Auf seiner Webseite kasteit sich Dushan Wegner mit der Frage,
warum Linke keinen Humor (mehr) haben. Er schreibt: "Humor ist eine
Art, schmerzhafte Punkte der Realität mit Witzen zu behandeln,
vergleichbar einer Wurzelbehandlung. Wenn man aber kontinuierlich damit
beschäftigt ist, die Realität zu negieren, kann man diese Schmerzpunkte
nicht treffen.Humor beginnt damit, anzuerkennen, dass es
schmerzhafte Unterschiede gibt. Unterschiede zwischen Männern und
Frauen, zwischen Reichen und Armen, zwischen Nationen und Völkern. Linke
können keinen Humor, denn Humor braucht Wahrheit, tiefe menschliche
Wahrheit, und vor Wenigem hat die Linke heute mehr Angst als vor
schmerzhafter Wahrheit. (...)
Die Linken in ihrem politischen
Korrektheitswahn haben dem Sagbaren so viele Grenzen gesetzt, dass ihnen
konsequenterweise ein Großteil an Witzigkeiten buchstäblich 'unsagbar'
geworden ist. Was
sich heute als linker Humor ausgibt, ist immer mehr nur Hass auf alle,
die unangenehme Fakten nennen und Fragen stellen, auf alle Abweichler
und Andersdenkenden, auf die Komischen, sei es die Komischen in der Idee
oder die 'Komischen' am Körper."
Als Beleg zitiert Wegner eine
Rednerin vom letzten "White House Correspondents’ Dinner", einer Art
Politischer Aschermittwoch in Übersee, die nicht einmal witzig ist,
sondern bloß mit Vulgaritäten um sich wirft wie ein boshafter Pavian mit
den eigenen Exkrementen (dieses Bild, das ich schon einmal zur
Beschreibung eines schmierigen politischen Laiendarstellers verwendete,
habe ich übrigens von einem englischen Kritiker gestohlen, der es auf
seinen Zeitgenossen Karl Marx anwandte, einen der begabtesten,
boshaftesten, zielsichersten und produktivsten Kotverspritzer aller
Zeiten). Außerdem verweist Wegner auf hiesige sogenannte Comedians, "die
im Auftrag des ZDF gegen Regierungskritiker agitieren, oder die sich
für solche lukrativen Stellen erst bewerben", also eine Art Humorpolizei
bilden und zum Humor ein ähnliches Verhältnis haben wie Karl Eduard von
Schnitzler oder der ehrwürdige Jorge de Burgos in Umberto Ecos Roman
"Der Namen der Rose".
Dass ein Comedian oder ein Conférencier,
der sich an die Seite der Herrschenden stellt, selber ein Witz ist,
jedenfalls eine Peinlichkeit, muss hier nicht weiter ausgeführt werden.
Ich ertrage die BRD-Kabarettisten ebenso wenig wie weiland jene der DDR,
wobei Letztere zuweilen wenigstens zugaben, nicht komisch sein zu
dürfen; in der Berliner "Diestel", wohin mich eine Hausnachbarin kraft
ihres Lächelns und ihres unglaublich grazilen Ganges geschleppt hatte,
sagte einer der Staatskasper: "Hoffen Sie nicht darauf, dass Sie hier an
den falschen Stellen lachen können. Wir haben nämlich keine falschen
Stellen im Programm. Dafür haben die richtigen Stellen schon gesorgt."
(Außerdem sagte er zum Abschied: "Mädels, denkt daran: Jungs sind wie
Autos, wenn ihr nicht aufpasst, liegt ihr drunter", aber ich würde
abschweifen, wenn ich... – )
Einem bekannten Diktum zufolge
besitzt ein junger Mensch, der nicht links ist, kein Herz, und ein
älterer Mensch, der es immer noch ist, keinen Verstand. Einer anderen,
weniger bekannten Sentenz zufolge ist die Welt ein Drama für diejenigen,
welche fühlen, und eine Komödie für diejenigen, die denken. Wenn wir
beide Aussagen in die Moulinette legen und kräftig durchmischen, kommen
wir der Antwort näher, warum Wegner recht hat.
Der wahre, tiefe,
lösende Humor wurzelt im Fatalismus. Des Menschen Hinfälligkeit,
Bedeutungslosigkeit und Sterblichkeit ist sein Stoff. Der zelotische
Eifer des Linken kann damit nichts anfangen. Der Linke kennt ja die
Ursachen aller Defekte und weiß die Lösungen. Er fühlt sich moralisch
legitimiert und träumt davon, für sein Engagement einen Preis verliehen
zu bekommen oder wenigstens gelobt zu werden; da es meistens nicht
funktioniert, ist sein Selbstmitleid stets ungleich größer als seine
Selbstironie. Er meint es bitterernst, er will heimzahlen. Der Linke
kann Häme und ätzenden Spott ausgießen über seine politischen Gegner
oder all die Zurückgebliebenen und Begriffsstutzigen, die die Genialität
seiner Pläne und Analysen nicht erkennen wollen. Das Fatum aber
akzeptiert er nicht, weil in seiner schiefen Optik sämtliche Probleme
soziale Ursachen haben. Fast alles, worüber ein Mensch mit Humor
lächelt, empört ihn, womit er immerhin als komödientaugliche Figur in
Erscheinung tritt. Die Mischung aus Fatalismus und Weltversöhnung, die
dem echten Humor eignet und sich am Beharrlichsten im jüdischen Humor
manifestiert hat, bleibt ihm ewig fremd. MK am 3. 5. 2018
Ist alles richtig, was Klonovsky hier sagt. Und doch hatten vor 40 Jahren die Linken den besseren Humor in der BRD. Damals hätte sich niemand vorstellen können, dass unsere TV-Komiker sich einmal auf die Seite der Herrschenden stellen könnten.
Und in Italien ist sogar heute noch etwas zu beobachten, das Klonovskys Ausführungen zu widersprechen scheint. Es gibt dort zwei große Karikaturisten, Staino und Forattini. Ersterer ist links, der andere ist rechts. Nun, der linke ist in diesem Fall seit 30 Jahren der selbstironischere, weil die italienische Linke so lächerlich ist, er selbst, Staino, aber trotzdem nicht auf seine linken Ideale verzichten möchte.
Forattini dagegen hat gar keinen Grund, selbstironisch zu sein. Er hat genug damit zu tun, seine Kunst in den Dienst des gesunden Menschenverstands zu stellen und dabei guter Laune zu bleiben.
Außerdem waren die wirklich großen Komiker in Italien bis vor kurzer Zeit alles Linke. Während der Berlusconi Ära waren die einzigen rechten Komiker Berlusconi selbst und Koalitionspartner Umberto Bossi. Und beide stürzten die etablierten Komiker in eine Krise, weil sie überraschenderweise witziger und lustiger als diese waren.
Benigni z.B. fand aus dieser Krise nur dadurch heraus, dass er begann, auswendig Dante vorzutragen und interessant zu kommentieren. Später machte er dasselbe mit den 10 Geboten und mit der Italienischen Verfassung. Aus einem dezidiert politischen Komiker (sein bestes Werk ist "Das Leben ist schön") wurde ein dezidiert sozialpolitischer Volkspädagoge.
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