Es ist schon merkwürdig, dass es bisher nicht thematisiert wurde. In
den Medien halten sich die Meinungen die Waage, ob oder ob nicht die CSU
in ihrem Verhalten den Aufstieg der AfD begünstigt. Man hört
allenthalben, dass Seehofer so reagiere, weil die CSU in Bayern die
absolute Mehrheit verloren habe. Schaut man sich aber die tatsächlichen
Zahlen an, ist es so, dass die CSU in Bayern bei der so genannten
Sonntags-Frage um die 48% liegt, die AfD liegt bei mickrigen 8% im
Freistaat. Vom Verlust für die CSU kann keine Rede sein, nur die CDU
schwächelt.
Was bedeutet das nun für die Bundesrepublik? Bayern hat ungefähr ein
Sechstel der Einwohner der Bundesrepublik. Die CDU/CSU liegt insgesamt
zurzeit in Sonntagsfragen so um die 32-33%. Hätte die CSU in Bayern ein
ähnlich lausiges Ergebnis wie die CDU in den übrigen 15 Bundesländern,
wäre es so, dass man nur noch 28-29% hätte. Das wäre das schlechteste
Ergebnis für die Union überhaupt.
Für Angela Merkels Traum, mit Grünen, die so bei 12% liegen, ab 2017
eine Koalition zu bilden, reichen die 28+12% nicht. Es scheint
unwahrscheinlich, dass die CDU es sich mit der CSU verscherzt. Die
Christdemokraten benötigen die Christsozialen dringender als umgekehrt.
Und ohne die Christsozialen wird es keine Koalition geben, davon bin ich
überzeugt.
Die CSU sitzt am längeren Hebel. Sie muss sich dem Wähler 2018 erst
wieder stellen in Bayern, die CDU hingegen kann sich 2017 schon
blamieren. In Bayern wird es die Wählerschaft sehr schätzen, dass die
eigene, von der CDU abweichende Position ein Jahr zuvor herausgestellt
worden war.
Nun könnte im Gegenzug die CDU 2018 auch im Freistaat antreten. Das
ist möglich, aber sie würde ein blamables Ergebnis einfahren, das zwar
eine Alleinregierung unmöglicht machen wird, aber die mutmaßlich wenigen
Prozentpunkte wären eher eine so große Schande, dass die CDU davon
entweder Abstand nehmen würde, in Bayern einzumarschieren oder – wenn
sie es dann doch täte - ein kleiner Juniorpartner wäre. Weitere
Koalitionspartner bräuchte man wohl nicht.
Ganz anders im Bund, dort wird man mindestens einen Partner
benötigen, wenn CDU und CSU nach der Wahl dann wieder regieren wollen.
Die CDU wäre dann aber bei Konkurrenz durch die CSU eher so bei 25%, die
Christsozialen mutmaßlich bei um die 12%, schließlich nähme man dann
der AfD wieder Stimmen ab. 35-40% reichen aber nicht, wer wollte dann
mitregieren bei einem verkrachten Ehepaar? Merkel hat also Anlass
nachzugeben. Anders als 1976 wird die CSU nicht scheuen, durchzuziehen.
1976 hatte Helmut Kohl beinahe 49% bei der Bundestagswahl eingefahren,
Merkel liegt ohne Seehofer bei kümmerlichen 28-29%. Hans-Martin Esser
Ich sehe nur ein Problem für Seehofer: seine Gesundheit. Vielleicht erholt er sich ja wieder. Aber er sieht seit Monaten - im Gegensatz zur dickfelligen, unverwüstlichen Merkel - angegriffen, krank und gealtert aus. Der Druck ist im Moment fast nicht auszuhalten. Nicht so sehr der, den andere auf ihn ausüben, als viel mehr der, der durch sein eigenes sehr gewissenhaftes Abwägen und vorsichtiges Procedere entstanden ist. Von den alten Politikern ist er der einzige, der sich im Klaren darüber ist, was auf dem Spiel steht, der einzige, der begriffen hat, dass, so oder so, dramatische Ereignisse auf uns zu kommen werden und dass es kein zurück zu vor Merkels Pfuscherei geben kann. Ich hatte schon vor einem halben Jahr das Gefühl, er spüre eine Verantwortung auf sich zukommen, die er annehmen muss, aber liebend gerne meiden würde. Er weiß, dass er einst für einen Schlamassel verantwortlich gemacht werden könnte, den zu vermeiden er sich, sorgfältig wann und wie abwägend, gerade anschickt.
Vielleicht wird er wieder vitaler, wenn die Dinge erst mal ins Rollen gekommen sind. Aber die Gefahr, dass sich 2017 eine völlig unregierbare Lage ergeben wird, ist groß. Und er weiß, glaube ich, auch das.
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