„Nachtigall, ick hör dir trapsen“, sagen die Berliner, wenn sie die
Schönredner durchschaut haben und bereits ahnen, welche Absicht die
Tirilierenden am Ende verfolgen könnten. Allein dieses gesunde
Misstrauen kann vor bösen Überraschungen bewahren, nirgends mehr als in
der Politik. Gerade eben ist bekannt geworden, dass die Regierung eine
Änderung des Grundgesetztes plant, die den „Einsatz der Bundeswehr im
Inneren“ erlauben soll.
Bisher galt das, eingedenk der Erfahrungen der
nationalsozialistischen Totalitarismus, als ein „Tabu“ erster Ordnung.
Nur in Ausnahmefällen, im Katastrophenzustand, durfte die Bundeswehr zur
Aufrechterhaltung der inneren Ordnung herangezogen werden. Für die
ständige Garantie der inneren Sicherheit aber sorgen einzig die
polizeilichen Kräfte bis hin zur GSG 9. So wurde es von den Verfassern
des Grundgesetzes, allesamt geprägt von den Erfahrungen der militärisch
gestützten Hitler-Diktatur, ausdrücklich verfügt.
Nun freilich heißt es seitens der Bundesregierung, insbesondere aus
den Reihen der Bundeskanzlerin, hätten sich die Zeiten geändert.
Wörtlich steht im Entwurf eines „Weißbuches“ zu lesen: „Charakter und
Dynamik gegenwärtiger und zukünftiger sicherheitspolitischer Bedrohungen
machen hier Weiterentwicklungen erforderlich, um einen wirkungsvollen
Beitrag der Bundeswehr an der Grenze von innerer und äußerer Sicherheit
auf einer klaren Grundlage zu ermöglichen.“
Mit anderen Worten, die Bundesregierung soll ermächtigt werden, die
Bundeswehr auch im Inneren einzusetzen, wann immer sie das für geboten
hält: bei Naturkatastrophen und anderen großen Unglücksfällen, bei
terroristischen Anschlägen und nicht zuletzt dann, wenn die freiheitlich
demokratische Grundordnung bedroht sein könnte. Das alles mag von Fall
zu Fall durchaus geboten sein, weshalb es in Ausnahmefällen auch jetzt
schon möglich wäre.
Dass das der Regierung zu wenig zu sein scheint, dass sie den Einsatz
der Armee im Inneren sozusagen zur Selbstverständlichkeit machen
möchte, dass sie nach einer Verfügungsgewalt über das Heer strebt, wie
man sie sonst nur aus Diktaturen kennt, gibt Anlass zu ernster Sorge. Es
wirft Fragen auf - Fragen über Fragen. Denn wer entscheidet
schließlich, wann und von wem die freiheitlich demokratische
Grundordnung derart bedroht sein könnte, dass man die Armee
aufmarschieren lassen muss? Das politische Establishment, die
absterbenden Volksparteien, die von Umfrage zu Umfrage näher an den
Abgrund rücken? Die SPD, die bundesweit keine zwanzig Prozent mehr auf
die Waage bringt, CDU/CSU, die bald unter die Marke von dreißig Prozent
zu fallen drohen? Durch wen sehen die solchermaßen Bedrohten Freiheit
und Demokratie bedroht? Von der AfD, die an Stimmen gewinnt? Oder von
den Demonstranten, die auf die Straße gehen, weil sie die
vormundschaftlichen Demokratievorstellungen der ermächtigten
Parteifunktionäre nicht teilen?
Rechtfertigte dieses bürgerschaftlichen Aufsässigkeit schon die
Ausrufung eines Notstands? Handelt es sich dabei bereits um eine
Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung, wie sie sich
jene vorstellen, für die sich Demokratie im Kuhhandel der Parteien um
die Ausübung der Macht erschöpft?
Wozu werden sie fähig sein, wenn ihnen die Felle weiter wegschwimmen,
existentiell bedrohlich, sie aber gleichwohl noch an den Schalthebeln
der Macht sitzen?
Was werden sie unternehmen, um sich da zu halten?
Immerhin fehlt es im Regierungslager nicht an Stimmen, die das
aufmüpfige Volk für ein „Pack“ halten, das man „einsperren“ sollte. Mit
einer Armee, die auch im Inneren, also gegen das eigene Volk
aufmarschieren kann, wäre das jedenfalls sehr viel leichter zu
bewerkstelligen als mit einem juristisch kontrollierten Polizeiapparat.
Denn, so der Schluss eines Spottgedichts aus dem Jahr 1848: „Gegen
Demokraten helfen nur Soldaten“.
Nein, wir wollen hier nicht den Teufel an die Wand malen, können aber
auch nicht übersehen, dass die Merkel-geführte Bundesregierung die
Verunsicherung der Bevölkerung infolge der mutwillig heraufbeschworenen
Flüchtlingskrise nutzen möchte, um einen Tabu-Bruch zu begehen, der dem
Missbrauch des Militärs zu machtpolitischen Zwecken Vorschub leisten
würde. Käme es zu einer Änderung des Grundgesetztes, die den Einsatz der
Armee in Inneren generell erlaubte, wäre Deutschland einen weiteren,
verhängnisvollen Schritt vorangekommen beim Aufbau einer totalitären
Staatsgewalt, einer Ordnung nach dem Vorbild jener, in der Angela Merkel
ihre politische Sozialisation erlebte.
An Zeichen für die Gefahr fehlt es nicht. Die Nachtigallen trapsen laut und vernehmlich genug. Thomas Rietzschel am 12. 4. 2016
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