Jetzt, wo der deutsche Innenminister dank Schließung der Balkanroute
wieder davon phantasieren darf, die Grenzen des Landes ganz weit
aufzumachen, folgt in seinem Bühnenstück mit dem Titel „Der Irrsinn ist
ein Meister aus Deutschland“ der nächste Akt. Nach "Härtere Gesetze" und "Rigoros Abschieben" kommt - es war nicht anders zu erwarten - der Teil, den man mit „Deutschsein heißt Auschwitz lieben“ überschreiben könnte.
In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, das zur
Mediengruppe Madsack gehört und vor allem deutsche Regionalzeitungen
bedient, teilte Innenminister Thomas de Maizière - an die Adresse der
Neu-Bürger aus islamischen Ländern gerichtet - folgendes mit: „Jeder muss wissen, was in Auschwitz passiert ist.“ Das gehöre einfach zur deutschen Leitkultur. Und auch das Existenzrecht Israels sei zu akzeptieren.
Nun entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ein Land, das vor
gar nicht so langer Zeit versucht hat, alle Juden auszurotten, sich nun
damit brüstet, das Existenzrecht Israels anzuerkennen. Eine merkwürdige
Sinneswandlung, die vielleicht für viele Neubürger mit streng
antisemitischer Sozialisierung nicht ganz so schnell nachzuvollziehen
ist.
Dabei sind wir Deutschen im Nahen Osten doch so beliebt, weil kein
anderes Volk sich mehr Mühe gegeben hat, das Judenproblem zu lösen als
wir. Das wird uns hoch angerechnet und im Gegensatz zum Rest der
westlichen Welt wird uns eben deswegen eine gute Portion Sympathiebonus
gewährt. Wollen wir uns den jetzt verscherzen? Oder wollen wir ihn
betonen? Noch ist das Ansinnen des Innenmisters nicht ganz eindeutig.
„Jeder muss wissen, was in Auschwitz passiert ist“ - wie hat man sich
das vorzustellen? In der ersten Woche Deutschkurs geht es um Subjekt,
Prädikat, Objekt und die unregelmäßigen Verben; und in der zweiten Woche
dann um die Gaskammern und die Weihnachtslieder der SS-Schergen in
Auschwitz, Bergen-Belsen und anderswo? Kommen unsere Neubürger also als
Facharbeiter und gehen als Geschichtslehrer?
Und wie werden unsere gutmütigen Deutschlehrer reagieren, wenn bei
den unschönen Tatsachenbeschreibungen auf einmal spontan applaudiert und
Bewunderung bekundet wird? Werden sie die Hände zur Mäßigung des
Applauses erheben, insgeheim aber glücklich und zufrieden über so viel
gelungene Integration sein? Oder werden sie die Applaudierenden direkt
bei Anetta Kahane melden, die sie dann höchstpersönlich in die Türkei
zurück bringt?
Bereits zum Beginn des Flüchtlings-Punks gab es eine wunderbar authentische Schilderung
eines Refugee-Welcome-Engagierten, der mit einem befreundeten
Flüchtling einen Ort im Havelland besuchte, in dem einige Tage vorher
eine Sporthalle, die als Notunterkunft hätte dienen sollen, gebrannt
hatte. In einer der Eckkneipen trafen sie auf junge Autochthone, die
ganz offenkundig etwas gegen Ausländer hatten. Sie kamen ins Gespräch.
Aus Höflichkeit wollte der aus dem Libanon stammende Flüchtling den
anwesenden Deutschen ein Kompliment machen und sagte: „Seit ich klein
bin, bewundere ich Deutschland. Ihr habt mit Hitler soviel Gutes gemacht
und eure Fußballteams sind die besten der Welt.“
Nach dem ersten Zusammenzucken bei der Erwähnung des Gottseibeiuns
entspann sich eine angeregte Diskussion, bei der auf einmal die als
Nazis verschrienen Deutschen das Hitler-Lob zurückwiesen. „Autobahnen
klar, aber die Juden ...“ „Ja, es war doch gut, dass er die Juden
umbrachte!", strahlte Fayez — und dann begann der ganze Stammtisch wild
zu diskutieren, wie man das denn nun jetzt sagen könne, und wie ein
Ausländer Hitler gut finden könne, Hitler war doch gegen Ausländer — und
die Verwirrung war groß.“ Es ist eine wirklich köstliche Szene, die
sich kein Integrationsbeauftragter je besser ausdenken könnte.
Bekanntlich haben wir Deutschen ein Holocaust-Mahnmal, um das uns
„andere Länder bereits beneiden“, so der Historiker Eberhard Jäckel in
seiner Festrede am fünften Jahrestag des Mahnmals. Das war sicher etwas
großspurig daher geplappert, aber im Kern schon richtig. Andere Länder
beneiden uns, weil wir in unserem Judenwahn wirklich sehr weit gekommen
sind, viel weiter als der Iran oder andere islamische Länder, die die
Juden auch gerne ins Meer treiben würden. Diese Länder hätten auch gerne
so ein Mahnmal, quasi als Abschluss ihres historischen Auftrags. Haben
sie aber noch nicht. Also schauen sie voll Neid auf uns.
Zurück zu unseren Neubürgern, an die sich der deutsche Innenminister
ja wendet. „Jeder muss wissen, was in Auschwitz passiert ist“ - das
führt natürlich zur nächsten Frage, mit welchem Gesichtsausdruck unser
gutmütiger Deutschlehrer dieses Wissen denn vermitteln soll? Soll er
sich dabei schämen und sich schuldig fühlen, seine Stimme senken und
bedröppelt dreinschauen, vielleicht sogar eine heiße Träne vergießen?
Man kann sich die tröstenden und aufmunternden Worte der Neubürger, dass
das doch alles nicht so schlimm gewesen sei, sehr lebhaft vorstellen.
Soll er dann auf seiner Traurigkeit als Teil der deutschen Staatsräson
bestehen oder soll er sich schütteln, herzhaft lachen und zu Goethe und
Schiller übergehen? Fragen über Fragen.
Und was passiert, wenn die Neubürger dem gewöhnlichen Deutschlehrer
auf die Schliche kommen und herausfinden, dass er das Existenzrecht
Israels ja nur deswegen anerkenne, weil er sich schuldig fühlt? Ob er
denn nicht wisse, dass Israel ein Unrechtsstaat sei, in dem Apartheid
herrsche und die Palästinenser wie in einem KZ gehalten werden? Wie
reagiert dann der arme Deutschlehrer: sagt er, dass Israel nur deswegen
existiere, weil wir Deutschen den Juden so viel Leid angetan haben,
nimmt er also neben der Schuld des Judenmords auch noch die Schuld der
Palästinenser-KZs auf sich?
Oder sagt er, dass Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten sei
und wer etwas anderes behaupte, kann ja wieder verschwinden? Der
Verdacht, dass es dem armen Deutschlehrer leichter fiele, sich vor den
Neubürgern in den Staub zu werfen und sein Haupt mit Asche zu bedecken,
als mit Verve einen Rechtsstaat zu verteidigen, ist nicht ganz von der
Hand zu weisen.
Welche der beiden Alternativen also
integrationsförderlicher ist, müsste auch noch geklärt werden.
Oder aber die Deutschlehrer werden vom Innenminister höchstpersönlich
instruiert, mit etwas Pathos in der Stimme und mit vor Stolz
geschwellter Brust die Geschehnisse um Auschwitz darzustellen. Das macht
gleich Eindruck, schafft Bewunderung und gleichzeitig auch eine gewisse
Distanz, damit klar ist, wie wir Deutschen mit Menschen umgehen, die
uns trotz bester Integration irgendwann nicht mehr genehm sind.
Andererseits stünde es in einem eklatanten Widerspruch zu dem
freundlichen Gesicht, das wir Deutschen par ordre du mufti zu zeigen
angehalten sind. Dieser Vorschlag wird sicher keine Akzeptanz bei der
Kanzlerin finden.
Am integrationsförderlichsten dürfte es wohl sein, wenn der
Deutschlehrer mit leicht süffisantem Gesichtsausdruck augenzwinkernd die
Geschehnisse um Auschwitz herunterreißt und dann mit strenger Mine auf
die Rechtslage in Deutschland hinweist: Leugnung ist zwecklos, da
justiziabel. Außerdem dürfe man den Deutschen den Holocaust nicht
wegnehmen, da sonst kein Grund mehr bestünde, sich von so vielen
Neubürgern beschenken zu lassen. Alles von Auschwitz zu wissen, ist also
auch in deren ureigenstem Interesse. Ja, so könnte es funktionieren. Markus Vahlefeld am 12. 4. 2016
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