Ein erstaunlicher Anblick:
Luxuslimousinen vor Flüchtlingsheimen. Wem die wohl gehören? Den
Flüchtlingen sicher nicht. Not und Armut, die Sorge um Verwandte und
Freunde im syrischen Krieg stehen in den Gesichtern geschrieben, die aus
den Fenstern schauen. Diese Menschen haben alles verloren. Sie fragen
sich, wie es weitergeht. Genau deshalb parken die teuren Schlitten vor
dem Heim. Berlins berüchtigte arabische Großfamilien haben die
Flüchtlinge entdeckt.
Polizisten
beobachten nach Informationen der "Welt am Sonntag" seit geraumer Zeit,
dass diese multikriminellen Clans gezielt in Unterkünften Nachwuchs zu
rekrutieren versuchen. "Während ganz Deutschland über die Flüchtlingskrise
diskutiert, nutzen diese Verbrecherbanden die Situation der Menschen
aus", erzählt ein Ermittler. "Vor allem junge und körperlich starke
Männer sind im Visier der Clans. Diese werden dann für die Drecksarbeit
eingesetzt." Also Einbrüche, Handel mit Drogen, Knochenbrüche bei
Konkurrenten. Das hat sich in der Unterweltszene herumgesprochen. Auch
der Polizei und der Staatsanwaltschaft ist dieses Phänomen bekannt,
aktenfest konnte es allerdings noch nicht gemacht werden.
Berlin hat, neben Bremen, große Probleme mit kriminellen arabischen Großfamilien.
Laut Behörden gibt es in Berlin 15 bis 20 Großfamilien, von denen
sieben bis neun kriminell auffällig sind. Sie kamen Ende der 70er-Jahre
zumeist aus dem Libanon, kauften billige Häuser und brachten dort nach
und nach ihre Familien unter. Mittlerweile beherrschen sie den Großteil
der organisierten Kriminalität. Laut Kriminaldirektor Dirk Jacob vom
Landeskriminalamt (LKA) Berlin kontrollieren die Angehörigen
arabischstämmiger Tätergruppen Teile des Drogenmarktes, sind auf
Eigentumsdelikte spezialisiert und zeigen durch "exponierte Taten" ihre
Macht – etwa die spektakulären Überfälle auf ein Poker-Turnier im Hotel
"Hyatt" und auf das KaDeWe.
Dagegen
kämpft Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra hier seit Jahren mit seiner
OK-Abteilung (organisierte Kriminalität). "Die Flüchtlinge kommen
hierher und haben kein Geld. Und ihnen wird gezeigt, wie man ungelernt
sehr schnell an Geld kommen kann. Not macht verführbar. Viele von ihnen
können kein Wort Deutsch und sind dadurch natürlich anfällig, wenn sie
von jemandem in ihrer Heimatsprache angesprochen werden."
Ein
szenekundiger Ermittler erzählt, wie das läuft. Flüchtlingen, die
dreckigen Jobs zugeneigt seien, werde "eingetrichtert", selbst nach
einer Festnahme oder gar in einem deutschen Gefängnis gehe es ihnen
immer noch besser als im Krieg. "Es wird auch versprochen, sich in einem
solchen Fall um die Familie zu kümmern, was natürlich eine glatte Lüge
ist. Für die Clans sind die Flüchtlinge willkommener Nachwuchs, weil sie
hier noch nicht in Erscheinung getreten und der Polizei nicht bekannt
sind."
Trotz aller Mühe
fällt es Ermittlern schwer, die Machenschaften im Detail zu beleuchten.
"Es ist extrem schwierig, in diese Großfamilien einzudringen. Das sind
feste Gebilde, die man nur durch langwierige und aufwendige Ermittlungen
knacken kann", sagt Jacob. "Wird ein Mitglied einer Familie von einem
Konkurrenten beispielsweise niedergeschlagen oder mit einem Messer
schwer verletzt, haben wir als Beamte nur ganz wenige Stunden Zeit, die
Aussagen der Zeugen zu sichern und daraus eine operative Ermittlung zu
machen. Denn sehr schnell schalten sich die Familien ein und
manipulieren die Zeugen. Entweder sie werden gekauft oder bedroht.
Danach erfahren wir nichts mehr."
Zwar sei den Tätern klar,
dass die Polizei die meisten ihrer Taten aufkläre, sagt der Beamte,
"doch es gehört in diesen Kreisen fast schon zum guten Ton, im Gefängnis
gesessen zu haben. Knast macht Männer." In den wenigsten Fällen komme
die Polizei an die Beute. "Es gibt also immer noch Hintermänner, die die
Hand aufhalten und uns unbekannt bleiben."
Polizisten, die im OK-Bereich arbeiten, wissen längst, dass die Großfamilien die Stadt
dominieren. So wird der Straßenstrich in Schöneberg von einer Familie
kontrolliert. "Die jungen rumänischen Prostituierten müssen an die
Araber ein regelrechtes Standgeld entrichten. Ansonsten gibt es Prügel.
Deutsche Zuhälter haben sich damit längst arrangiert und geben zum Teil
50 Prozent ihrer Einkünfte ab. Dafür wird ihnen Schutz versprochen", so
ein Ermittler. Auch wächst in letzter Zeit der Druck auf die kleinen,
über die ganze Stadt verteilten Wohnungsbordelle.
"Die
Araber kommen als gewöhnliche Freier und machen dann sehr schnell
deutlich, dass sie ab sofort Anteile der täglichen Einnahmen erwarten.
Ansonsten werden die Huren geschlagen oder ihre Freier bedroht, die dann
aus Angst nicht mehr in die Bordelle kommen", erzählt der Beamte. Große
Summen an Schutzgeld werden zudem bei Landsleuten eingetrieben – kaum
ein Shisha-Bar-Betreiber bleibt von Erpressungen verschont. Die neueste
Masche der kriminellen Familien ist das Betreiben kleiner
Autovermietungen. Wie aus Polizeikreisen zu hören ist, werden Hinterhöfe
angemietet und etwa bei Mercedes-Benz oder BMW Leasing-Autos bestellt.
Laut
Oberstaatsanwalt Kamstra existieren viele Autovermietungen nur wenige
Monate lang. "Oft werden diese Firmen dann plötzlich geschlossen, und
die geleasten Fahrzeuge gelten als gestohlen. Tatsächlich werden sie
nach Osteuropa verkauft. Zum anderen werden diese PS-starken Autos für
Raubüberfälle und andere Straftaten verwendet. Wenn die Kriminalbeamten
anhand des Kennzeichens dann zu der Adresse der Vermietung kommen, hat
der Betreiber die Akten über den Mieter natürlich verlegt. Das erschwert
uns das Arbeiten."
Die Vermietungen liegen meist in kleinen Seitenstraßen von Neukölln,
Wedding, Kreuzberg und Charlottenburg neben Döner-Buden und
Gemüseläden. Schilder weisen nur selten darauf hin, dass in den – wie es
ein Beamter beschreibt – "Hamsterkäfig-großen" Büros teure Autos
vermietet werden.
Streitigkeiten
unter den teils rivalisierenden Clans hätten ein "eigenes System der
Rechtsfindung, ein eigenes Sanktionssystem". Meist einigten sich die
Familien finanziell. Verhandlungsführer unter den zerstrittenen Parteien
seien Imame, Familienoberhäupter, "Friedensrichter" oder "Schlichter" –
alles Männer aus dem gleichen kulturellen Umfeld. Ihr Urteilsspruch sei
bindend. Wie groß und mächtig die Szene ist, erzählt ein zivil
arbeitender Beamter. "Als kürzlich ein Mitglied einer Großfamilie in
Berlin beerdigt wurde, erschienen 3000 Trauergäste."
Mit
Clan-Leuten legt man sich lieber nicht an, das zeigt der Fall eines
Callgirls, das sich mit zwei Arabern in einem Luxushotel getroffen
hatte. "Es stand von vorneherein fest, dass es um harten Sex mit Gewalt
gehen würde", so ein Beamter. "Aber die beiden Freier haben im
Kokain-Rausch die Kontrolle verloren und die Frau schwer misshandelt und
verletzt. Zunächst erstattete sie Anzeige, zog diese dann allerdings
wieder zurück. Ob man ihr gedroht oder Geld gegeben hat, haben wir nicht
ermitteln können."
Dass
es sogar lebensgefährlich ist, die Clans zum Feind zu haben, weiß auch
Michael Kuhr. Er gilt als Deutschlands bekanntester Promi-Bodyguard und
ist Chef der gleichnamigen Berliner Sicherheitsfirma. Ein Mann, dem so
schnell nichts Angst macht. Glatze, breites Grinsen, Berliner Schnauze,
fester Händedruck.
Wenn die Stars aus
Hollywood in die Stadt kommen, sorgt er für ihre Sicherheit. Es waren
seine Männer, die 2010 mit der Sicherung des Poker-Turniers im Hotel
"Hyatt" am Potsdamer Platz betraut waren. Nach dem Überfall dort
kooperierte Michael Kuhr mit der Polizei, wie er das immer schon tat. Er
trug durch seine Zeugenaussagen dazu bei, dass die Täter zu Haftstrafen
verurteilt wurden. Es waren Angehörige des berüchtigtsten Clans in
Berlin.
"Mir war klar,
dass die mir das niemals vergessen würden", sagt der ehemalige
Kickbox-Weltmeister heute. Tatsächlich verdichteten sich nach den
Urteilen die Hinweise, dass ein Auftragskiller angeheuert und eine MP
besorgt worden war, um Kuhr zu ermorden. Der potenzielle Täter hatte
schon dessen Umfeld ausgekundschaftet. Nun wurden die Oberhäupter dieser
Großfamilie zur "Gefährderansprache" ins Landeskriminalamt bestellt, wo
ihnen ranghohe Polizeiführer erklärten, von den Mordplänen zu wissen.
Monatelang wurde der Bodyguard nun selbst von Personenschützern
begleitet.
Michael
Kuhr, der einen guten Einblick in Berlins Unterwelt hat, zieht eine
traurige Bilanz: "Die Hauptstadt ist verloren. Diese Strukturen haben
sich in allen Bereichen des organisierten Verbrechens manifestiert,
sodass man nie mehr auf den Stand von vor 20 Jahren kommen kann. Zudem
sind die Leute brandgefährlich und haben beinahe jeglichen Respekt vor
der Staatsmacht verloren." Allenfalls SEK-Einsätze mit Elitepolizisten
versuche man zu vermeiden.
Eine
Entwicklung, die Oberstaatsanwalt Kamstra mit Sorge beobachtet. "Wir
sind durchaus noch in der Lage, diesen Herrschaften klare Stoppsignale
zu geben. Aber es macht mir Angst, dass sie in der Tat keinen Respekt mehr vor der Polizei haben."
Fürchtet er um sein Leben? "Wissen Sie, ich bin in der Tat schon
Personen der Großfamilien begegnet, gegen die ich ermittelte. Mir
gegenüber waren sie respektvoll und höflich. Denn das ist auch klar –
wenn man mich aus dem Spiel nehmen würde, sitzt morgen ein anderer auf
dem Stuhl und macht den Job."
Alarmierend
ist, wie schnell verbrecherische Aktivitäten in legale Geschäfte
münden. Immer tiefer fressen sich die Clans ins Gefüge der Stadt. Nach
Informationen der "Welt am Sonntag" investieren sie längst ihre illegal
erworbenen Gelder in legale Unternehmungen. Sie betreiben Shisha-Bars,
Restaurants, Nachtklubs und handeln mit Autos. "Einige", sagt
Kriminaldirektor Jacob, "führen mittlerweile ein fast schon normales
Leben und verwalten ihr Vermögen."
Vermehrt kauften sie
Mietshäuser, etwa im Wedding, und wandeln sie in Flüchtlingsheime um.
Auch in andere Immobilien investieren die Clans, teils im hohen
sechsstelligen Bereich, die Gelder kommen meist von Verwandten oder
Geschäftspartnern im Libanon. "Wir können die Herkunft und das Entstehen
dieser Gelder aber nicht kontrollieren", bedauert Jacob. "Wenn wir ein
Rechtshilfeersuchen an die libanesischen Behörden stellen, bekommen wir
in den meisten Fällen nicht einmal eine Antwort."
Ernüchternd
ist auch die Bilanz, die Oberstaatsanwalt Kamstra zieht: Strukturen und
Vernetzungen der arabischen Großfamilien könnten nur dann erhellt und
effektiv bekämpft werden, wenn Polizei und Staatsanwaltschaft Einblicke
in deren Geldströme hätten. "Der Gesetzgeber lässt uns an dieser Stelle
aber im Stich. Finden wir beispielsweise in der Wohnung eines
Beschuldigten 150.000 Euro, obwohl er als Hartz-IV-Empfänger
ein Legaleinkommen von weniger als 1000 Euro hat, müssen wir ihm
nachweisen, dass die Summen aus kriminellen Geschäften stammen. Wir
brauchen die Beweislastumkehr, es müsste genau andersherum laufen."
Zudem
sei das organisierte Verbrechen technisch stets einen Schritt voraus.
"Es gibt neue Smartphones, die wir nicht abhören können und von denen
die Täter wissen, dass wir sie nicht abhören können." Dazu kämen
personelle Engpässe. Es dauere teils Monate, bis die Polizisten dazu
kämen, abgehörte Telefonate zu übersetzen und auszuwerten. "Dann", so
ein Ermittler, "sind die Taten meistens schon begangen worden und die
Beute ist verteilt."
Eine
juristische Beweislast, die oft nicht zu schultern ist, personelle wie
technische Unterlegenheit der Ermittler, dazu ein Gegner, der aus einem
geschlossenen ethnisch-familiären Milieu heraus agiert und in der Stadt
so herrisch auftritt, als gehöre sie ihm – das alles macht den Kampf
gegen die Clans zu einer Disziplin, die auf Sieg nicht hoffen darf.
Berliner Polizisten brauchen das Gemüt eines Ackergauls, der stur Furche
um Furche zieht, ohne viel Aussicht, je groß zu ernten. Michael Behrendt am 10. 4. 2016
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.