Stationen

Dienstag, 2. Oktober 2018

Der gute Hansel

Fachausschüsse im Berliner Abgeordnetenhaus unternehmen jede Legislaturperiode eine Reise. Bei der geplanten Fahrt des Wirtschaftsausschusses nach Israel gibt es allerdings Probleme. Der Grund: der Ausschußvorsitzende Frank-Christian Hansel (AfD). Andere Mitglieder weigern sich, mit ihm nach Tel Aviv zu reisen. Unter anderem wird dem als gemäßigt geltenden AfD-Politiker vorgeworfen, in Chemnitz den Schulterschluß mit Rechtsextremen vollzogen zu haben. Im Interview mit der JUNGEN FREIHEIT, weist er dies strikt zurück und stellt klar: „Die AfD ist die Partei des politischen Realismus aus der Mitte der Gesellschaft.“
Herr Hansel, eine geplante Reise des Wirtschaftsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus nach Israel droht zu scheitern. Der Grund sind offenbar Sie. Offen darüber reden will aber niemand so recht, warum nicht?
Hansel: Es geht um mich in meiner Eigenschaft als Ausschußvorsitzender und damit auch Delegationsleiter im Kontext der AfD. Die anderen Parteien scheinen Vorbehalte zu haben, die sie aber kaum begründen oder an mir festmachen können. Außer den Versuch, die AfD diskreditieren zu wollen, sehe ich nicht, was dahinter steckt. In meinem beruflichen Leben vor der AfD habe ich Wirtschaftsdelegationen unter anderem im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und des Bundeswirtschaftsministeriums beispielsweise nach Kuba und Mexiko geleitet. Ich weiß sehr gut, was Außenwirtschaftsförderung bedeutet und weiß, wie man sich auf diplomatischem Parkett bewegt. Da kann der ein oder andere Provinzpolitiker, dem diese langjährige Berufspraxis im Ausland fehlt, eher noch was lernen.
In der „Berliner Morgenpost“ wird Ihre Teilnahme am Trauermarsch in Chemnitz als Hindernis geschildert. Sie liefen dort in einer Reihe mit Thüringens AfD-Chef Björn Höcke und Pegida-Chef Lutz Bachmann mit. Fällt Ihnen das nun auf die Füße?
Hansel: Das ist ein billiger Vorwand. Ich habe mich zu Chemnitz klar und öffentlich positioniert.
Das war offenbar nicht klar genug, wenn Ihre Kollegen anderer Parteien Sie deswegen kritisieren.
Legitimen Protest wie in Chemnitz können wir uns nicht entziehen, nur weil er auch von Gruppen geteilt wird, zu denen die AfD aus Überzeugung Distanz hält und weiter Distanz halten muss. Die AfD steht für ein demokratisches Gemeinwesen auf der Basis unseres Grundgesetzes und lehnt Extremismus und Gewalt in jeder Form ab. Versuche der Eskalation von Links- oder Rechtsextremisten oder anderen Provokateuren, die friedlichen Bürgerprotest unterminieren wollen, lehnen wir mit allem Nachdruck ab und werten ihn als Instrument, die AfD zu diskreditieren. Es ist eben nicht so, daß wir Ausschreitungen augenzwinkernd in Kauf nehmen, wie das immer wieder unterstellt wird.
Als Mitglied des AfD-Bundeskonvents habe ich wesentlich mit dafür gesorgt, daß der von den Landesverbänden Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Alleingang und gegen gültige Parteibeschlüsse geplante Banner für den Trauermarsch, der einen Schulterschluß zwischen AfD und Pegida in Chemnitz öffentlich zur Schau gestellt hätte, nicht ausgerollt werden durfte.
Das hieß konkret?
Hansel: Wir haben auf meinen Antrag hin bei nur zwei Gegenstimmen von 50 politisch klargestellt, daß das Distanzgebot zu Pegida erhalten bleibt und damit ein – von Teilen der Partei in den genannten Landesverbänden provozierter – mutmaßlicher „Rechtsruck“ vereitelt wurde. Das hat insbesondere Lutz Bachmann dazu veranlaßt, mich zusammen mit dem rheinland-pfälzischen Landes- und Fraktionsvorsitzenden Uwe Junge zum Buhmann der „Bewegung“ auszurufen, ein Zeichen, daß ich da offenbar alles richtig gemacht habe.
Sie werden zum gemäßigten Flügel der AfD gezählt. Macht Sie die Teilnahme an einer solchen Veranstaltung unglaubwürdig?
Hansel: Es ging uns darum, uns als Vertreter der westlichen Landesverbände mit der AfD vor Ort, die den Trauermarsch angemeldet hatte, solidarisch zu zeigen, nach dem Motto: Chemnitz ist überall. Ohne die klare politische Beschlußlage des Bundeskonvents gegen den Schulterschluß mit Pegida, den wir am Samstagvormittag in Dresden in Sachen Trauermarsch Chemnitz mit übergroßer Mehrheit vereinbart haben, wären allerdings weder Uwe Junge, der Bundestagsabgeordnete Albrecht Glaser oder ich am Nachmittag nach Chemnitz gefahren. Wir hatten klar gemacht: Wenn das geplante Banner nicht wegkommt, fahren wir nicht mit!
Und die Veranstaltung selbst, problematisch?
Hansel: Der Trauermarsch selbst war dann auch bis zum Ende tatsächlich eine ruhige und unproblematische Veranstaltung. Daß da auch ein Lutz Bachmann mitlief, ließ sich nicht verhindern. Aber seine Reaktion auf unser klares politisches Signal, daß wir mit ihm nichts zu tun haben wollen, spricht ja eine klare Sprache! Problematisch war und ist die Tatsache, daß es zwei Demonstrationen gab. Die erste am Montag, mit den häßlichen Bildern, die nicht von der AfD organisiert war, und die vom Samstag, der Trauermarsch. Sogar die „Tagesthemen“ mußten ja offiziell zugeben, daß sie zum AfD-Trauermarsch vom Samstag Bilder der Demo vom Montag gezeigt hat. Das kriegt man dann nur schwer heraus aus den Köpfen! Um Ihre Frage einfach zu beantworten: Wer sich für eine adäquate Bewertung meiner Teilnahme in diesem Kontext ernsthaft interessiert, kann mir Unglaubwürdigkeit nicht vorwerfen.
Ostdeutsche AfD-Landesverbände betonen immer wieder den Unterschied zwischen Ost und West. Das Kooperationsverbot mit Pegida wurde zuletzt aufgeweicht. Muß sich die AfD stärker von Organisationen am rechten Rand distanzieren?
Hansel: Das Kooperationsverbot wurde nur für Dresden gelockert, insoweit, daß AfD-Leute da auftreten können. Aber auch nirgendwo sonst. Darüber war und bin ich nicht glücklich, eben weil das mißverstanden werden konnte im Sinne einer Öffnung in diese Richtung. Das konnten wir, was Chemnitz betrifft, allerdings stoppen, auch wenn das medial bisher nicht wirklich durchgedrungen ist. Wer mich kennt, weiß um mein normatives Mantra: Die AfD ist die Partei des politischen Realismus aus der Mitte der Gesellschaft.
In einigen Tagen gründet sich der Zusammenschluß der Juden in der AfD. Trotzdem gibt es immer wieder den Vorwurf, die AfD sei antisemitisch. Ist er angesichts der Tatsache, daß Wolfgang Gedeon nach wie vor Parteimitglied ist, nicht berechtigt?
Hansel: Als AfD haben wir am 70. Jahrestag der Gründung Israels im Deutschen Bundestag ein klares und eindeutiges Bekenntnis zu Israel abgegeben. Aus gegebenen Anlaß habe ich im Berliner Abgeordnetenhaus klare Worte zu unserer Vergangenheit gesagt.
Das wäre?
Hitler hat, indem er mit dem Holocaust die jüdische Ethik der Liebe zum Leben aus der Welt schaffen wollte, ein unerhörtes Menschheitsverbrechen begangen und sich damit an der Zivilisationsgeschichte und auch an Deutschland für alle Zeiten versündigt. Wenn immer es not tut und erforderlich ist, bekräftige ich: Das Judentum gehört zu Deutschland. Und ja, wir sind es, die sagen, wir müssen in Deutschland aufpassen, daß nicht auch hier – wie in Frankreich – Juden massenhaft das Land verlassen aus der begründeten Angst vor judenfeindlichen Aktionen oder Terrorakten von moslemischer Seite. Die unkontrollierte Grenzöffnung der Regierung Merkel hat jüdisches Leben in Deutschland und in Berlin nicht sicherer gemacht. Das muß sich auch eine CDU vorhalten lassen, möglicherweise auch vor Ort in Israel. Zu Gedeon nur so viel: Der ist in der Partei Gott sei Dank völlig isoliert und spielt keine Rolle.
Warum wollen Sie mit dem Wirtschaftsausschuß unbedingt nach Israel?
Der Reisezielwunsch kam aus der Koalition und fand von allen Seiten begeisternde Zustimmung. Tel Aviv ist ein wirtschaftlicher Hotspot für junge Technologieunternehmen und Start-Ups. Das paßt gerade jetzt in dieser Zeit hervorragend zu Berlin. Auch die Chemie zwischen jungen Israelis und Berlin als Trendstadt stimmt. Davon konnte ich mich privat bereits vor zwei Jahren auch vor Ort überzeugen. Will sagen: ich war da schon. Ich muß da nicht hin, weil es vom Steuergeld bezahlt wird. Für Berlin wäre es eine gute Sache und es wäre schade, wenn es aus fadenscheinigen Gründen nicht dazu käme.
Haben Sie ein alternatives Reiseziel?
Da fällt mir einiges ein, auch London, wegen des Ansiedlungspotenzials von Unternehmen, die sich Brexit-bedingt neu auf dem Kontinent aufstellen müssen.   JF