Stationen

Freitag, 4. Mai 2018

Humorpolizei

Auf seiner Webseite kasteit sich Dushan Wegner mit der Frage, warum Linke keinen Humor (mehr) haben. Er schreibt: "Humor ist eine Art, schmerzhafte Punkte der Realität mit Witzen zu behandeln, vergleichbar einer Wurzelbehandlung. Wenn man aber kontinuierlich damit beschäftigt ist, die Realität zu negieren, kann man diese Schmerzpunkte nicht treffen.Humor beginnt damit, anzuerkennen, dass es schmerzhafte Unterschiede gibt. Unterschiede zwischen Männern und Frauen, zwischen Reichen und Armen, zwischen Nationen und Völkern. Linke können keinen Humor, denn Humor braucht Wahrheit, tiefe menschliche Wahrheit, und vor Wenigem hat die Linke heute mehr Angst als vor schmerzhafter Wahrheit. (...)
Die Linken in ihrem politischen Korrektheitswahn haben dem Sagbaren so viele Grenzen gesetzt, dass ihnen konsequenterweise ein Großteil an Witzigkeiten buchstäblich 'unsagbar' geworden ist.  Was sich heute als linker Humor ausgibt, ist immer mehr nur Hass auf alle, die unangenehme Fakten nennen und Fragen stellen, auf alle Abweichler und Andersdenkenden, auf die Komischen, sei es die Komischen in der Idee oder die 'Komischen' am Körper."

Als Beleg zitiert Wegner eine Rednerin vom letzten "White House Correspondents’ Dinner", einer Art Politischer Aschermittwoch in Übersee, die nicht einmal witzig ist, sondern bloß mit Vulgaritäten um sich wirft wie ein boshafter Pavian mit den eigenen Exkrementen (dieses Bild, das ich schon einmal zur Beschreibung eines schmierigen politischen Laiendarstellers verwendete, habe ich übrigens von einem englischen Kritiker gestohlen, der es auf seinen Zeitgenossen Karl Marx anwandte, einen der begabtesten, boshaftesten, zielsichersten und produktivsten Kotverspritzer aller Zeiten). Außerdem verweist Wegner auf hiesige sogenannte Comedians, "die im Auftrag des ZDF gegen Regierungskritiker agitieren, oder die sich für solche lukrativen Stellen erst bewerben", also eine Art Humorpolizei bilden und zum Humor ein ähnliches Verhältnis haben wie Karl Eduard von Schnitzler oder der ehrwürdige Jorge de Burgos in Umberto Ecos Roman "Der Namen der Rose".

Dass ein Comedian oder ein Conférencier, der sich an die Seite der Herrschenden stellt, selber ein Witz ist, jedenfalls eine Peinlichkeit, muss hier nicht weiter ausgeführt werden. Ich ertrage die BRD-Kabarettisten ebenso wenig wie weiland jene der DDR, wobei Letztere zuweilen wenigstens zugaben, nicht komisch sein zu dürfen; in der Berliner "Diestel", wohin mich eine Hausnachbarin kraft ihres Lächelns und ihres unglaublich grazilen Ganges geschleppt hatte, sagte einer der Staatskasper: "Hoffen Sie nicht darauf, dass Sie hier an den falschen Stellen lachen können. Wir haben nämlich keine falschen Stellen im Programm. Dafür haben die richtigen Stellen schon gesorgt." (Außerdem sagte er zum Abschied: "Mädels, denkt daran: Jungs sind wie Autos, wenn ihr nicht aufpasst, liegt ihr drunter", aber ich würde abschweifen, wenn ich... – )

Einem bekannten Diktum zufolge besitzt ein junger Mensch, der nicht links ist, kein Herz, und ein älterer Mensch, der es immer noch ist, keinen Verstand. Einer anderen, weniger bekannten Sentenz zufolge ist die Welt ein Drama für diejenigen, welche fühlen, und eine Komödie für diejenigen, die denken. Wenn wir beide Aussagen in die Moulinette legen und kräftig durchmischen, kommen wir der Antwort näher, warum Wegner recht hat.

Der wahre, tiefe, lösende Humor wurzelt im Fatalismus. Des Menschen Hinfälligkeit, Bedeutungslosigkeit und Sterblichkeit ist sein Stoff. Der zelotische Eifer des Linken kann damit nichts anfangen. Der Linke kennt ja die Ursachen aller Defekte und weiß die Lösungen. Er fühlt sich  moralisch legitimiert und träumt davon, für sein Engagement einen Preis verliehen zu bekommen oder wenigstens gelobt zu werden; da es meistens nicht funktioniert, ist sein Selbstmitleid stets ungleich größer als seine Selbstironie. Er meint es bitterernst, er will heimzahlen. Der Linke kann Häme und ätzenden Spott ausgießen über seine politischen Gegner oder all die Zurückgebliebenen und Begriffsstutzigen, die die Genialität seiner Pläne und Analysen nicht erkennen wollen. Das Fatum aber akzeptiert er nicht, weil in seiner schiefen Optik sämtliche Probleme soziale Ursachen haben. Fast alles, worüber ein Mensch mit Humor lächelt, empört ihn, womit er immerhin als komödientaugliche Figur in Erscheinung tritt. Die Mischung aus Fatalismus und Weltversöhnung, die dem echten Humor eignet und sich am Beharrlichsten im jüdischen Humor manifestiert hat, bleibt ihm ewig fremd.   MK am 3. 5. 2018

Ist alles richtig, was Klonovsky hier sagt. Und doch hatten vor 40 Jahren die Linken den besseren Humor in der BRD. Damals hätte sich niemand vorstellen können, dass unsere TV-Komiker sich einmal auf die Seite der Herrschenden stellen könnten.
Und in Italien ist sogar heute noch etwas zu beobachten, das Klonovskys Ausführungen zu widersprechen scheint. Es gibt dort zwei große Karikaturisten, Staino und Forattini. Ersterer ist links, der andere ist rechts. Nun, der linke ist in diesem Fall seit 30 Jahren der selbstironischere, weil die italienische Linke so lächerlich ist, er selbst, Staino, aber trotzdem nicht auf seine linken Ideale verzichten möchte.
Forattini dagegen hat gar keinen Grund, selbstironisch zu sein. Er hat genug damit zu tun, seine Kunst in den Dienst des gesunden Menschenverstands zu stellen und dabei guter Laune zu bleiben.

Außerdem waren die wirklich großen Komiker in Italien bis vor kurzer Zeit alles Linke. Während der Berlusconi Ära waren die einzigen rechten Komiker Berlusconi selbst und Koalitionspartner Umberto Bossi. Und beide stürzten die etablierten Komiker in eine Krise, weil sie überraschenderweise witziger und lustiger als diese waren.
Benigni z.B. fand aus dieser Krise nur dadurch heraus, dass er begann, auswendig Dante vorzutragen und interessant zu kommentieren. Später machte er dasselbe mit den 10 Geboten und mit der Italienischen Verfassung. Aus einem dezidiert politischen Komiker (sein bestes Werk ist "Das Leben ist schön") wurde ein dezidiert sozialpolitischer Volkspädagoge.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.