Haben Sie die Meldung gelesen? In Norddeutschland, wo seit langem
Konzerne umstrittene Pläne für Energieförderung durchzupeitschen
versuchen („Fracking“) wurde am 10. Februar ein in seinem Horst
erschossener Seeadler gefunden. Der Seeadler zählt zu den bedrohten
Tierarten, die in Deutschland und Europa streng geschützt sind. Es war
bereits der fünfte Fall in der Region, „bei dem Seeadler vorsätzlich
durch Gift oder Schusswaffen ums Leben gekommen sind“, wie der NDR
berichtete. Lange gab es keine Hinweise auf Täter. Doch das änderte sich
nach dem letzten Fall, der hohe Wellen schlug.
Nachdem eine Belohnung von weit über 10.000 Euro für Hinweise auf den
Schützen ausgelobt worden war (der Löwenanteil davon kam
dankenswerterweise vom „Nabu“), konnte die Staatsanwaltschaft Stade im
März einen Tatverdächtigen präsentieren. Es handele sich, wie
Oberstaatsanwalt Kai Thomas B. bekannt gab, um einen 65jährigen
Jagdscheininhaber aus der Gemeinde Balje-Hörne. Er sei Ende Januar von
Zeugen beobachtet worden, als er „in der Nähe des Adlerhorstes in den
Wald“ ging, so das „Hamburger Abendblatt“.
Kurze Zeit später hätten die
Zeugen einen Schuss vernommen.
Das Motiv des Tatverdächtigen, so der Staatsanwalt, sei
möglicherweise finanzieller Art. Einem nahen Verwandten des
Beschuldigten, welcher sich inzwischen von einer Anwältin vertreten
lässt und bislang zu den Vorwürfen schweigt, gehöre Grundbesitz in der
Nähe des Adlerhorstes. Der potenzielle Wert dieses Grundstücks, sagen
Anwohner, hätte durch die unbotmäßige Anwesenheit von Seeadlern sinken
können, da die Gegend für Energiekonzerne hoch attraktiv ist.
Langfristige Planungen für die Aufstellung von hohen Türmen zur
Energieförderung hätten durch die Existenz der seltenen, besonders
geschützten Seeadler in diesem Gebiet durchkreuzt werden können. Denn
solche Anlagen müssen erhebliche Abstände zu den Brutplätzen von
Seeadlern aufweisen.
Der mutmaßlich aus Profitgier erfolgte Kill an einem Seeadler hat
bundesweit für Entrüstung gesorgt. Medien wie „Spiegel“, „Stern“ und
„Zeit“ berichteten darüber in großer Aufmachung. Zumal
Umweltschutzorganisationen wie der „Bund“ Mahnwachen vor den
Geschäftszentralen der Energieunternehmen organisierten und
„Greenpeace“-Aktivisten auf dem Dach von „Exxon Mobile“ eine riesige
Banderole mit der Aufschrift „Fracking tötet - auch den Seeadler!"
angebracht hatten (die „Tagesschau“ berichtete). Der beschuldigte Jäger,
dessen Name sich über soziale Netzwerke blitzartig verbreitete, steht
inzwischen unter Polizeischutz, weil ihn radikale Tierschützer bedrohen
(„Wir wissen, wo du wohnst...“).
Wie? Sie, lieber Leser, haben von all dem gar nichts mitgekriegt?
Entschuldigung. Ich habe da wohl was vertüdelt. Der Fall, den ich
geschildert habe, stimmt zwar. Aber nur im Prinzip. Also, der Seeadler
wurde erschossen, der Nabu hat vorbildlich reagiert, der Stader
Oberstaatsanwalt ebenfalls.
Den Rest habe ich jetzt mal erfunden. Denn die Chose hat - außer an
der Nordseeküste - natürlich nur kleine Wellen geschlagen. Und auch die
sind längst verebbt.
Den großen Medien, im Bedarfsfall mit jedem
Juchtenkäfer solidarisch („Stuttgart 21“) ging das Ganze am Arsch
vorbei. Unnötig nachzutragen: Es gab im Fall des erschossenen Seeadlers
mitnichten Greenpeace-Aktionen, auch keine Bund-Mahnwachen. Und radikale
Tierschützer haben bekanntlich andere Aktionsfelder. Zum Beispiel bei
der Firma Wiesenhof.
Ahnen Sie, warum? Bingo!
Bei den Energiekonzernen, die jeden Landwirt auf der Einkaufsliste
führen, dessen Grundstücke für ihre Fördertürme attraktiv sind, handelt
es sich in unserem Fall selbstredend nicht um die Fracking-Lobby.
Sondern um Windpark-Kapitalisten, die im Zuge des „Repowering“ die
Kulturlandschaften mit immer mächtigeren Beton- und Stahlmonstern
zustellen.
Derzeit sind Höhen von über 200 Meter am profitabelsten. Aber
da ist noch viel Luft nach oben.
Außer, es flattern irgendwelche blöden Seeadler in der Gegend rum.
Knallt man die Viecher nicht rechtzeitig ab, vermehren sie sich auch
noch. Das kann juristischen Stress vor den Verwaltungsgerichten
bedeuten. „Es war einmal ein Adler, der hatte viele Tadler“ (B. Brecht,
„Kinderverse“). Ein exemplarisch anmutender Fall wie der in Balje – wann
hat man schon mal eine derartige Steilvorlage vom Staatsanwalt - wäre
natürlich unschwer aufzudröseln.
Er wäre für Profis, zum Beispiel öffentlich-rechtlich alimentierte
Funk- und Fernsehjournalisten mit viel Zeit und einem hübschen
Spesenkonto, wunderbares Recherchenfutter. Würde allerdings tief in die
hässlichen Eingeweide jener Deals führen, welche beim
ökologisch-industriellen Komplex seit Jahrzehnten laufen. Schmutzige
Deals, die Dörfer spalten und Gemeinschaften vergiften. Wo hernach ein
paar Gewinner leben und ganz viele Verlierer.
Ein Tipp vom Landbewohner, liebe Kollegen: Norddeutsche Dörfer sind
beileibe nicht von Mauern des Schweigens umgeben. Diese gibt es nur in
doofen NDR-Fernsehkrimis mit Maria Furtwängler. Werden irgendwo ein paar
Hühner misshandelt, schickt dann der NDR nicht ein Reporterteam an den
Ort des Grauens und wird sogleich fündig?
Auch im Baljer Fall gilt natürlich die Unschuldsvermutung. Vielleicht
hat sich einfach nur ein Schuss gelöst, als der hobbyjagende Bauer
zufällig um den Horst des Seeadlers strich, um eine Prise Nordseeluft zu
schnuppern? Und die Seeadlerfamilie, die vor knapp einem Jahr in
Dithmarschen, dem Zentrum des nordischen Windradwahns, rätselhaft
verstarb (sie hatte sich an einem mit Gift präpariertem Ferkelbein
gelabt), hätte die nicht verdammt noch mal besser aufpassen können?
Sicher ist nur dies: mit dem investigativen Eifer der Vierten Gewalt
ist es Sense, sobald die Schurken nicht ins erneuerbare Weltbild passen.
Wie schön ist da doch Panama! Wolfgang Röhl am 12. 4. 2016
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