„Die Zahl politisch motivierter Straftaten in Deutschland hat
einen neuen Höhepunkt erreicht. Im vergangenen Jahr registrierten die
Sicherheitsbehörden fast 39.000 Fälle in diesem Bereich. Den Großteil
machen rechtsextremistische Straftaten aus.“ So oder ähnlich vermeldeten die Medien landauf und landab die Präsentation der neuen Kriminalstatistik für
das Jahr 2015. Und um das zu untermauern - schließlich geht es ja um
eine Statistik - lieferten Nachrichtenagenturen und
Nachrichtenredaktionen auch einen Beweis für das gerade Geschriebene: Besonders
deutlich war der Zuwachs im vergangenen Jahr bei den
rechtsextremistischen Straftaten: Die Polizei registrierte hier knapp
23.000 Fälle, ein Plus von 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die
Statistik weist auch 18 Prozent mehr linksextremistische Straftaten aus -
insgesamt rund 9.600. Die übrigen Fälle in der Kategorie „politisch
motivierte Straftaten“ können nicht genau zugeordnet werden oder fallen
in den Bereich Ausländerkriminalität.
Nicht schön, aber solche Zahlen passen immerhin gut zum
meistpublizierten Weltbild, in dem die mit Abstand größte Gefahr von
rechts ausgeht. Auch die staatlichen Fördermittel zur
Extremismusbekämpfung fließen schließlich vor allem all jenen zu, die
mutig die Rechten bekämpfen wollen.
Aber stimmt das auch so? Nein, selbstverständlich wollen wir hier
keine amtliche Statistik anzweifeln. Aber vielleicht ist es erhellend,
einmal die Zahlen selbst sprechen zu lassen. Selbstverständlich tauchen
auch die in den Nachrichten genannten Zahlen in der Statistik auf. Doch
wie entstehen sie?
Rechtsextremisten sorgen mehrheitlich mit
„Propagandadelikten“ und der Verwendung verbotener Kennzeichen für
Ermittlungen. Die Linksextremen setzen stattdessen mehrheitlich auf
Gewalttaten. Ihre Symbole sind hingegen nicht verboten, deshalb ist es
für linksextremistische Genossen ungleich schwerer ist, ein
Propagandadelikt zu begehen. Das schafften sie 2015 gerade einmal in 118
Fällen, während die Rechtsextremisten stolze 12175 derartige Delikte in
die Statistik einbrachten. Aber hier reicht im Zweifel schon ein
Hakenkreuz oder ein Hitlergruß für einen Punktgewinn.
Wie verteilt sich nun die politisch-motivierte Kriminalität (PMK)
in anderen Deliktsbereichen? Fangen wir mal mit Mord und Totschlag an.
Rechte wie Linke bringen es 2015 jeweils auf acht Tötungsdelikte.
Allerdings haben beide Seiten keines vollendet, die Opfer leben also
noch. Interessant ist es, dass die Rechten hier erst im letzten Jahr
aufgeholt haben. Im Jahr zuvor kamen die Kameraden nur auf ein
versuchtes Tötungsdelikt, während es die Genossen immerhin auf 7
brachten.
Bei Körperverletzungen führen die Linken mit 1354 gegen 1177 der
Rechten. Beim Landfriedensbruch sind die Rechtsextremisten aber schon
weit abgeschlagen, sie schaffen gerade mal 44 Fälle, während es
Linksextreme auf stolze 340 Delikte bringen.
Aber mit dem Feuer spielen die Rechten doch wohl häufiger, denn vor
allem sie zünden doch Asylbewerberheime an, oder? Rechts kommt auf 102
Brandstiftungen, doch auch hier zieht Links mit 106 noch klar vorbei.
Man kann ja statt Asylbewerberunterkünften auch Polizeiwachen oder
Bahnanlagen anzünden. Doch gerechterweise sei gesagt, dass die
rechtsextreme Zahl Ergebnis eines dramatischen Anstiegs ist, während die
linksextremen Brandstiftungen rückläufig waren.
Erwartet man bei einem Delikt wie Raub eigentlich mehr rechte oder
mehr linke Täter? Richtig, mehr linke, denn praktische Umverteilung ist
eher eine Kernkompetenz der revolutionären Genossen. Sie führen mit 32
zu 23, wobei auch hier die Zahl der rechten Delikte gewachsen und die
der linken gesunken ist.
Bei Erpressung immerhin haben die Kameraden von rechts mit 8 zu 2
einen klaren Vorsprung. Im Bereich der Widerstandsdelikte liegen sie
wiederum hoffnungslos zurück: gerade mal in 94 Fällen haben sie sich
handfest gegen die Staatsmacht aufgelehnt, während es die Genossen auf
stolze 345 Delikte brachten.
Aber - ein weiteres Alleinstellungsmerkmal - es gab nur ein einziges
politisch motiviertes Sexualdelikt im Jahr 2015. Was man sich darunter
genau vorstellen muss, erklärt das Bundesinnenministerium nicht. Wir
erfahren nur, dass es im Jahr zuvor, also 2014, noch kein solches Delikt
gegeben hat und dass das eine politische Sexualdelikt auf das Konto der
Rechten geht.
Bei Sachbeschädigung sind wieder die Linken führend (3454 zu 1451),
während Nötigung und Bedrohung an die Rechten fällt (515 zu 212).
Neben
den schon erwähnten Propagandadelikten liegen Rechte auch bei
Volksverhetzung in Führung (4159 zu 1951), was angesichts der Verwendung
verbotener Symbole auch kaum verwunderlich ist. Auch der rechte
Vorsprung bei der Störung der Totenruhe (10 zu 7) ist beispielsweise
durch die Versuche des „Heldengedenkens“ auf deutschen
Soldatenfriedhöfen leicht erklärbar.
Dass die Rechtsextremen bei Verstößen gegen das Versammlungsgesetz so
im Hintertreffen liegen (nur 711 gegen 2163 von links) hätte man
wiederum nicht erwartet, denn eigentlich gewinnt man durch die
Berichterstattung den Eindruck, dass mehr rechtsextreme Demonstrationen
untersagt werden, als linksextreme. So kann man sich irren.
Wenigstens
bei der Bewaffnung stimmen die Vorurteile wieder: Hier führt Rechts mit
30 zu 11.
Und das Fazit? Rechnet man die Propagandadelikte heraus, geht
vielleicht eine große aber nicht die größte Gefahr von den
Rechtsextremisten aus. Vielleicht sollte man, damit es auch alle
Berichterstatter begreifen, eine gesonderte PMK-Statistik ohne die
Propagandadelikte, die wegen der verbotenen Kennzeichen fast nur von
Rechtsextremen begangen werden können, ausweisen.
Bei der Ausländerkriminalität geht die Statistik bereits einen
vergleichbaren Weg: Damit kein verzerrtes Bild entsteht, gibt es eine
Zusammenfassung, in der die Verstöße gegen das Ausländer- und
Aufenthaltsrecht unberücksichtigt bleiben, die Inländer gar nicht
begehen können.
Auch diese bereinigten Zahlen des Jahres 2015 sind
interessant: Nach der Kriminalstatistik gab es knapp 1,5 Millionen
deutsche Tatverdächtige und mehr als eine halbe Million nichtdeutsche
Tatverdächtige, wobei jeder, der einen deutschen Pass besitzt, als
deutscher Tatverdächtiger zählt, auch wenn er eine zweite
Staatsbürgerschaft oder einen Migrationshintergrund hat. Der
nichtdeutsche Anteil ist unter Tatverdächtigen also erheblich höher als
in der Gesamtbevölkerung. Außerdem ist im Verlauf eines Jahres die Zahl
deutscher Tatverdächtiger um 4,9 Prozent gesunken, während die der
nichtdeutschen um 12,8 Prozent gestiegen ist.
Die Zahl der „Zuwanderer“ - amtliche Definition: Zuwanderer im
Sinne dieser Darstellung sind tatverdächtige Personen mit
Aufenthaltsstatus „Asylbewerber“, „Duldung“,
Kontingentflüchtling/Bürgerkriegsflüchtling“ und „unerlaubt“ -
unter den Tatverdächtigen des Jahres 2015 lag übrigens bei 114238,
gegenüber dem Vorjahr war dies ein Anstieg um 90,7 Prozent.
Das hat aber
natürlich gar nichts mit der unkontrollierten Millioneneinwanderung des
letzten Jahres zu tun. Auf die deutsche „Willkommenskultur“ lassen wir
nichts kommen und außerdem geht die größte Gefahr von den Rechtsextremen
aus. Hat auch unser Innenminister gesagt.
Vielleicht sollten wir uns
die Zahlen doch nicht so genau anschauen, damit wir daran nicht zu
zweifeln beginnen. Der Minister hatte ja schon vor Monaten klar erkannt,
dass zu viele Informationen die Bürger nur verunsichern.
Nur um Missverständnisse auszuschließen: Der Autor dieser Zeilen will
mitnichten rechtsextreme Umtriebe und Gewalt verharmlosen, sondern
stört sich lediglich an der Verharmlosung anderer Arten von Extremismus
und Gewaltkriminalität.
Zuerst erschienen auf Sichtplatz.de hier
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