD.
Trotzdem gibt es immer wieder den Vorwurf, die AfD sei antisemitisch.
Ist er angesichts der Tatsache, daß Wolfgang Gedeon nach wie vor
Parteimitglied ist, nicht berechtigt?
Hansel: Als AfD haben wir am 70. Jahrestag der
Gründung Israels im Deutschen Bundestag ein klares und eindeutiges
Bekenntnis zu Israel abgegeben. Aus gegebenen Anlaß habe ich im Berliner
Abgeordnetenhaus klare Worte zu unserer Vergangenheit gesagt.
Das wäre?
Hitler hat, indem er mit dem Holocaust die jüdische Ethik der Liebe
zum Leben aus der Welt schaffen wollte, ein unerhörtes
Menschheitsverbrechen begangen und sich damit an der
Zivilisationsgeschichte und auch an Deutschland für alle Zeiten
versündigt. Wenn immer es not tut und erforderlich ist, bekräftige ich:
Das Judentum gehört zu Deutschland. Und ja, wir sind es, die sagen, wir
müssen in Deutschland aufpassen, daß nicht auch hier – wie in Frankreich
– Juden massenhaft das Land verlassen aus der begründeten Angst vor
judenfeindlichen Aktionen oder Terrorakten von moslemischer Seite. Die
unkontrollierte Grenzöffnung der Regierung Merkel hat jüdisches Leben in
Deutschland und in Berlin nicht sicherer gemacht. Das muß sich auch
eine CDU vorhalten lassen, möglicherweise auch vor Ort in Israel. Zu
Gedeon nur so viel: Der ist in der Partei Gott sei Dank völlig isoliert
und spielt keine Rolle.
Warum wollen Sie mit dem Wirtschaftsausschuß unbedingt nach Israel?
Der Reisezielwunsch kam aus der Koalition und fand von allen Seiten
begeisternde Zustimmung. Tel Aviv ist ein wirtschaftlicher Hotspot für
junge Technologieunternehmen und Start-Ups. Das paßt gerade jetzt in
dieser Zeit hervorragend zu Berlin. Auch die Chemie zwischen jungen
Israelis und Berlin als Trendstadt stimmt. Davon konnte ich mich privat
bereits vor zwei Jahren auch vor Ort überzeugen. Will sagen: ich war da
schon. Ich muß da nicht hin, weil es vom Steuergeld bezahlt wird. Für
Berlin wäre es eine gute Sache und es wäre schade, wenn es aus
fadenscheinigen Gründen nicht dazu käme.
Haben Sie ein alternatives Reiseziel?
Da fällt mir einiges ein, auch London, wegen des
Ansiedlungspotenzials von Unternehmen, die sich Brexit-bedingt neu auf
dem Kontinent aufstellen müssen. JF