Sulik ist Vorsitzender der slowakischen Oppositionspartei "Freiheit und Solidarität". Er sagte, die Regierung seines Landes sei über das Ziel hinausgeschossen mit der Ankündigung, keine muslimischen Flüchtlinge mehr ins Land zu lassen. Seine Partei sei ganz allgemein gegen Migranten - egal, ob Muslime oder nicht.
Nach der Silvesternacht in Köln mit den gewaltsamen Übergriffen auf Frauen sei abzusehen, was passiere. Warum, so Sulik, solle sich die Slowakei die gleichen Probleme ins Land holen? Das Motto des Parteinamens, "Freiheit und Solidarität", gelte für die slowakischen Bürger und nicht für die ganze Welt.
Es sei aber denkbar, den Flüchtlingen in den Lagern in der Türkei oder im Libanon zu helfen. Auch sei die slowakische Regierung dazu bereit, sich an den drei Milliarden Euro der EU an die Türkei zu beteiligen.
Grundsätzlich zeigte sich Sulik indes kritisch gegenüber der EU und betonte, etwa der Strukturfonds habe viel Korruption ins Land gebracht. Ohne den "Brüssler Tropf" wäre die Slowakei auch nicht viel ärmer.
Das vollständige Interview:
Martin Zagatta:
Trotz der Kritik aus den eigenen Reihen, trotz der Kritik aus der CSU
und obwohl nun auch Österreich abrückt und eine Obergrenze für
Flüchtlinge einführen will, gibt sich Angela Merkel zuversichtlich. Sie
setzt nach wie vor auf eine europäische Lösung und hofft auf den
EU-Gipfel im nächsten Monat. Ob das mehr als Zweckoptimismus ist, das
kann ich jetzt den slowakischen Politiker Richard Sulik fragen. Er ist
Europaabgeordneter, war Parlamentspräsident in der Slowakei und ist
Vorsitzender der slowakischen Oppositionspartei mit Namen "Freiheit und
Solidarität", die im Europaparlament eine Fraktion mit der AfD bildet.
Er spricht ausgezeichnet Deutsch, weil er als Kind mit seinen Eltern aus
der damaligen Tschechoslowakei nach Deutschland gekommen ist und hier
lange gelebt hat, und mit Richard Sulik sind wir jetzt in der Slowakei
auch verbunden. Guten Morgen, Herr Sulik!Richard Sulik: Schönen guten Morgen!
Zagatta: Herr Sulik, Ihr Land, die Slowakei, hält die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel für völlig falsch. Sehen Sie denn wenigstens den Funken einer Hoffnung, dass es da in der EU noch eine Einigung geben kann?
Sulik: Nein, ich fürchte, es wird keine Einigung, keine vernünftige Einigung geben, weil wenn das möglich wäre, dann hätten die sich schon im Dezember am EU-Gipfel geeinigt.
Zagatta: Zur Erklärung muss man sagen, die slowakische Regierung, die sozialdemokratische Regierung Ihres Landes, die hat gerade beschlossen, keine muslimischen Flüchtlinge ins Land zu lassen - da dürfte auch aus deutscher Sicht jede Verständigung schwerfallen. Warum nimmt die Slowakei eine so extreme Position ein?
Sulik: Schauen Sie, wir haben hier in sechs Wochen Parlamentswahlen, und die Linksregierung, die sozialistische Linksregierung, die an der Macht ist, die ist recht populistisch. Das mit den Muslimen, das war schon ein bisschen über das Ziel geschossen.
Zagatta: Das heißt, Sie - Ihre Partei wird ja rechts eingeordnet, viele vergleichen Sie sogar ein bisschen mit der AfD in Deutschland -, Sie halten das für übertrieben, Sie würden Muslime aufnehmen?
Sulik: Nein, wir sind gegen Migranten. Mir ist das egal, ob das Muslime oder Nicht-Muslime sind. Wir sind gegen Migranten aus verschiedenen Gründen, und da muss man nicht zwischen Muslimen unterteilen.
Zagatta: Herr Sulik, ich will Ihnen gar nicht zu nahe treten oder persönlich werden, aber Ihre Familie ist in den 80er-Jahren, wenn ich recht informiert bin, auch nach Deutschland geflohen oder gekommen aus einem Land, in dem es sogar keinen Bombenkrieg gab. Habe ich Sie da recht verstanden, Sie würden solchen Menschen, Sie würden Ihrer eigenen Familie da jetzt die Einreise verweigern?
Sulik: Schauen Sie, wir waren erstens politische Flüchtlinge, zweitens, Deutschland hat mit meiner Familie einen Zahnarzt bekommen, eine Rechtsanwältin, drei Kinder, und das ist doch schon was anderes, wenn jetzt...
Zagatta: Es kommen auch viele syrische Zahnärzte, sehr viele gut ausgebildete Menschen. Denen wollen Sie diese Chance gar nicht geben?
Sulik: Bitte, was?
Zagatta: Es kommen auch syrische Zahnärzte nach Deutschland als Flüchtlinge.
Sulik: Fünf oder zehn? Ein Prozent oder ein halbes Prozent. Mehr als 90 Prozent der ankommenden Migranten sind für den deutschen Arbeitsmarkt nicht zu gebrauchen. Das ist eine Aussage der Arbeitsministerin Frau Nahles. Mehr als 90 Prozent.
Zagatta: War das bei Ihnen so klar, dass Sie eine solche Karriere machen, dass Sie für den deutschen Arbeitsmarkt dann auch tauglich gewesen wären oder waren?
Sulik: Ja, natürlich.
Zagatta: Das war abzusehen. Wieso lassen Sie dann keine Migranten rein, die zumindest qualifizierter sind?
Sulik: Ich verstehe nicht ganz Ihre Frage. Schauen Sie doch bitte, was in der Silvesternacht in Köln passiert ist. Warum, glauben Sie, möchte sich die Slowakei dieselben Probleme einhandeln, wenn abzusehen ist, was passieren wird?
Zagatta: Das heißt, die Slowakei, die wird auf alle Fälle, davon gehen Sie aus, bei dieser Linie bleiben? Ihre Partei heißt "Freiheit und Solidarität" - für was steht da Solidarität?
Sulik: Die Wähler, die nicht gewählt haben, und Freiheit übrigens genauso. Wir sind nicht dafür da, Freiheit für die ganze Welt zu garantieren und auch nicht Solidarität. Wir sind dafür da, Freiheit und Solidarität für die slowakischen Bürger zu garantieren und zu gewähren.
Zagatta: Herr Sulik, Sie wollen keine Flüchtlinge aufnehmen, das haben Sie jetzt klar gemacht, das ist eine Sache, aber wie kann man es denn rechtfertigen, auch keine humanitäre Hilfe zu leisten? Das lehnt die Slowakei, wenn ich das recht verstanden habe oder recht gelesen habe, auch prinzipiell ab.
Sulik: Nein, nein. Das ist schon richtig mit der humanitären Hilfe. Aber, man muss das leisten, was man leisten kann, man muss nicht alle Leute zu sich nach Hause einladen. Wenn Sie einem Obdachlosen helfen wollen, dann kaufen Sie ihm eine Suppe oder eine warme Kleidung, aber Sie nehmen ihn nicht zu sich nach Hause auf. Man kann doch durchaus in den Flüchtlingscamps in der Türkei, im Libanon und in Syrien direkt investieren, dort kann man doch Hilfe leisten.
Zagatta: Aber jetzt habe ich gelesen, die Slowakei zahlt keinen einzigen Cent beispielsweise an das Welternährungsprogramm. Meine Frage: Berlin will ja, dass die EU-Staaten Geld bereitstellen für Flüchtlingslager, dort, wo Sie sagen jetzt, im Libanon, in Jordanien, damit diese Flüchtlinge erst gar nicht in die EU kommen. Wird sich die Slowakei da an Finanzhilfen beteiligen, sollte sie sich beteiligen?
Sulik: Ja, die slowakische Regierung hat sich bereit erklärt, an diesen drei Milliarden für die Türkei mit teilzunehmen, und sie werden da unseren Anteil bezahlen im Gegensatz zum Beispiel zu Italien, das es ablehnt, aber zweitens, der EU-Haushalt ist ja recht groß - 140 Milliarden Euro pro Jahr -, wir müssen nur nicht diese ganzen windlosen Sachen zahlen, diese Strukturfonds, diese landwirtschaftlichen Notationen. Die haben doch Geld genug.
Zagatta: Von denen die Slowakei aber gewaltig profitiert.
Sulik: Von den Strukturfonds?
Zagatta: Ja.
Sulik: Wissen Sie was, diese Strukturfonds haben so viel Korruption in unser Land gebracht, so viel Deformation der Unternehmenslandschaft – also soll die EU ruhig diese Strukturfonds behalten.
Zagatta: Also Sie könnten auf diese 15 Milliarden - so habe ich gelesen, sollen das in den nächsten Jahren sein - für Straßenbau und Verkehrsprojekte aus Ihrer Sicht durchaus verzichten, und vielleicht auch für eine bessere Telefonleitung, da würden wir uns besser verstehen.
Sulik: Moment - ja, das tut mir leid. 15 Milliarden, ich weiß nicht, in sieben Jahren. In derselben Zeit zahlt die Slowakei sieben Milliarden in die EU, also das ist nicht 15 zu Null, sondern 15 zu sieben.
Zagatta: Macht immer noch acht.
Sulik: Ja, Moment. Aber dann müssen Sie noch abrechnen. Wir sind nicht in der Lage alles zu schöpfen, da bleibt immer ein Betrag, den wir nicht geschöpft haben. Unheimlich viel Korruption, unheimlich viel Deformation, also das ist so eins-zu-eins. Im Endeffekt ist es eins-zu-eins. Die Slowakei wäre nicht viel ärmer, aber wir wären nicht von diesem Brüsseler Topf abhängig.
Zagatta: Das könnte sich die Slowakei also leisten, auf diese Hilfen zu verzichten?
Sulik: Ja, was glauben Sie, was war vor zehn oder zwanzig oder dreißig Jahren?
Zagatta: Na gut, aber da hat sich ja einiges getan oder man will ja einiges verbessern. Wenn Sie sagen, das sei so egal, dann nehme ich an, sind Sie von Forderungen, Staaten wie der Slowakei, die sich der Aufnahme von Flüchtlingen widersetzen, die EU-Hilfsgelder zu streichen. Dann können Sie sich darüber gar nicht beschweren, das wäre dann für Sie akzeptabel, ja?
Sulik: Moment, wissen Sie, das ist so. Ich sage nicht, das ist egal, dass wir diese Gelder überhaupt nicht wollen. Ich sage nur, wenn diese Gelder als Erpressungsmittel dienen sollen, dann bin ich dafür, dass die Slowakei sich nicht damit unter Druck setzen lässt. Das ist das eine, und das zweite, ich bin dafür, dass diese Gelder europaweit gestrichen werden. Da wären auch die meisten Deutschen dafür. Deutschland bezahlt doch, ich weiß nicht, zehn oder 15 oder 20 Milliarden pro Jahr.
Zagatta: Das würde aber das Zusammenwachsen - also Sie sprechen jetzt von Korruption in Ihrem Land -, das würde das Zusammenwachsen von Europa wahrscheinlich gewaltig behindern. Wie sehen Sie das ...
Sulik: Das ist doch dieses Brüsseler Blabla. Man braucht nicht Geld, um zusammenzuwachsen. Der gemeinsame Markt ist wichtig. Der kostet nicht in erster Linie Geld, da muss man nur die Einigungen machen.
Zagatta: Der gemeinsame Markt ist wichtig, wenn Sie uns da zustimmen oder dem Brüsseler Blabla zustimmen. Was ist denn, wenn Schengen scheitert, das ist ja im Moment die große Befürchtung, dass dann auch der Binnenmarkt leidet, das bringt doch auch große Nachteile dann für die Slowakei. Würden Sie das in Kauf nehmen?
Sulik: Schengen und Binnenmarkt ist ja nicht das gleiche.
Zagatta: Aber das wäre der Anfang, sagt der EU-Kommissionspräsident Juncker.
Sulik: Nein, das glaube ich nicht. Ich weiß nicht, wo er das her hat, aber das glaube ich nicht. Stellen Sie sich die Situation vor 20 oder 30 Jahren vor, da hat es bereits Binnenmarkt gegeben, und der war gar nicht mal so schlecht, aber es gab noch kein Schengen. Das hängt nicht direkt zusammen. Es ist schon gut, wenn es Schengen gibt, aber die Situation heute ist doch so, dass teilweise Schengen außer Kraft gesetzt wurde: Schweden, Dänemark, Österreich, Italien - diese Länder, die sind sowieso nicht mehr richtig im Schengen-Raum, weil die diese Grenzkontrollen durchführen. Das wird so weitergehen.
Zagatta: Glauben Sie, dass es so weitergehen wird? Frau Merkel hofft immer noch auf eine europäische Lösung. Wenn wir zum Anfang unseres Gespräches da zum Ausgangspunkt zurückkommen, beim EU-Gipfel nächsten Monat, dann macht sie uns da was vor oder gibt es noch einen Funken Hoffnung irgendwie aus Ihrer Sicht?
Sulik: Das klingt so wie "Prinzip Hoffnung" von diesem deutschen Philosophen, von Bloch, aber so kann man nicht Politik machen. Frau Merkel hat auch gehofft, dass die Flüchtlingszahlen runtergehen, dass es im Winter nicht kalt wird und was weiß ich was alles. So kann man keine Politik machen. Die EU ist in dieser Situation völlig handlungsunfähig, das sieht man ganz offen, alle sehen das, außer Frau Merkel, und es wird uns nichts anderes übrig bleiben, wie in den nächsten zwei Monaten die Grenzen zu schließen. Es muss nicht direkt die deutsch-österreichische Grenze sein, es kann auch die österreich-slowenische Grenze sein oder die slowenisch-kroatische - irgendwo auf dem Balkan, auf der Balkanroute wird die Grenze geschlossen werden müssen, und zwar jetzt, bevor die Flüchtlingszahlen wieder so stark ansteigen.
Zagatta: Das fordern Sie oder davon sind Sie überzeugt?
Sulik: Beides.
Zagatta: Was bedeutet das, wenn die Slowakei jetzt – ich glaube, im nächsten Juli - die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt? Gibt es da dann nicht riesige Probleme mit der deutschen Bundesregierung?
Sulik: Nein, das glaube ich nicht. Diese Ratspräsidentschaft, das ist mehr so eine Marketingaktivität, weil es gibt den Ratspräsidenten, den Donald Tusk, und den gibt es ja ständig, und der wurde eingeführt, diesen Ratspräsidenten gibt es seit einigen Jahren, und als dieser entstanden ist, hätte man die Ratspräsidentschaft der einzelnen Länder abschaffen sollen. Man hat es nicht getan, und so sind die Ratspräsidentschaften zu Marketingaktivitäten mutiert.
Zagatta: Der slowakische EU-Politiker und - das ist durchzuhören - EU-Kritiker Richard Sulik. Herr Sulik, ich bedanke mich für das Gespräch!
Sulik: Ich auch! Schönen Tag noch!
Zagatta Ihnen auch! Deutschlandfunk am 23. 1. 2016
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