Donnerstag, 7. April 2016
Besser kann man es gar nicht sagen
Ich bin ein „besorgter Bürger“. Vermasseln Sie beim Vorlesen an dieser Stelle auf keinen Fall die richtige Intonation. Nicht, dass ein unbedarfter Zuhörer uns „besorgte Bürger“ versehentlich mit Menschen verwechselt, die eine nachvollziehbare Sorge umtreibt. Wir leben schließlich in hysterischen Zeiten. Einmal vergessen, an der richtigen Stelle die Stirn zu runzeln und verächtlichen Spott in die Stimme zu legen und schon haben Sie wegen ‚Verharmlosung des Faschismus‘ die Grüne Jugend im Nacken.
Ich bin - beziehungsweise ich war - AfD-Mitglied der ersten Stunde. Am selben Tag, als der Gründungsaufruf der AfD im Internet veröffentlicht wurde, stellte ich einen Antrag auf Mitgliedschaft. Die Themen, die mich damals umtrieben, waren der Euro und Europa. Ich möchte Ihnen keinen Bären aufbinden, indem ich so tue, als verstünde ich tatsächlich etwas von der Materie. Ich gehöre - wie die meisten „besorgten Bürger“ - zu den unspektakulären Leuten mit unspektakulären Jobs. Allerdings, wenn ich als ökonomischer Laie all das dröhnende Pathos um „das große europäische Einigungswerk‘ weglasse und die Argumente der Fachleute gegeneinander abwäge, dann überzeugen mich die Lucke, Henkel, Starbatty – und eben nicht Merkel, Gabriel, Lindner, Hofreiter, Lafontaine.
Und da 2013 in meinen Augen die finanzielle Zukunft Deutschlands und das friedliche Miteinander in Europa auf dem Spiel standen, trat ich in die AfD ein. Meine Hoffnung auf eine Art Friedrich Merz-CDU zerschlug sich allerdings ziemlich schnell. Die plakatierten Slogans waren plump, der Facebook-Auftritt zum fremdschämen, viele öffentliche Wortmeldungen – nun ja, nennen wir es ‚suboptimal‘. Ich blieb trotzdem dabei, allerdings machten es mir all diese Dinge unmöglich, an der Parteiarbeit teilzunehmen. Ich zahlte meinen Beitrag, hielt mich raus und hoffte darauf, dass es sich um Kinderkrankheiten handelte. Mit den Versuchen Björn Höckes einerseits, ideologische Pflöcke einzuschlagen, und den hektischen Eindämmungsversuchen des Lucke-Flügels andererseits wurde es allerdings schlimmer statt besser. Ich trat kurz vor dem offiziellen Bruch aus der Partei aus und hakte für mich das Thema AfD ab. Prädikat: unwählbar.
Tja, und dann war er plötzlich wieder da, in all seiner funkelnden Boshaftigkeit, und änderte alles - der gute alte verlogene DDR-Antifaschismus. Auf allen Kanälen, in allen Blättern flutete mir, dem wieder parteilosen Bürger, tendenziöse bis regelrecht bösartig-diffamierende AfD-Berichterstattung entgegen. Attacken auf Privatwohnungen, Brandanschläge auf Autos, Veröffentlichung von Privatadressen (darunter meine), anonyme Denunziationen bei Arbeitgebern. Es wurden Firmen unter Druck gesetzt, Geschäftsbeziehungen zu beenden. Wirte wurden bedroht, Panorama nötigte Unternehmen, ihre Werbung beim Online-Ableger der „Junge Freiheit“ einzustellen.
Um in Dresden Pegida von der Straße zu kriegen, wurden mit Steuermitteln Gegendemonstranten herangekarrt, wurde Schülern und Studenten zu verstehen gegeben, dass ihre Gegendemo-Teilnahme erwartet wird. In meiner Heimatstadt Leipzig sabotierte die Antifa Einrichtungen der Deutschen Bahn, attackierte mehrmals massiv die Polizei, verwüstete Straßenzüge, prügelte unter anderem zu sechst einen alten Mann mit einem Verdacht auf Schädelbruch ins Krankenhaus, (dessen einziges nachweisbares Vergehen darin bestand, dass er sich am Demo-Montag mit einem Dresdner Nummerschild verdächtig machte).
Ich habe mich immer als überzeugten Demokraten empfunden, aber wenn es sich tatsächlich so verhalten sollte, dass unsere alte, entspannte, liberale bundesrepublikanische Demokratie, die sich darauf beschränkte, einen Ordnungsrahmen zu setzen und sich ansonsten zurückhielt, wo der Nationalkonservative genauso seine friedliche Nische fand wie der schillernde Paradiesvogel, mir als Option nicht mehr zur Verfügung steht und man mir nur noch die Wahl lässt zwischen dem Narrenschiff Utopia, dass seine Insassen Tag für Tag zu neuen Gestaden der Fortschrittlichkeit prügelt, dabei Abweichler gnadenlos kielholend; und einem poltrigen, ungehobelten, stilistisch und rhetorisch uncharmanten nationalkonservativen Politikansatz á la AfD, dann bleibt mir keine andere Wahl, als mich für Notwehr und AfD zu entscheiden.
Und das sagt sehr wenig über die Substanz der AfD aus, und sehr viel über die anderer Parteien. Denn ich bin nicht im Herbst 89 auf die Strasse gegangen, um mir heute wieder von der Obrigkeit und ihren Sprachrohren verkünden zu lassen, was ich zu denken und zu fühlen habe, damit heute schon wieder alleine die linkesten der Linken entscheiden, welche Meinungen legitim sind und welche nicht, wer sein Recht zu demonstrieren wahrnehmen darf und wer nicht. Und wenn ihr tatsächlich wünscht, dass ich mir mein AfD-Kreuz nochmals überlege, dann kommt mit echten Argumenten und echten Angeboten, anstatt mit AfD-Wahlkampfhilfe à la Augstein/Stegner/Reschke. Auch wenn es euch offensichtlich schwerfällt, diesen Gedanken zuzulassen - aber die meisten „besorgten Bürger“ sind tatsächlich einfach nur das: Besorgte Bürger.
Und noch etwas: Wie schon erwähnt gehöre ich zu den Leuten, die schwitzend, ölverschmiert und dreckig im Maschinenraum des Deutschland-Dampfers schuften, um den Kahn am laufen zu halten. Ich habe fast meine gesamtes Berufsleben für Chefs mit türkischen oder jugoslawischen Wurzeln gearbeitet. Auf vielen Baustellen ist ein Ausländeranteil von 30 bis 50 Prozent normal, ohne dass das irgendein Problem für „uns“ wäre.
Das letzte allerdings, was wir brauchen, sind besorgte zwanzigjährige Linksintellektuelle, die uns schreibend mitteilen,„dass es auch Ausländer gibt, die hier Arbeitsplätze schaffen und das es ohne Zuwanderung nicht geht“. Denn im Gegensatz zu euch wissen wir das nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch.
Es ist nur eben nicht der springende Punkt. Der springende Punkt ist, dass wir schon jetzt ächzen, weil es sich schon viel zu viele Leute auf dem Sonnendeck der „MS Deutschland“ bequem machen, statt uns unten im Maschinenraum auszuhelfen. Und dieser Trend wird sich durch millionenfache geringqualifizierte Zuwanderung noch dramatisch verschärfen.
Wolfram Ackner (46) ist von Beruf Schweißer im Anlagen- und Behälterbau. Er lebt in Leipzig und schreibt neben seinem bürgerlichen Beruf Kurzgeschichten und andere Texte
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