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Mittwoch, 13. April 2016

Gegen wen "im Innern" will Merkel auf einmal Soldaten?

„Nachtigall, ick hör dir trapsen“, sagen die Berliner, wenn sie die Schönredner durchschaut haben und bereits ahnen, welche Absicht die Tirilierenden am Ende verfolgen könnten. Allein dieses gesunde Misstrauen kann vor bösen Überraschungen bewahren, nirgends mehr als in der Politik. Gerade eben ist bekannt geworden, dass die Regierung eine Änderung des Grundgesetztes plant, die den „Einsatz der Bundeswehr im Inneren“ erlauben soll.
Bisher galt das, eingedenk der Erfahrungen der nationalsozialistischen Totalitarismus, als ein „Tabu“ erster Ordnung. Nur in Ausnahmefällen, im Katastrophenzustand, durfte die Bundeswehr zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung herangezogen werden. Für die ständige Garantie der inneren Sicherheit aber sorgen einzig die polizeilichen Kräfte bis hin zur GSG 9. So wurde es von den Verfassern des Grundgesetzes, allesamt geprägt von den Erfahrungen der militärisch gestützten Hitler-Diktatur, ausdrücklich verfügt.

Nun freilich heißt es seitens der Bundesregierung, insbesondere aus den Reihen der Bundeskanzlerin, hätten sich die Zeiten geändert. Wörtlich steht im Entwurf eines „Weißbuches“ zu lesen: „Charakter und  Dynamik gegenwärtiger und zukünftiger sicherheitspolitischer Bedrohungen machen hier Weiterentwicklungen erforderlich, um einen wirkungsvollen Beitrag der Bundeswehr an der Grenze von innerer und äußerer Sicherheit auf einer klaren Grundlage zu ermöglichen.“

Mit anderen Worten, die Bundesregierung soll ermächtigt werden, die Bundeswehr auch im Inneren einzusetzen, wann immer sie das für geboten hält: bei Naturkatastrophen und anderen großen Unglücksfällen, bei terroristischen Anschlägen und nicht zuletzt dann, wenn die freiheitlich demokratische Grundordnung bedroht sein könnte. Das alles mag von Fall zu Fall durchaus geboten sein, weshalb es in Ausnahmefällen auch jetzt schon möglich wäre.

Dass das der Regierung zu wenig zu sein scheint, dass sie den Einsatz der Armee im Inneren sozusagen zur Selbstverständlichkeit machen möchte, dass sie nach einer Verfügungsgewalt über das Heer strebt, wie man sie sonst nur aus Diktaturen kennt, gibt Anlass zu ernster Sorge. Es wirft Fragen auf - Fragen über Fragen. Denn wer entscheidet schließlich, wann und von wem die freiheitlich demokratische Grundordnung derart bedroht sein könnte, dass man die Armee aufmarschieren lassen muss? Das politische Establishment, die absterbenden Volksparteien, die von Umfrage zu Umfrage näher an den Abgrund rücken? Die SPD, die bundesweit keine zwanzig Prozent mehr auf die Waage bringt, CDU/CSU, die bald unter die Marke von dreißig Prozent zu fallen drohen? Durch wen sehen die solchermaßen Bedrohten Freiheit und Demokratie bedroht? Von der AfD, die an Stimmen gewinnt? Oder von den Demonstranten, die auf die Straße gehen, weil sie die vormundschaftlichen Demokratievorstellungen der ermächtigten Parteifunktionäre nicht teilen?

Rechtfertigte dieses bürgerschaftlichen Aufsässigkeit schon die Ausrufung eines Notstands? Handelt es sich dabei bereits um eine Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung, wie sie sich jene vorstellen, für die sich Demokratie im Kuhhandel der Parteien um die Ausübung der Macht erschöpft?
Wozu werden sie fähig sein, wenn ihnen die Felle weiter wegschwimmen, existentiell bedrohlich, sie aber gleichwohl noch an den Schalthebeln der Macht sitzen?

Was werden sie unternehmen, um sich da zu halten? Immerhin fehlt es im Regierungslager nicht an Stimmen, die das aufmüpfige Volk für ein „Pack“ halten, das man „einsperren“ sollte. Mit einer Armee, die auch im Inneren, also gegen das eigene Volk aufmarschieren kann, wäre das jedenfalls sehr viel leichter zu bewerkstelligen als mit einem juristisch kontrollierten Polizeiapparat. Denn, so der Schluss eines Spottgedichts aus dem Jahr 1848:  „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“.

Nein, wir wollen hier nicht den Teufel an die Wand malen, können aber auch nicht übersehen, dass die Merkel-geführte Bundesregierung die Verunsicherung der Bevölkerung infolge der mutwillig heraufbeschworenen Flüchtlingskrise nutzen möchte, um einen Tabu-Bruch zu begehen, der dem Missbrauch des Militärs zu machtpolitischen Zwecken Vorschub leisten würde. Käme es zu einer Änderung des Grundgesetztes, die den Einsatz der Armee in Inneren generell erlaubte, wäre Deutschland einen weiteren, verhängnisvollen Schritt vorangekommen beim Aufbau einer totalitären Staatsgewalt, einer Ordnung nach dem Vorbild jener, in der Angela Merkel ihre politische Sozialisation erlebte.
An Zeichen für die Gefahr fehlt es nicht. Die Nachtigallen trapsen laut und vernehmlich genug.   Thomas Rietzschel am 12. 4. 2016

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