Stationen

Dienstag, 10. Mai 2016

Jakob der Lügner


Keine Ideologie ohne die Lüge, die der Ideologe selbst glaubt – weil er es will. Mithin also auch kein Jakob Augstein ohne Verzerrung der Wahrheit. In seiner neuen Kolumne über den neuen Londoner Bürgermeister Sadiq Khan schreibt er (Auslassungszeichen im Original):
»Muslimfeindlichkeit ist Deutschlands neuer Antisemitismus. Dieses Denken ist menschenverachtend. Aber weit verbreitet. Die Soziologin Necla Kelek hat lange vor Jan Böhmermanns Ziegenficker-Gedicht im ZDF über Muslime gesagt: „Die Menschen haben nicht die Fähigkeit, ihre Sexualität zu kontrollieren, und besonders der Mann nicht. Der ist ständig (...) herausgefordert und muss auch der Sexualität nachgehen (...) – und wenn er keine Frau findet, dann eben ein Tier...“ Dumm und dauergeil, so ist er, der Muslim. In einer Abwandlung eines Adorno-Worts lässt sich sagen: Die Islamfeindlichkeit ist das Gerücht über den Muslim.«

Tatsächlich hat Augstein hierbei doppelt geschwindelt. Erstens beschreibt Necla Kelek nicht ihre eigene Position, sondern gibt ausdrücklich das – ihrer Ansicht nach – weit verbreitete und von ihr stets kritisierte islamische Menschenbild wieder. Zweitens handelt es sich bei diesem Bild durchaus nicht um eines "über Muslime“. Kelek erklärte vielmehr, dass die islamische Sicht der Dinge alle Menschen als derart sexualgestört imaginiere.

Hier Keleks Zitat mit dem einleitenden, von Augstein nicht zufällig unterschlagenen Satz (der etwas holprig daher kommt, weil er nicht niedergeschrieben, sondern gesprochen war):
„Ich sehe nach diesem Menschenbild, von dem ich vorhin gesprochen habe, was der Islam übrigens auch vorgibt, in der Erziehung, da gibt es ein Menschenbild, das konstruiert ist. Die Menschen haben nicht die Fähigkeit, ihre Sexualität zu kontrollieren, und besonders der Mann nicht. Der ist ständig eigentlich herausgefordert und muss auch der Sexualität nachgehen. Er muss sich entleeren, heisst es, und wenn er keine Frau findet, dann eben ein Tier.“

Dass dies eine Fremdbeschreibung darstellt und nicht Keleks eigene Meinung, geht unzweideutig auch aus ihren – wiederum nicht zufällig bei Augstein ausgelassenen – Worten „heisst es“ hervor.
Unabhängig davon, ob man Necla Kelek im Detail zustimmt, muss also festgestellt werden, dass Augstein ein verleumderischer Vollhonk ist. Nun ist nicht er das Problem, sondern die Zigtausende seiner Leser, die derartige Lügen schlucken. Weil sie es wollen.

Sadiq Khan indessen, der vor 15 Jahren mehr als fragwürdige Kontakte zu muslimischen Antisemiten pflegte, agiert in jüngster Zeit womöglich reflektierter als sein Fürsprecher Augstein; immerhin kritisierte er nicht nur den rabiaten Antisemitismus in den Reihen seiner Labour Party, sondern vollzog auch Amtshandlungen, die sowohl Thilo Sarrazin als auch Jakob Augstein verblüffen müssten.
Hier in Tel Aviv beobachtete ich gestern übrigens eine Israelin, die einen deutschen Schäferhund recht grob behandelte. Erzählen Sie das bitte bloß nicht Jakob Augstein, sonst posaunt er wieder einmal in die Welt hinaus, wie sehr die Juden, pardon, die Israelis, die Welt und insbesondere die anständigen Deutschen unterdrücken.
Tilman Tarach, Jurist und Autor, hat u.a. das Buch „Israel, der ewige Sündenbock“ geschrieben. Er lebt in Berlin und Zürich.

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