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Dienstag, 10. Mai 2016

DDR 2.0

Was ist Pressefreiheit? Der Journalist Paul Sethe äußerte hierzu 1965: „Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Das grundgesetzlich garantierte Recht wird also von einer kleinen Schicht aus Verlegern und Chefredakteuren inhaltlich bestimmt. Neben dem Druck von oben bestehen für Journalisten interne Zwänge in einem Berufsmilieu, das mehrheitlich deutlich von rot-grünen Präferenzen beherrscht wird.
Man könnte also die Problematik der Pressefreiheit auch mit einer Frage an das bekannte „Radio Eriwan“ umschreiben: „Kann jeder Sowjetbürger ein Radioprogramm moderieren?“ Antwort: „Im Prinzip ja. Aber es bedarf der Genehmigung zum Betrieb eines Sendemastes.“
Für den Normalbürger, also die zu 99,9 Prozent nicht im Journalismus tätigen Menschen, bedeutete das bislang, daß sie einfach Vertrauen in die ihnen via Pressefreiheit vorgesetzten Informationen und Meinungskommentare haben mußten. Unmut konnten sie allenfalls in Form von Leserbriefen äußern, die zu drucken in der Entscheidung einer Redaktion stand.
Dieses vormundschaftliche Informationsprinzip verliert im Zuge der Ausweitung des Internets an Macht. Die Politik wird noch, via Schutz vor „Haßkommentaren“, versuchen, die Tür wieder zuzusperren. Aber ganz wird das nicht mehr gelingen. Zudem sind viele Bürger zunehmend mißtrauisch gegenüber den Leitmedien, deren Schlagseite sie viele Jahre miterleben durften.
Medienvertreter bemühen sich zwar krampfhaft, den Vorwurf der „Lügenpresse“ abzuwehren und das eigene Schaffen als seriös darzustellen. Doch dazu ist es wohl längst zu spät. Dem Ehemann, der über die Jahre zu häufig fremd gegangen ist, traut man nicht mehr, wenn er nun die Treue beteuert.

Hier eine „fremdenfeindliche“ Tat, die mit Sonderseiten und Kommentaren hochgeschrieben wurde, dort eine Tat von Fremden, die nur den Weg in die Randspalten der Lokalpresse gefunden hat. Hier ein nicht genannter und angeblich „irrelevanter“ ethnischer Hintergrund, wenn es um Straftaten geht, dort ein hervorgehobener und plötzlich relevanter ethnischer Hintergrund, wenn wirtschaftliche Erfolgsgeschichten von Einwanderern positiv vorgestellt werden sollen.
Hier die Sondersendungen über die „Gefahr von rechts“, dort das desinteressierte Achselzucken, wenn mal wieder das Hamburger Schanzenviertel verwüstet wurde. Hier ein Jammern, wenn sich Journalisten oder Politiker der Regierungsparteien angegriffen fühlen, dort ein bewußtes Bloßstellen von Andersdenkenden oder die Verharmlosung, wenn konservative Oppositionelle von linken „Gegendemonstranten“ beleidigt, bedroht, geschlagen werden.

Viele Bürger haben ihre so gemachten Erfahrungen und ihre Wut zu dem Schlagwort „Lügenpresse“ verdichtet. Den Kern trifft der Begriff allerdings nicht. Richtige Lügen werden meist nicht in den Medien transportiert, sondern Tendenz wird journalistisch subtiler vermittelt: Durch verschweigen, weglassen, betonen oder den Gebrauch bestimmter Worte.

[Lichterkette für Helldeutschland, Fackelzug für Dunkeldeutschland]

Beim Fernsehen kommt der Einsatz von Hintergrundmusik, Schnitt, Licht und Kameraeinstellung hinzu. Heimlich gefilmte oder offen interviewte Konservative können hiervon ein Liedchen singen. Dieser Tendenzjournalismus zeigt sich ebenso im wahlweise betroffenen, empörten oder strengen, lehrerhaften Sprachduktus von Nachrichtenmoderatoren a la Claus Kleber.
Die Lage dürfte sich im Zuge zunehmender sozialer Spannungen verschärfen. Halten viele Medien ihre eigenen Leser und Zuschauer bislang für zu unmündig, um ihnen bestimmte Informationen ungefiltert zukommen zu lassen, so werden die „Unmündigen“ zunehmend zum Feindbild. Je mehr die herbeigeschriebene „multikulturelle“ Gesellschaft mit negativen Realitäten konfrontiert wird, um so mehr wird man Sündenböcke im Lager der Einwanderungskritiker beziehungsweise der „Rechten“ suchen.

Schon die Sowjetunion kannte den Begriff des „Saboteurs“, der die Verwirklichung des Kommunismus behindere. Und so könnte scheinbar auch heute alles so friedlich und bunt sein, wenn nicht ständig „Brandstifter“ zündeln und „Haß schüren“ würden, wie der Sozialdemokrat Ole von Beust dieser Tage Thilo Sarrazin vorwarf. „Pegida“-Demonstranten wurde schon vorgeworfen, Schuld an finanziellen Einbußen der betreffenden Kommunen zu sein.
Nun kam ein weiterer Vorwurf hinzu. Zum „Internationalen Tag der Pressefreiheit“ wurde in den Medien die Gefährdung des Grundrechts durch eine „Front der Wütenden“ beklagt. „Lügenpresse“-Anfeindungen gegen Journalisten nähmen zu.

Christian Mihr, Geschäftsführer von „Reporter ohne Grenzen“, einer von Unternehmen und Steuergeldern mitfinanzierten „Nichtregierungsorganisation“, beklagte gar Gewalttaten gegen Journalisten im Umfeld von „Pegida“-Demonstrationen.
Auch Helmut Heinen, Herausgeber der „Kölnischen Rundschau“, kritisierte Angriffe gegen Journalisten im Umfeld von rechtspopulistischen Kundgebungen: „Was sagt das über unser Land und seine Debattenkultur?“ Nichts gutes, könnte man ihm antworten, doch welche „Debatte“ wollen politisch eindeutig positionierte TV-Sendungen wie die „Tagesthemen“ oder „Heute Show“ denn wirklich führen?

Nun ist es völlig richtig, sich gegen Gewalt zu positionieren. Abgesehen davon aber, sind der Mangel an journalistischer Selbstkritik und die Richtung des Vorwurfs bemerkenswert. Normalerweise wird davon ausgegangen, daß die Medien dem Informationswunsch der Bürger entsprechen, während es Versuche der Mächtigen gibt, sie zu zensieren. Jetzt aber wird dem regierungskritischen Volk vorgeworfen, nicht mehr mit den gelieferten Informationen einverstanden zu sein.
Die Gefährdung der Pressefreiheit geht also nach dieser Lesart nicht mehr so sehr von oben, als vielmehr von unten aus. Also von den eigenen Abonnenten, Lesern und Zuschauern. Wenn sich diese Frontstellung verfestigen sollte, dürfte Claus Kleber selbst dann keine Chance mehr haben, wenn er in Zukunft einmal „ich liebe doch alle – alle Menschen“ in die Kamera hauchen sollte. Die Pressefreiheit werden dann womöglich ganz andere schützen.

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