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Donnerstag, 12. Mai 2016

Die CSU sitzt am längeren Hebel

Es ist schon merkwürdig, dass es bisher nicht thematisiert wurde. In den Medien halten sich die Meinungen die Waage, ob oder ob nicht die CSU in ihrem Verhalten den Aufstieg der AfD begünstigt. Man hört allenthalben, dass Seehofer so reagiere, weil die CSU in Bayern die absolute Mehrheit verloren habe. Schaut man sich aber die tatsächlichen Zahlen an, ist es so, dass die CSU in Bayern bei der so genannten Sonntags-Frage um die 48% liegt, die AfD liegt bei mickrigen 8% im Freistaat. Vom Verlust für die CSU kann keine Rede sein, nur die CDU schwächelt.
Was bedeutet das nun für die Bundesrepublik? Bayern hat ungefähr ein Sechstel der Einwohner der Bundesrepublik. Die CDU/CSU liegt insgesamt zurzeit in Sonntagsfragen so um die 32-33%. Hätte die CSU in Bayern ein ähnlich lausiges Ergebnis wie die CDU in den übrigen 15 Bundesländern, wäre es so, dass man nur noch 28-29% hätte. Das wäre das schlechteste Ergebnis für die Union überhaupt.
Für Angela Merkels Traum, mit Grünen, die so bei 12% liegen, ab 2017 eine Koalition zu bilden, reichen die 28+12% nicht. Es scheint unwahrscheinlich, dass die CDU es sich mit der CSU verscherzt. Die Christdemokraten benötigen die Christsozialen dringender als umgekehrt. Und ohne die Christsozialen wird es keine Koalition geben, davon bin ich überzeugt.
Die CSU sitzt am längeren Hebel. Sie muss sich dem Wähler 2018 erst wieder stellen in Bayern, die CDU hingegen kann sich 2017 schon blamieren. In Bayern wird es die Wählerschaft sehr schätzen, dass die eigene, von der CDU abweichende Position ein Jahr zuvor herausgestellt worden war.
Nun könnte im Gegenzug die CDU 2018 auch im Freistaat antreten. Das ist möglich, aber sie würde ein blamables Ergebnis einfahren, das zwar eine Alleinregierung unmöglicht machen wird, aber die mutmaßlich wenigen Prozentpunkte wären eher eine so große Schande, dass die CDU davon entweder Abstand nehmen würde, in Bayern einzumarschieren oder – wenn sie es dann doch täte - ein kleiner Juniorpartner wäre. Weitere Koalitionspartner bräuchte man wohl nicht.
Ganz anders im Bund, dort wird man mindestens einen Partner benötigen, wenn CDU und CSU nach der Wahl dann wieder regieren wollen. Die CDU wäre dann aber bei Konkurrenz durch die CSU eher so bei 25%, die Christsozialen mutmaßlich bei um die 12%, schließlich nähme man dann der AfD wieder Stimmen ab. 35-40% reichen aber nicht, wer wollte dann mitregieren bei einem verkrachten Ehepaar? Merkel hat also Anlass nachzugeben. Anders als 1976 wird die CSU nicht scheuen, durchzuziehen. 1976 hatte Helmut Kohl beinahe 49% bei der Bundestagswahl eingefahren, Merkel liegt ohne Seehofer bei kümmerlichen 28-29%.   Hans-Martin Esser

Ich sehe nur ein Problem für Seehofer: seine Gesundheit. Vielleicht erholt er sich ja wieder. Aber er sieht seit Monaten - im Gegensatz zur dickfelligen, unverwüstlichen Merkel - angegriffen, krank und gealtert aus. Der Druck ist im Moment fast nicht auszuhalten. Nicht so sehr der, den andere auf ihn ausüben, als viel mehr der, der durch sein eigenes sehr gewissenhaftes Abwägen und vorsichtiges Procedere entstanden ist. Von den alten Politikern ist er der einzige, der sich im Klaren darüber ist, was auf dem Spiel steht, der einzige, der begriffen hat, dass, so oder so, dramatische Ereignisse auf uns zu kommen werden und dass es kein zurück zu vor Merkels Pfuscherei geben kann. Ich hatte schon vor einem halben Jahr das Gefühl, er spüre eine Verantwortung auf sich zukommen, die er annehmen muss, aber liebend gerne meiden würde. Er weiß, dass er einst für einen Schlamassel verantwortlich gemacht werden könnte, den zu vermeiden er sich, sorgfältig wann und wie abwägend, gerade anschickt.

Vielleicht wird er wieder vitaler, wenn die Dinge erst mal ins Rollen gekommen sind. Aber die Gefahr, dass sich 2017 eine völlig unregierbare Lage ergeben wird, ist groß. Und er weiß, glaube ich, auch das.

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