Ich kann mir nicht helfen, aber seit der Tortenattacke finde ich
Sahra Wagenknecht noch aufregender. Sie fasziniert mich seit langem. Zum
einen ist sie das überlegene Gegenstück zur kühlen Blonden: An diese
kühle Brünette kommt keine noch so Helle aus dem Norden heran. Und dann
ist da noch diese andere Sache, die ich in eine Frage kleiden will: Wie
kann man nur so klug sein und gleichzeitig so schief liegen?
Es ist kein unbekanntes Phänomen. Die Engländer nennen Leute, die vor
lauter Schläue im Gegenteil landen „too clever by half“.
Bei Sahra
Wagenknecht ist es der Wunsch nach „Reichtum ohne Gier“. Ein frommer
Wunsch in der doppelten Bedeutung des Wortes. Er frommt uns, aber er
hält der Wirklichkeit nicht Stand. Des Lebens bittere Erfahrung lehrt
leider: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass es Reichtum
ohne Gier gibt.
Doch was heißt das schon. Wo wären wir, wenn nur die Dummen fromme
Wünsche formulieren würden. Wenn sich alle klugen Köpfe vor der
Tristesse der Realität verneigen würden. Und kann man fromme Wünsche
attraktiver predigen als Sara Wagenknecht mit ihrer kerzengeraden
Eleganz und der argumentativen Strenge ihrer politischen Romantik?
Und
dann muss ich sagen: Wenn schon links – dann doch wohl wagenknechtlinks
und nicht gysilinks. Gregor Gysi würde inzwischen vor lauter
Regierungslust einen Kanzlerkandidaten Gabriel oder gar Steinmeier
schlucken.
Da beweist Sahra Wagenknecht ein anderes Kaliber, wenn sie
der braven SPD einen Jeremy Corbyn oder einen Bernie Sanders an den Hals
wünscht, um sie reif für die Linke zu machen.
Da scheint sie auf, die Wahlverwandtschaft der interessanten, ja
aufregenden Politiker in einer sonst so betulichen Polit-Belegschaft.
Wer Politik, wozu ich immer rate, auch als ein Entertainment betrachtet,
der kann sich über Sanders und Corbyn, die Starklinken der Demokraten
und der Labour Party, nur freuen. Ebenso wie über die interessante Sahra
in ihrer vergleichsweise bescheidenen Abseitsstellung.
Hillary Clinton ist das Gegenstück: unfaszinierend mittig. Leicht
könnte sie die Tragik eines Sigmar Gabriel ereilen, wäre ihr da nicht
bei den Republikanern das Unikum Trump als unfreiwilliger, aber
gottgesandter Helfer erschienen. Ausgemacht ist die Sache aber noch
nicht. Auch Donald Trump gehört – anders als Hillary Clinton - in die
Reihe der spannenden Politiker. Nur halt auf der anderen, der rechten
Seite. Wenn er denn eine Seite hat: Seine Gegnerschaft zum
Freihandelsabkommen mit Europa dürfte links genauso gefallen wie rechts.
Der offiziellen journalistischen Sortierung folgend gehört Trump
allerdings klar zu den Rechtspopulisten. Man könnte ihn also einen
Wahlverwandten der Frauke Petry nennen, wäre er nicht um ein Vielfaches
interessanter als die unaufregende AfD-Chefin. Trumps rechtslastige
Beleidigungen und seine im Ungewissen wabernden Phrasen haben etwas
Genialisches, was deutsche Rechtspopulisten einfach nicht schaffen. Ein
Boateng-Stuss, wie ihn Gauland geliefert hat, wäre bei Trump
Dutzendware, ein Stückchen rhetorischer Frühsport vor der populistischen
Tages-Agenda.
Tja, der Populismus. Die populären Linken wie Jeremy Corbyn und
Bernie Sanders, die massenhaft junge Protestbürger anziehen, sind keine
Populisten, weil die mediale Einsortierung links keine Populisten
anerkennt. Rechtspopulisten – ja, Linkspopulisten – nein. Warum ist das
so? Keine Ahnung. Wenn ich ein strammer Linker wäre, wäre ich gerne ein
Linkspopulist. Schon aus Gründen der Gerechtigkeit. Aber dem
Linkspopulismus fehlt nun mal die mediale Hebamme, er schafft es einfach
nicht, das Licht der Welt zu erblicken.
Sahra Wagenknecht wäre auch dann keine Linkspopulistin, wenn es
Linkspopulisten gäbe. Sie ist einfach zu kühl und zu kopfgesteuert, um
im populistischen Fach zu reüssieren. Der Torten-Antifa, deren Opfer
sie neulich wurde, ist sie nicht einmal links genug. Tatsächlich hat
Sahra Wagenknecht gesagt, Deutschland könne nicht unbegrenzt Flüchtlinge
aufnehmen. Das macht sie in den Augen Backwaren produzierender
Antifaschisten wahrscheinlich zu einer Rechtspopulistin.
Egal. Ich finde es erstaunlich, mit welcher Gelassenheit sie die
braune Torte wegsteckt hat, die ihr ins Gesicht gedrückt worden ist! Ich
habe den Verdacht, dass sie sich mit der Torte ausschließlich
zeitgeschichtstheoretisch befasst hat, als gebackenen Beleg für die
traditionelle Zersplitterung der Linken. Im übrigen ging es ruck-zuck:
Frisches Make-up, Kostümwechsel von rot zu blau, und fertig. Die jungen
Anhänger der angelsächsischen Polit-Opas Corbyn und Sanders würden
sagen: The lady is cool. Ich sage das auch. So cool wie Sarah
Wagenknecht ist keiner in der politischen Menagerie unseres Landes. Rainer Bonhorst
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