Stationen

Samstag, 28. Mai 2016

Genauer hinsehen lohnt sich

„Die Zahl politisch motivierter Straftaten in Deutschland hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Im vergangenen Jahr registrierten die Sicherheitsbehörden fast 39.000 Fälle in diesem Bereich. Den Großteil machen rechtsextremistische Straftaten aus.“ So oder ähnlich vermeldeten die Medien landauf und landab die Präsentation der neuen Kriminalstatistik für das Jahr 2015. Und um das zu untermauern - schließlich geht es ja um eine Statistik -  lieferten Nachrichtenagenturen und Nachrichtenredaktionen auch einen Beweis für das gerade Geschriebene: Besonders deutlich war der Zuwachs im vergangenen Jahr bei den rechtsextremistischen Straftaten: Die Polizei registrierte hier knapp 23.000 Fälle, ein Plus von 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Statistik weist auch 18 Prozent mehr linksextremistische Straftaten aus - insgesamt rund 9.600. Die übrigen Fälle in der Kategorie „politisch motivierte Straftaten“ können nicht genau zugeordnet werden oder fallen in den Bereich Ausländerkriminalität.
Nicht schön, aber solche Zahlen passen immerhin gut zum meistpublizierten Weltbild, in dem die mit Abstand  größte Gefahr von rechts ausgeht. Auch die staatlichen Fördermittel zur Extremismusbekämpfung fließen schließlich vor allem all jenen zu, die mutig die Rechten bekämpfen wollen.

Aber stimmt das auch so? Nein, selbstverständlich wollen wir hier keine amtliche Statistik anzweifeln. Aber vielleicht ist es erhellend, einmal die Zahlen selbst sprechen zu lassen. Selbstverständlich tauchen auch die in den Nachrichten genannten Zahlen in der Statistik auf. Doch wie entstehen sie?

Rechtsextremisten sorgen mehrheitlich mit „Propagandadelikten“ und der Verwendung verbotener Kennzeichen für Ermittlungen. Die Linksextremen setzen stattdessen mehrheitlich auf Gewalttaten. Ihre Symbole sind hingegen nicht verboten, deshalb ist es für linksextremistische Genossen ungleich schwerer ist, ein Propagandadelikt zu begehen. Das schafften sie 2015 gerade einmal in 118 Fällen, während die Rechtsextremisten stolze 12175 derartige Delikte in die Statistik einbrachten. Aber hier reicht im Zweifel schon ein Hakenkreuz oder ein Hitlergruß für einen Punktgewinn.

Wie verteilt sich nun die politisch-motivierte Kriminalität (PMK) in anderen Deliktsbereichen? Fangen wir mal mit Mord und Totschlag an. Rechte wie Linke bringen es 2015 jeweils auf acht Tötungsdelikte. Allerdings haben beide Seiten keines vollendet, die Opfer leben also noch. Interessant ist es, dass die Rechten hier erst im letzten Jahr aufgeholt haben. Im Jahr zuvor kamen die Kameraden nur auf ein versuchtes Tötungsdelikt, während es die Genossen immerhin auf 7 brachten.
Bei Körperverletzungen führen die Linken mit 1354 gegen 1177 der Rechten. Beim Landfriedensbruch sind die Rechtsextremisten aber schon weit abgeschlagen, sie schaffen gerade mal 44 Fälle, während es Linksextreme auf stolze 340 Delikte bringen.

Aber mit dem Feuer spielen die Rechten doch wohl häufiger, denn vor allem sie zünden doch Asylbewerberheime an, oder? Rechts kommt auf 102 Brandstiftungen, doch auch hier zieht Links mit 106 noch klar vorbei. Man kann ja statt Asylbewerberunterkünften auch Polizeiwachen oder Bahnanlagen anzünden. Doch gerechterweise sei gesagt, dass die rechtsextreme Zahl Ergebnis eines dramatischen Anstiegs ist, während die linksextremen Brandstiftungen rückläufig waren.

Erwartet man bei einem Delikt wie Raub eigentlich mehr rechte oder mehr linke Täter? Richtig, mehr linke, denn praktische Umverteilung ist eher eine Kernkompetenz der revolutionären Genossen. Sie führen mit 32 zu 23, wobei auch hier die Zahl der rechten Delikte gewachsen und die der linken gesunken ist.
Bei Erpressung immerhin haben die Kameraden von rechts mit 8 zu 2 einen klaren Vorsprung. Im Bereich der Widerstandsdelikte liegen sie wiederum hoffnungslos zurück: gerade mal in 94 Fällen haben sie sich handfest gegen die Staatsmacht aufgelehnt, während es die Genossen auf stolze 345 Delikte brachten.

Aber - ein weiteres Alleinstellungsmerkmal - es gab nur ein einziges politisch motiviertes Sexualdelikt im Jahr 2015. Was man sich darunter genau vorstellen muss, erklärt das Bundesinnenministerium nicht. Wir erfahren nur, dass es im Jahr zuvor, also 2014, noch kein solches Delikt gegeben hat und dass das eine politische Sexualdelikt auf das Konto der Rechten geht.

Bei Sachbeschädigung sind wieder die Linken führend (3454 zu 1451), während Nötigung und Bedrohung an die Rechten fällt (515 zu 212).

Neben den schon erwähnten Propagandadelikten liegen Rechte auch bei Volksverhetzung in Führung (4159 zu 1951), was angesichts der Verwendung verbotener Symbole auch kaum verwunderlich ist. Auch der rechte Vorsprung bei der Störung der Totenruhe (10 zu 7) ist beispielsweise durch die Versuche des „Heldengedenkens“ auf deutschen Soldatenfriedhöfen leicht erklärbar.
Dass die Rechtsextremen bei Verstößen gegen das Versammlungsgesetz so im Hintertreffen liegen (nur 711 gegen 2163 von links) hätte man wiederum nicht erwartet, denn eigentlich gewinnt man durch die Berichterstattung den Eindruck, dass mehr rechtsextreme Demonstrationen untersagt werden, als linksextreme. So kann man sich irren.

Wenigstens bei der Bewaffnung stimmen die Vorurteile wieder:  Hier führt Rechts mit 30 zu 11.

Und das Fazit? Rechnet man die Propagandadelikte heraus, geht vielleicht eine große aber nicht die größte Gefahr von den Rechtsextremisten aus. Vielleicht sollte man, damit es auch alle Berichterstatter begreifen, eine gesonderte PMK-Statistik ohne die Propagandadelikte, die wegen der verbotenen Kennzeichen fast nur von Rechtsextremen begangen werden können, ausweisen.
Bei der Ausländerkriminalität geht die Statistik bereits einen vergleichbaren Weg: Damit kein verzerrtes Bild entsteht, gibt es eine Zusammenfassung, in der die Verstöße gegen das Ausländer- und Aufenthaltsrecht unberücksichtigt bleiben, die Inländer gar nicht begehen können.

Auch diese bereinigten Zahlen des Jahres 2015 sind interessant: Nach der Kriminalstatistik gab es knapp 1,5 Millionen deutsche Tatverdächtige und mehr als eine halbe Million nichtdeutsche Tatverdächtige, wobei jeder, der einen deutschen Pass besitzt, als deutscher Tatverdächtiger zählt, auch wenn er eine zweite Staatsbürgerschaft oder einen Migrationshintergrund hat. Der nichtdeutsche Anteil ist unter Tatverdächtigen also erheblich höher als in der Gesamtbevölkerung. Außerdem ist im Verlauf eines Jahres die Zahl deutscher Tatverdächtiger um  4,9 Prozent gesunken, während die der nichtdeutschen um 12,8 Prozent gestiegen ist.

Die Zahl der „Zuwanderer“ - amtliche Definition: Zuwanderer im Sinne dieser Darstellung sind tatverdächtige Personen mit Aufenthaltsstatus „Asylbewerber“, „Duldung“, Kontingentflüchtling/Bürgerkriegsflüchtling“ und „unerlaubt“ - unter den Tatverdächtigen des Jahres 2015 lag übrigens bei 114238, gegenüber dem Vorjahr war dies ein Anstieg um 90,7 Prozent.

Das hat aber natürlich gar nichts mit der unkontrollierten Millioneneinwanderung des letzten Jahres zu tun. Auf die deutsche „Willkommenskultur“ lassen wir nichts kommen und außerdem geht die größte Gefahr von den Rechtsextremen aus. Hat auch unser Innenminister gesagt.

Vielleicht sollten wir uns die Zahlen doch nicht so genau anschauen, damit wir daran nicht zu zweifeln beginnen. Der Minister hatte ja schon vor Monaten klar erkannt, dass zu viele Informationen die Bürger nur verunsichern.
Nur um Missverständnisse auszuschließen: Der Autor dieser Zeilen will mitnichten rechtsextreme Umtriebe und Gewalt verharmlosen, sondern stört sich lediglich an der Verharmlosung anderer Arten von Extremismus und Gewaltkriminalität.
Zuerst erschienen auf Sichtplatz.de hier

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.