"Innerhalb des Tages fehlt durchschnittlich fast überall die
Aufrechterhaltung einer Lebensordnung, die dem für alles höhere Leben so
wichtigen inneren Akte der Sammlung, die weiter der Erhebung der Seele
zu Gott in Anbetung, Meditation, die der Erholung und dem höheren
Lebensgenuß genügend Spielraum ließe. (...) Man wußte nicht, wie man
sonst die Zeit füllen sollte, darum arbeitete man weiter (...) darum will man arbeiten und rechnet sich einen traditionell gewordenen Mangel noch zur Tugend an." (Max Scheler über die Deutschen)
Wie gesagt, diese Ausführungen wurden exakt vor 100 Jahren zu Papier
gebracht. Gleichwohl – bzw. gerade deshalb – werfen sie ein erhellendes
Lichtlein auf die Gegenwart, in dessen schönem Schein wir immerhin
konstatieren dürfen, dass das verstrichene Säkulum nach einigem Hängen
und Würgen das beschriebene Problem einer Lösung zugeführt hat. Die
Deutschen sollen ruhig weiterarbeiten wie bisher, gern auch, da sie
schon etwas lendenlahm geworden sind, bis sie 67, 70, 75 Jahre zählen –
nur eben nicht mehr primär für sich selbst! Mag auch der Scheich im
Emirat sein weises Haupt schütteln, wenn man ihm erzählt (wie es ein mit
mir befreundeter Geschäftsmann tat), dass in Deutschland die
Einheimischen für die Fremden arbeiteten und nicht, wie in der
arabischen Welt, die Fremden für die Einheimischen – für Deutschland
möge dies die Zukunft der Sühne und überhaupt sein!
Wechseln
wir beim Stichwort "Sühne" nochmals die Perspektive und kehren wir in
die Gegenwart zurück. "Die fast völlige Wehrlosigkeit Deutschlands
angesichts des Migrantenansturms hat ohne Zweifel mit der Besessenheit
des Landes von den berüchtigten 'zwölf Jahren' seiner Vergangenheit zu
tun. Je weiter diese zurückliegen, desto mehr verwandeln sich die
nationalen Debatten in Gespensterkämpfe, in denen die Kontrahenten sich
gegenseitig auf Zeichen und Omen – das imaginäre Schnauzbärtchen – hin
belauern, die den alten Nazidämon verraten könnten", notiert der
Philosoph Marc Jongen, seit der Bekanntgabe seiner AfD-Mitgliedschaft
gleichwermaßen freigegeben zum Selberdenken wie zum Angepöbeltwerden, in
einem Essay in der Zürcher Weltwoche.
"Es ist diese Kontaminierung mit dem strahlenden psychopolitischen
Material der Vergangenheit, die die deutsche 'Willkommenskultur' im
Kern vergiftet, die für die quasireligiöse Inbrunst ihrer Anhänger wie
für den tiefen Argwohn ihrer Gegner sorgt. Das Merkmal der 'reinen
Gabe', die 'selbstlose' oder doch mindestens freiwillige Generosität,
die jeder echten Willkommensgeste eigen ist, geht dem zivilreligiösen
Willkommenskult weitestgehend ab. Zu offenkundig dient er der
nationalen Selbsttherapie einschliesslich der bevormundenden
Umerziehung der Verstockten im eigenen Volk. Ironischerweise werden die
Deutschen ausgerechnet in dem Versuch, sich von den Sünden der
Vergangenheit durch die 'gute Tat' schrankenloser Aufnahme von Fremden
reinzuwaschen, von Verhaltensmustern der eigenen schlechten
Vergangenheit eingeholt. Der 'moralische Imperialismus', der Deutschland
von den osteuropäischen Nachbarn ob seiner versuchten
Willkommensdiktatur zum Vorwurf gemacht wird, ist nichts anderes als die
alte deutsche Grossmannssucht und Überheblichkeit, nur diesmal unter
dem Banner des 'Guten'." MK am 16. 5. 2016
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