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Montag, 9. Oktober 2023

So unterschiedlich kann zweierlei Maß sein

Der Sturm der Entrüstung traf CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt völlig unerwartet. Was er denn zum Steinwurf auf die Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze am zurückliegenden Wochenende sage, wurde der Christsoziale in einem Berliner Presse-Hintergrundgespräch gefragt. «Welcher Steinwurf?», fragte er zurück und zog die geballte Empörung der Berichterstatter auf sich, weil es schließlich nicht sein könne, dass ein CSU-Politiker den Zwischenfall beim Auftritt Schulzes in Neu-Ulm nicht zur Kenntnis genommen habe.

Und dass die Union dazu nichts sage, sei bezeichnend und ein Skandal. Das Ganze gipfelte schließlich in der Frage, ob die Union durch ihre «Hetze gegen die Grünen» nicht mitschuldig sei am Steinwurf von Neu-Ulm (der im Übrigen von einem alkoholisierten Zuschauer kam und auf der Bühne vor der Politikerin landete).

So unterschiedlich kann die mediale Ausleuchtung der politischen Szenerie sein: Dass AfD-Chefin Alice Weidel am Tag der Deutschen Einheit ihren Auftritt bei der Kundgebung ihrer Partei im bayerischen Mödlareuth wegen einer massiven Bedrohungslage mit konkreten Anschlagsplänen absagen musste, schaffte es (außer bei der Jungen Freiheit) durchweg nicht in die Schlagzeilen der großen Medien. Die meisten registrierten den Vorfall allenfalls durch automatisierte Vermeldung des Agenturtextes auf den Online-Seiten.

Verwunderlich ist das allerdings nicht. Es ist nicht nur Weidel, die seit langem Personenschutz in Anspruch nehmen muss, es sind auch viele andere AfD-Politiker, deren Autos plötzlich brennen, bei denen Familienmitglieder bedroht oder die Kinder in der Schule beschimpft werden. Vorgänge, die in der Regel weder zur Kenntnis genommen, noch mit der angemessenen Empörung kommentiert werden. Ganz zu schweigen davon, dass auch niemand auf die Idee käme, den politischen Mitbewerbern der AfD eine Mitschuld an den Übergriffen zu geben.

Es gehört zu den unguten Entwicklungen im öffentlichen Diskurs in Deutschland, dass beim Einfordern von Rechtstreue und Rechtsstaatlichkeit mit unterschiedlichem Maß gemessen wird, wenn es gegen die AfD geht. Motto: Ist eigentlich falsch, trifft aber die Richtigen. Tonlage und Lautstärke der Empörung fallen deutlich weniger kraftvoll aus, wenn etwa Ex-AfD-Chef Alexander Gauland wegen politischer Missliebigkeit eines Lokals verwiesen wird oder AfD-Politikern das Bankkonto gekündigt wird. Niemand erhebt in solchen Fällen Anklage gemäß Antidiskriminierungsgesetz.

Die im linken Lager verbreitete Strategie des «Keine-Bühne-Bietens» und die mehr und mehr auch in den Medien Einzug haltende Sprachregelung, wonach alle anderen Parteien außer der AfD «demokratische Parteien» sind, unterstreichen die Paria-Stellung der Partei in der öffentlichen Wahrnehmung, die ausweislich der aktuellen Umfragewerte allerdings beim Wahlvolk offenbar gar nicht verfängt.

Dass viele der Akteure bei jeder Gelegenheit Vielfalt, Buntheit, Überwindung der Spaltung und das «Mitnehmen der Menschen im Lande» beschwören, macht die Sache nicht besser. Nur skurriler.   Ralf Schuler

Gewalt gegen Politiker geht gar nicht – aber eben auch nicht gegen AfD-Politiker! 

 

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