Stationen

Montag, 28. Mai 2018

Konsequenz (aber ohne participant observation)

Kürzlich begab sich in Berlin, der Hauptstadt der Diskurse und Utopien, Folgendes: Die Redaktion des Tagesspiegels lud zu einer Diskussion über Stadtplanung, es ging um Neubau und die Bekämpfung des Wohnungsmangels. Kleiner Einschub: am heutigen Sonntag stellte eine gewisse Angela Dorothea Merkel née Kasner bei einem öffentlichen Auftritt fest, in Deutschland würden 1,5 Millionen Wohnungen fehlen. Es trifft sich sicherlich nicht ganz zufällig, dass diese Zahl ungefähr der Menge an Migranten seit 2015 entspricht, aber das nur nebenbei. In der Hauptsache befestigt auch dieser Auftritt der seltsamen Frau aus Berlin Mitte die Vermutung, dass es sich bei ihr um eine Art Oppositionsführerin handelt, beziehungsweise, dass sie die Funktion aus dem Bundeskanzleramt heraus zusätzlich wahrnimmt, vermutlich sogar gratis. Seit dreizehn Jahren mahnt sie beispielsweise, Deutschland müsse in der Digitalisierung endlich zum Baltikum aufschließen. Sie verlangt außerdem ebenfalls seit 2005 ein Einwanderungsgesetz, mit dem die tatsächlich benötigten Fachkräfte ins Land kommen sollen. Seit etwa 2017 fordert sie eins ums andere Mal, Straftäter unter den Asylbewerbern müssten die ganze Härte des Rechtsstaats spüren und zügig ausgewiesen werden. Und jetzt: tief legt sie den Finger in die Wohnungsbauwunde.
Aber zurück zur Konferenz in Berlin, die kluge und klügste Köpfe versammelte, um dem Wunsch nach mehr Wohnungen endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Es referierte unter anderem ein in Berlin lehrender Professor Rainer Hehl. Der Tagesspiegel:
„Eine bisschen mehr brasilianische Favela, dafür deutlich weniger deutsche Bauordnung – nur eine charmante Utopie? Die Redner beim Tagesspiegel-Podium ‘Confronting the Future’ im historischen Kornversuchsspeicher am Nordhafen arbeiteten sich am Dilemma deutscher Wohnungsbauplanung ab: Während zehn Jahre lang eine Armada von Architekten, Ingenieuren und Interessenvertretern ein neues Viertel auf der grünen Wiese plant, weiß niemand, wer später mal hier einziehen wird. Klar ist nur, dass die Nachbarn des neuen Viertels in der Regel lautstark Widerstand leisten.
In den brasilianischen Favelas ist das genau umgekehrt: Die Bewohner sind längst da, haben auch schon irgendwelche Behausungen gezimmert und verhandeln anschließend mit den Behörden, wie sich ihre illegal errichtete Siedlung weiter entwickeln könnte. ‚Das ist eine starke Verhandlungsbasis’, sagt Rainer Hehl, Stadtplaner an der ETH Zürich und der TU Berlin. Hehl hat eine Zeit lang neben einer Favela in Brasilien gelebt und studiert, wie sich ‚informelle, situative’ Planungsprozesse vollziehen.“
Warum wohnte Professor Hehl in Brasilien eigentlich neben einer Favela? Wäre es für die Faktenfindung nicht besser gewesen, in medias res zu gehen? Vermutlich scheiterte das daran, dass längst Bewohner da waren. Ohne Schonlängerdortlebende wäre die Favela vermutlich ein angenehmes Studienobjekt.
Aus Hehls Ausführungen kann man entnehmen, dass er sich die wunderbare Favelakultur in Berlin vor allem für neu hereinmigrierte Stadtbewohner wünscht. Ob sie tatsächlich informell & situativ irgendwelche Behausungen zimmern, um anschließend mit dem Senat und  einer starken Verhandlungsbasis alles weitere zu beschnacken, das muss die Praxis zeigen.

Aber der Idee wohnt Konsequenz inne: Die Neuankömmlinge errichten hier wieder genau die Verhältnisse, die sie in ihrer Heimat hinter sich gelassen hatten, nur bei schlechterem Wetter und besserer Taschengeldversorgung, es sei denn, der Professor empfiehlt auch da eine Tieferlegung auf Elendsquartierniveau.
Übrigens fordert die Bundeskanzlerin auch, Fluchtursachen zu bekämpfen. Haben die Favelas in deutschen Städten erst einmal eine kritische Größe und Dichte erreicht, gibt sich die Sache mit dem Zuzug aus Afrika und Arabien vermutlich ganz von selbst.

Die Frage, warum große Teile des politischen Apparats, der Parteien, der Medienhäuser, Universitäten und Organisationen in Deutschland von habituellen Idioten durchsetzt sind, klären wir ein andermal. Aber jedenfalls noch vor der Auflösung des Rätsels, wie ein Juste milieu von alimentierten Neppern, Histrionikern und Glasperlenhändlern, das keine zehn Prozent der Bevölkerung ausmacht, den Rest des Landes ziemlich unbehelligt in den Wahnsinn treiben kann.
In der „Zeit“ der vergangenen Woche gab es ein sehr lesenswertes und anrührendes Stück von Hennig Sußebach. Der Reporter begleitete Yusif O., den mittlerweile medienlegendären Togoer von Ellwangen, auf seinem Abschiebeflug nach Italien. Zur Erinnerung, bei Yusif O., 23, Asylbewerber in der Aufnahmeeinrichtung Ellwangen, scheiterte die erste Abschiebung nach Italien – also in das europäische Land, in das er zunächst kam – an seinem Widerstand, der zweite Versuch durch die Polizei an der Drohung von etwa 50 anderen Afrikanern, die Wache des Heims zu stürmen, falls die Polizei versuchen würde, ihn mitzunehmen. Es folgten eine Razzia mit einem Großaufgebot von Polizei, Abschiebehaft für Yusif O., zwei aussichtslose Showklagen seines geschäftstüchtigen Anwalts und schließlich die von Sußebach begleitete Rückschiebung nach Mailand. Interessanterweise verzichtete der Mann dort darauf, einen Asylantrag in Italien zu stellen und äußerte den Wunsch, direkt nach Ghana auszureisen. Denn von dort, nicht aus Togo stammt er nach eigenen Angaben. In diesem Fall bündelt sich die gesamte europäische und besonders deutsche Asylpraxis. Schlepper hatten Yusif O., dessen Bildung nach eigenem Bekunden im Besuch einer Koranschule bestand, eingeredet, er könnte in Europa zu Wohlstand kommen. Dass der Wunsch nach Wohlstand keinen Asylgrund darstellt, wusste er nicht. Er versuchte auch nie, sich als politisch Verfolgter auszugeben.
Nun hätte ihm ein italienischer Beamte gleich an der Küste oder besser noch auf See erklären können, dass er ohne Asylgrund und ohne jede Qualifikation keine Chance in Europa habe. Spätestens an der deutschen Grenze hätte ihn ein Bundespolizist mit der gleichen Begründung zurückschicken können. Aber das gilt nach den Maßstäben des oben beschriebenen Milieus als inhuman. Also lässt man Yusif O. durch mehrere Länder wandern, stopft ihn vorübergehend in ein Heim in Ellwangen und teilt ihm nach einigem Hinundherschieben der Akten human mit, dass er sich wieder verziehen möge, vorerst nach Italien. Es folgen teure Randale handgreiflicher und juristischer Natur, dann sitzt er endlich im Flugzeug. In Italien angekommen glaubte O., jemand würde ihm ein Ticket nach Ghana spendieren. Was nicht der Fall ist. Einen Asylbewerberstatus besitzt er auch nicht mehr. Wie Sußebach berichtet, lebt der Mann jetzt mit etlichen anderen Afrikanern der Peripherie Roms in einer Art Favela aus Europaletten und Pappe. Letztere dient zum Zudecken. Angela Merkel würde dazu sagen: „Ist mir egal, ob ich dran schuld bin. Jetzt ist er halt dort.“

Die humanitäre und von Kirchen, öffentlich-rechtlichen Sendern und nahezu allen Parteien verteidigte Asylpolitik besteht also in diesem konkreten Fall darin, das Elend aus Ghana via Zwischenstation Ellwangen an den Stadtrand Roms zu verlagern, das aber mit einem Aufwand von mehreren zehntausend Euro.

Bekanntlich unternahmen es „besorgniserregende Bürger“ (Caroline Fetscher im Tagesspiegel“), mit der Erklärung und Petition 2018 eine andere Migrationspolitik vorzuschlagen (hier kann die Petition unterschrieben werden). Wie es zu dieser „Gefahr für die Demokratie“ (ebenfalls C. Fetscher) kam, beschreibt Michel Klonovsky in der neuen Ausgabe des Magazins „Cato“. Der schönste Satz daraus lautet:
„Es war irgendein Mittag Anfang März, Historiker werden das genaue Datum ermitteln, als Henryk M. Broder, Alexander Wendt und der Verfasser dieser Zeilen im Restaurant ‚Amrit’ am Potsdamer Platz zusammensaßen, mit zwei Ausnahmen dem Wein zusprachen und überlegten, auf welche Weise man der Öffentlichkeit mitteilen könnte, dass die so genannten Intellektuellen hierzulande keineswegs samt und sonders an der Seite der Willkommensputschisten stünden.“
Mittlerweile sammeln sich die Petitionsunterschriften auf der Seite des Bundestages.
Am Sonntag gab es in Berlin eine Demonstration der AfD. Die Gegendemonstrationen, liebevoll organisiert von Bundestagsfraktionen und halbstaatlichen Stellen, standen unter dem Motto „Stoppt den Hass“. Wie die steuergeldbezuschusste Amadeu-Antonio-Stiftung per Twitter mitteilte, lautete eine der herausragenden Antihassparolen so:




Welches auch immer die Gründe sind, derentwegen dieses Milieu sich aufrechterhalten kann: Berlin ist seine verdiente Zentrale.   Wendt

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