In der AfD ist eine Diskussion darüber entbrannt, ob und wie schnell
ein Treffen zwischen Frauke Petry und Marine Le Pen wünschenswert ist.
Die Pro-Argumente sind schnell aufgezählt: Beide Parteien bekämpfen den
europäischen Superstaat, beide Parteien wollen ein Europa der
Vaterländer und fürchten Überfremdung und europäischen
Identitätsverlust. Insoweit spricht nichts dagegen, auf europäischer
Ebene aktiv bei der Bekämpfung der kultur- und raumfremden
Masseneinwanderung zusammenzuarbeiten.
Beide Parteien haben aber auch ein innenpolitisches Gesicht. Die AfD
ist patriotisch und liberal-konservativ, der Front National
nationalistisch, in Teilen seines Wirtschaftsprogramms sozialistisch und
bis vor kurzem auch gefühlt antisemitisch. Nun hat Marine Le Pen
letzteres inzwischen aus der Partei ausgeschieden, die antiliberalen
Züge des Front National sind aber immer noch beträchtlich. Ein Bündnis
mit dieser Partei würde spiegelbildlich auf die AfD abfärben und das
Bewußtsein ihres Andersseins in den Augen der Öffentlichkeit
beeinträchtigen.
Da die AfD gegenüber dem Front National noch klein und jung ist,
würden die Erfolge desselben eine prägende Kraft entfalten und manche
kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich verwischen.
Während die politischen und kulturellen Gemeinsamkeiten mit Österreich
es einfacher machen, die FPÖ zu verstehen und einzuordnen, ist uns der
Front National weitaus fremder, einmal sprachlich, zum anderen
historisch bedingt.
Aber es gibt noch einen weiteren Grund, Parteifreundschaften mit
Umsicht und Vorsicht zu behandeln. Zu schnell können sie in jener
Einmischungskultur enden, die die AfD mit der Rückbesinnung auf die
nationale Souveränität bekämpft. Denn gute Beziehungen sollten wir mit
Staaten haben, nicht mit einzelnen Vertretern, deren Abwahl dann die
Beziehungen insgesamt in Frage stellt. Auch hierfür gibt es in
Deutschlands diplomatischer Geschichte ein interessantes Beispiel.
Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 sah der damalige
Botschafter Harry von Arnim seine Aufgabe darin, die Royalisten in
Frankreich an die Macht zu bringen. Und wähnte sich mit dem Hof und
Bismarck eines Sinnes. Doch Bismarck ließ ihn abberufen, weil er erstens
glaubte, daß die Republikaner schwächer und für Deutschland
ungefährlicher seien und weil er zweitens grundsätzlich gegen die
Einmischung in eine fremde Innenpolitik war.
Nun mögen die Zeiten dank der immer enger werdenden Union andere sein
als im späten 19. Jahrhundert, aber gerade diese immer engere Union, in
der die Außenpolitik zur Innenpolitik verkommt, wollen wir nicht. Das
heißt aber, daß die AfD auch mit den Republikanern der
De-Gaulle-Nachfolger in Verbindung treten können muß, wie sie in Polen
nicht nur mit den jetzt Regierenden, sondern auch mit der
liberal-konservativen Bürgerunion Kontakt halten sollte.
Parteibeziehungen dürfen kein innenpolitisches Werturteil über die
französische oder die polnische Politik enthalten, sie müssen frei sein
von Urteilen über oder gar Verurteilungen von Dingen, die uns nichts
angehen.
Man mag über Erdogan denken, was man will, aber daß er sich weigert,
die türkischen Anti-Terrorgesetze im Rahmen eines außenpolitischen Deals
aufzuheben, sollte unsere Zustimmung finden, nicht weil wir die
türkischen Anti-Terrorgesetze für richtig halten, sondern weil es allein
Sache der Türkei ist, mit ihren inneren Problemen umzugehen, wie es
allein Sache der Polen ist, ihr Verfassungsgericht zusammenzusetzen.
Nur wenn wir diese Grundsätze strikt beachten und die Beziehungen zu
einer Gruppe die anderen nicht ausschließt, können auch Beziehungen zum
Front National fruchtbar sein, nicht als „special relationship“, sondern
als Teil einer innereuropäischen Diskussion. Also bitte nichts
forcieren, sondern mit Gelassenheit und Augenmaß das Ende bedenken: Was
können wir mit einer Partnerschaft erreichen, die sich nicht in die
souveränen Entscheidungen eines anderen Volkes einmischt und die keine
Ratschläge zur Ausgestaltung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft
eines anderen Landes gibt? Alexander Gauland am 10. 5. 2016
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