Man muss den Deutschlandfunk nicht mögen,
zuhören aber sollte man ihm. Es gibt Dinge, die darf man einfach nicht
sagen, ohne dass der Deutschlandfunk geistigen Schluckauf bekommt. Beispielsweise darf Jordan B. Peterson offenbar nicht „Gott“ sagen: Gott
taucht immer wieder in seinen Ausführungen auf. Der Glaube an seine
Existenz wird vorausgesetzt. Für einen atheistischen Skeptizismus ist
kein Platz.
Wie neutral sich Peterson über seinen eigenen Glauben äußert,
und dass er damit wohl niemand irgendeinen Glauben aufzwingen kann, ist
dem Rezensenten des DLF nicht aufgefallen. Störend genug ist für ihn
wohl schon, dass Peterson auch den Atheismus für einen Glauben hält. So
geht es munter weiter: Wenn man das Leben als Leiden begreift, ist man
laut Deutschlandfunk nicht möglicherweise Buddhist oder zitiert einfach nur die Erste Edle Wahrheit, sondern vollkommen unterbelichtet.
Der Psychoanalytiker und Schüler Sigmund Freuds, C.G. Jung, arbeitete
mit den Archetypen und Mythen, auf die sich auch Jordan B. Peterson
bezieht. Es sind jene Ur-Geschichten, die beinahe weltweit in
irgendeiner Form überliefert sind, wahrscheinlich schon seit der
Jungsteinzeit. Wenn man mit C.G. Jung diese Ur-Geschichten für
bedeutender hält als rein soziale Erwägungen, wie sie in Deutschland die
„Frankfurter Schule“ oder in Frankreich die „Dekonstruktivisten“
propagierten, dann ist man laut DLF „rechtskonservativ“, vor allem, wenn
man diese Strömungen als das bezeichnet, was sie waren: neomarxistische
Philosophenzirkel. Man ist sogar gefährlich, mit C.G.
Jung sogar gefährlich in der Nähe von „Nazi“, denn
das war C.G. Jung eine Zeit lang ja auch. Bis die Nazis ihn auf den
Index setzten, weil er ihren eigenen germanischen Archetypen und Mythen
zu nahe getreten war. Das allerdings erwähnt der Rezensent nicht.
Kennt der Mann Antigone?
Die des Sophokles oder die des Jean Anouilh? Antigone hat, bei nicht
„rechtskonservativer“, neo-marxistischer Betrachtung, gar keinen
moralischen Zwiespalt auszuhalten zwischen dem von ihr geforderten
Gehorsam gegenüber der Staatsraison der Regierenden und ihrem
natürlichen Gehorsam gegenüber den Gesetzen. Solche „archetypischen“
Konflikte gäbe es damit heute gar nicht mehr… oder sie wären rein
sozio-ökonomisch zu lösen. Klappt derzeit doch prima mit solchen
„europäischen“ oder gar „globalen“ Lösungen… Nur Antigone hat nix davon.
Immerhin kommt der Deutschlandfunk, quasi nebenbei, auch zu einer wirklichen Erkenntnis:
Es scheint ein Bedürfnis nach autoritären Strukturen zu
geben, hervorgerufen durch eine Politik, die Jordan Peterson kaum etwas
entgegenzusetzen zu hat. Stattdessen warnt sie zum Beispiel vor
verstörenden Inhalten, gibt sogenannte Trigger-Warnings. Sie überlegt,
ob es sinnvoll sei, Toiletten für Menschen des dritten Geschlechts zu
bauen und besteht auf eine gegenderte Sprache. Niemand soll verletzt
werden, sich benachteiligt oder ausgeschlossen fühlen. Dass dieses um
Identität und persönliche Befindlichkeiten zentrierte Denken
zwangsläufig zu einer Infantilisierung des politischen Diskurses und der
daran teilnehmenden Menschen führt, wird nicht erkannt oder schlichtweg
ignoriert.
Richtig! Ein großer Teil autoritärer, antidemokratischer Sehnsüchte
entsteht sehr wahrscheinlich dadurch, dass es sich längst ganz andere
autoritäre Sehnsüchte und deren Nutznießer unter dem Deckmantel der
Demokratien breit und denkfaul gemütlich gemacht haben auf ihren
offiziellen Posten und Nicht-Regierungs-Pöstchen, und dass sie nun
antreten, ihre geistigen und geldwerten Pfründe notfalls auch mit
infantilen Denkverboten und Diffamierungen zu verteidigen – wo sie der
Lange Marsch durch die Institutionen doch endlich an die ersehnten
Fleischtöpfe der Macht gebracht hat.
Nur eines entgeht dem Rezensenten, dass gerade Jordan B. Peterson kein wie
auch immer geartetes „Bedürfnis nach autoritären Strukturen“ hat,
sondern dass er die Autarkie, Autonomie und Autorität des einzelnen
denkenden Menschen gegen diese denkfaulen Sehnsüchte
stärken möchte, allerdings nicht allein auf der Basis sozioökonomischer
Überlegungen, sondern auf der Grundlage eines mythischen, sozialen und
ethischen Erbes, das sich nicht über Nacht abschaffen lässt, weil es
älter ist als alle die zweifelhaften Geschenke des 19. Jahrhunderts,
Marxismus, Liberalismus, Nationalismus und Konservatismus zusammen.
Peterson verweist darauf, dass eine Aufklärung, die in diesen -ismen ihr
Ende findet, schon gescheitert ist. Und dass man Gegner braucht, um
sich unangenehme Wahrheiten sagen zu lassen.
Und so endet auch der Rezensent des Deutschlandfunk, nur eine Spur versöhnlicher gegenüber Peterson:
Es scheint selbstverständlich zu sein, ihn ob seiner
rechtskonservativen Ansichten abzulehnen und sich damit auf der
moralisch richtigen Seite zu wähnen. Darin manifestiert sich ein
gefährliches Symptom unserer Zeit: Die Verkürzung von Diskursen, die
Unterbindung von Antagonismen und die Ächtung von Meinungen, die nicht
ins eigene Weltbild passen. Man muss Peterson nicht mögen, zuhören
sollte man ihm trotzdem. Denn nur so kann man ihm widersprechen.
Und was schrieb der „rechtskonservative“ Jordan B. Peterson selbst?
Deshalb ist es nützlich, mit dem Feind zu sprechen. Ihr Feind
kann Ihnen nämlich Dinge sagen, die Sie nicht wissen, und es wäre
unklug, sie nicht in Erfahrung zu bringen. Ihr Feind mag Ihnen sagen,
dass Sie ein Idiot sind und vieles, was nicht wahr ist. Aber wenn nur
eines von dem stimmt, was er Ihnen sagt, dann sollten Sie dankbar sein.
Sie können dann nämlich daran arbeiten und brauchen nicht weiterhin den
gleichen Fehler zu machen.
Man darf gespannt sein, wer Jordan B. Peterson sonst noch missverstehen will. Jesko Matthes
Jordan Peterson and Conservatism's Rebirth
Jordan B. Peterson: „12 Rules for Life – An Antidote to Chaos“, Random House Canada; deutsche Ausgabe angekündigt.
Die Verblödung von FAZ und DLF hat einen Grad erreicht, der einem die marxistischen Spinner der 70-er Jahre vergleichsweise wie Aristokraten des Geistes vorkommen lässt.
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