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Dienstag, 31. Mai 2016

Eine geht noch!


Beim Thema Glyphosat werfen die Grünen in schöner Eintracht mit den Umweltaktivisten von Greenpeace, BUND und Co. jeglichen Anschein von wissenschaftsbasierter Politik (und Vernunft) über Bord.

Da werden dubiose „Institute“ beauftragt, in anekdotenhaft winzigen Stichproben von emotional besonders aufgeladenen Produkten wie Bier oder Brot gefälligst Spuren des Pflanzenschutzmittels zu finden. Bei der Muttermilch griff man kurzerhand zu einer Nachweismethode, die für Emulsionen wie Milch ziemlich ungeeignet ist – und wurde trotzdem fündig; und das bei Konzentrationen, die um rund das 200-Fache unterhalb der Nachweisgrenze der Methode liegen. Wunder geschehen eben immer wieder – auch wenn man notfalls etwas nachhelfen muss.
Dass das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) daraufhin mühsam eine geeignete Nachweismethode entwickelt, eine seriöse Studie durchführt und wenig überraschend kein wasserlösliches Glyphosat in fettiger Muttermilch gefunden hat, interessiert mehr als ein halbes Jahr nach der hysterischen Schlagzeile niemanden mehr. Als trotz aller pseudowissenschaftlicher Studienkampagnen das Teufelszeug noch immer nicht verboten wurde, ließen einige Grüne es sich nicht einmal nehmen, ihr Pipi darauf untersuchen zu lassen und die Ergebnisse triumphierend per Twitter zu verbreiten.

Bei so viel Mut zu öffentlich zelebrierter Ignoranz und Peinlichkeit stellt sich die Frage: Warum machen die das eigentlich? Für den Umweltschutz? Wohl kaum, denn ein Glyphosatverbot dürfte der Umwelt eher schaden: Laut einer Umfrage der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft unter Landwirten im Winter 2011/12 entfielen zwei Drittel der Glyphosat-Anwendungen in Deutschland auf Stoppelfelder. Denn die Vertilgung von Pflanzen nach der Ernte ermöglicht es den Bauern, auf das Pflügen ihres Ackers zu verzichten. Das spart nicht nur Kosten, sondern auch eine Menge Diesel und damit CO2-Emissionen. Verzicht auf die mechanische Bodenbearbeitung schützt außerdem den Boden vor Erosion durch Wind und Wetter und vor dem Verlust von Nährstoffen und wichtigen Bodenorganismen. Die existierenden Alternativen zum Glyphosat, Pflug oder eine Mischung deutlich giftigerer Herbizide, sind umweltschädlicher als das Mittel selbst. 
Für die Biodiversität? Die ist ein schönes Ziel, allerdings nicht auf dem Acker, da will auch der Bio-Bauer keine Diversität, sondern möglichst viele Feldfrüchte und möglichst wenig „Ackerbegleitflora“. Schließlich will er Weizen ernten und nicht Ackerfuchsschwanz. Ein effektiver Einsatz von Herbiziden steigert den Ertrag. Je höher der Ertrag, desto weniger Fläche wird für den Ackerbau benötigt und desto mehr Fläche kann aus der Kultur genommen werden, um als Blühstreifen, Wald oder ungenutztes Grünland der geschätzten Biodiversität zu dienen.
Für den Verbraucher? Auch das ist zweifelhaft, wenn man bedenkt, dass die Unkrautbekämpfung auch der Gesundheit dient. So enthält Bilsenkraut, das sich gern mal in Getreidefeldern ausbreitet, giftige Tropan-Alkaloide. Es dürfte kein Zufall sein, dass gerade die Produkte von Bio-Anbietern immer wieder mit diesen Giften belasten sind.

Aber ein kleiner Trip für die lieben Kleinen durch Rauschmittel in der Babynahrung ist ja wohl allemal besser als Krebsstoffe in Muttermilch (oder zumindest -pipi).

Mal ganz davon abgesehen, dass die Einschätzung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ durch die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) ziemlich umstritten ist und selbst der Hauptautor einer der Studien, auf die sich das IARC als Beleg für die Einschätzung beruft, die daraus gezogene Schlussfolgerung als "völlig falsch" bezeichnet, gilt auch beim Glyphosat der alte Grundsatz, dass die Dosis das Gift macht.

Für die Bewertung des grundsätzlichen Krebspotenzials durch die IARC spielte das keine Rolle. Entsprechend berücksichtige die WHO-Behörde laut BfR auch Tierstudien, in denen Ratten das 2920-Fache der zulässigen Tagesdosis (ADI) gegeben und damit sogar die empfohlene tägliche Limit-Dosis für Krebsstudien überschritten wurde. Das ist Krebsforschung mit dem Holzhammer. Wie wenig das am Ende mit dem tatsächlichen Risiko zu tun hat, zeigt die Tatsache, dass Stoffe, die von der IARC als krebserregend eingestuft werden, keinesfalls automatisch verboten werden. In diese Kategorie fällt zum Beispiel Alkohol, von dem im Bier gemeinhin deutlich mehr enthalten ist als Glyphosat. Für die tatsächliche Risikobewertung sind Behörden wie das BfR zuständig, und die kommen überall auf der Welt zu dem Ergebnis, dass von Glyphosat bei sachgerechter Anwendung kein Krebsrisiko ausgeht.

Es bleibt also die Frage, die am Anfang jeder guten Verschwörungstheorie steht: Cui bono? Wer profitiert davon? Wem könnte am Glyphosat-Verbot gelegen sein? Die Bio-Landwirtschaft, gut, aber das ist zu langweilig und naheliegend. Es schleicht sich vielmehr ein schrecklicher Verdacht ein: Könnten die Grünen womöglich heimlich für den Teufel selbst, für Monsanto, den Hersteller des glyphosathaltigen „Round Up“, arbeiten?
Das mag absurd klingen, aber wenn man darüber nachdenkt: Glyphosat ist seit 40 Jahren auf dem Markt, der Patentschutz von Monsanto ist längst abgelaufen. 40 Prozent des weltweit gehandelten Pflanzenschutzmittels werden mittlerweile von chinesischen Firmen produziert. Den Rest des Markts teilt sich Monsanto mit anderen Firmen wie Syngenta, DuPont oder Dow AgroSciences. 2010 hat Monsanto den Preis für seine Glyphosat-Produkte um 50 Prozent senken müssen. Eine „Cash-Cow“ ist das Mittel schon lange nicht mehr. Gleichzeitig machen seine einzigartigen Eigenschaften (geringe Toxizität, geringe Mobilität, schneller Abbau, hohe Effektivität etc.) das Mittel so attraktiv für die Landwirtschaft, dass es nahezu unmöglich ist, zeitaufwendig und teuer entwickelte Alternativen auf den Markt zu bringen. Dem Julius-Kühn-Institut für Kulturpflanzenforschung (JKI) zufolge wurde in den vergangenen 30 Jahren kein neuer Wirkmechanismus bei Herbiziden entwickelt.

Doch der geübte Verschwörungstheoretiker fragt sich: Ist das wirklich so? Oder liegen die Formeln für neue Pflanzenschutzmittel lediglich gut verschlossen in den Schubladen der Monsanto-Bosse – so wie seit Jahrzehnten bekanntlich die Pläne für das 3-Liter-Auto in den Giftschränken von VW, Mercedes und Co.?

Ist es am Ende also womöglich Monsanto, das sich bei der ganzen Debatte auffällig zurückgehalten hat, das von einem Glyphosat-Verbot profitiert, weil sich dadurch endlich die Chance eröffnen würde, neue patentgeschützte Herbizide auf den Markt zu bringen? Sind Greenpeace und Konsorten die ideologisch-getarnte Stoßtruppe des Monsanto-Marketings, die Kampfeinheiten einer False-Flag-Operation des teuflischsten Konzerns der Welt? Und wie ist eigentlich der plötzliche Meinungsumschwung der SPD zu erklären? Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel macht sich auf einmal Sorgen über mögliche Risiken eines nach Ansicht der zuständigen Behörden risikoarmen Pflanzenschutzmittels, und einen Tag später kündigt der deutsche Chemiekonzern Bayer an, Monsanto übernehmen zu wollen. Kann das wirklich Zufall sein?

Johannes Kaufmann (Jahrgang 1981) arbeitet als Wissenschaftsredakteur bei der Braunschweiger Zeitung. Neben Wissenschaftsthemen von der Grünen Gentechnik über die Infektionsforschung bis zur Lebensmittelsicherheit beschäftigt er sich vor allem mit der Geschichte der israelischen Armee.

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