Der Tod eines Menschen sei endgültig, und kein Urteil eines
Gerichts könne das ändern: Mit diesen allgültigen orphischen Urworten
leitete die Kölner Richterin Ulrike Grave-Herkenrath ihre
Urteilsbegründung ein. So hätte ein Richter auch, um die Latte ganz hoch
zu legen, beim Urteilsspruch gegen Eichmann anheben können. Die
rheinische Rechtspflegerin benutzte den rhetorischen Kurzanlauf freilich
nur für den Sprung zur Begründung, warum diese Woche ein Totschläger
als sogenannter freier Mann das Kölner Landgericht verlassen durfte. Ein
Totschläger wurde nicht eingesperrt? Allein dieser Sachverhalt legt bei
Ihnen, geneigter Leser, wahrscheinlich das Vorurteil frei, der Täter
könne nur ein Menschenbruder mit dem berühmten existenzveredelnden
Hintergrund sein, und selbstverständlich liegen Sie damit richtig;
Vorurteile sind ja selten falsch, zumindest ab sofort seltener als
Urteile des Kölner Landgerichts. Zwei Jahre Haft auf Bewährung für eine
Körperverletzung mit Todesfolge erhielt Ahmed R., 19, der in der
Innenstadt von Bergisch Gladbach ohne Anlass, aber mit Folgen auf einen
40jährigen Deutschen eingeschlagen hatte, wie der Kölner Express ausführt:
"Er
und seine Kumpels hatten sich mit dem späteren Opfer, den sie für einen
Obdachlosen hielten, und dessen Begleitern angelegt. Um sich Respekt
vor seinen Freunden zu verschaffen, habe er Thomas K. attackiert, hatte
der Angeklagte gesagt. K. krachte nach einem gezielten Schlag auf den
Boden, brach sich den Schädel. Er verstarb einen Tag nach dem Angriff in
der Klinik in Köln-Merheim. Die Freunde hatten den Schläger nach der
Tat noch gefeiert."
Den sie für einen Obdachlosen hielten. Das
heißt: ein sicheres Opfer, zumal man selber sowieso immer in der Gruppe
oder der größeren Gruppe antritt (und im Zweifelsfall eben mit dem
Messer, denn mag auch die Sonne des Südens nicht über Deutschland
lachen, so immerhin die Sonne der Bewährung). Aber was bei einem
deutschen Totschläger in jedem Fall strafverschärfend gewertet worden
wäre, fiel hier anscheinend nicht ansatzweise ins Gewicht. Warum? Wenn
das juvenile Rudel das Opfer irrtümlich für einen Obdachlosen halten
konnte, dann handelte es sich bei diesem wahrscheinlich um einen
Vertreter des white trash, und um so einen muss sich eine Richterin so wenig kümmern wie eine Kanzlerin oder eine Spiegel-Kolumnistin.
"Vielleicht
gibt es die Erwartung, dass der Täter leiden soll, wie Sie leiden, das
steht aber nicht im Fokus des Strafverfahrens", erklärte die Richterin
den Hinterbliebenen des Erschlagenen. In diesem Fall gehe es nämlich um
die Einwirkung auf den Täter. Der Erziehungsgedanke sei höher zu
gewichten als die Sühne.
Ich habe die DDR-Juristen immer für ihre
politischen Urteile gehasst, aber solche furchtbaren Juristen, die
solche Urteile fällten, gab es in der Zone nicht. Neben diesem Rassismus
wirkt die DDR-Klassenjustiz plötzlich sogar ein bisschen weniger übel
als zuvor. Nie hätte Frau Grave-Herkenrath es schließlich gewagt, mit
einem derartigen Urteil einen Deutschen, der einen Türken oder Araber
erschlagen hat, vor dem Gefängnis zu bewahren. Im umgekehrten Fall hätte
sie vielmehr die rassistische oder "rechte" Gesinnung des Täters schon
zutage gefördert oder entdeckt oder unterstellt. Diese sich in ihrem
Wohlwollen suhlende Juristin ist gewissermaßen ein um 180 Grad gedrehter
Roland Freisler. Dieser Typus Blutrichter fordert kein Blut mehr, um
sich dem Zeitgeschmack anzudienen, sondern entschuldigt dessen
Vergießen. Im Urteil von Frau Grave-Herkenrath kulminiert die 68er
Ideologie, dass Straftäter, sofern sich bei ihnen keine rechte Gesinnung
auftreiben lässt, Opfer der Gesellschaft sind, denen mit Verständnis zu
begegnen die edle Pflicht und Hauptaufgabe der Justiz ist.
Dass es sich um eine Richterin
handelt, ist nur folgerichtig. Nicht nur dass sich viele Frauen
instinktiv auf die Seite der Täter (= der Stärkeren) schlagen, die eher
sentimentale weibliche Psyche hatte immer mehr Verständnis für
Gewalttäter und Mörder als die eher harte männliche. Das uralte Quid pro quo
– Auge um Auge – ist männlich. Die erste und edelste Aufgabe der
Rechtsprechung besteht darin, Rechtsfrieden herzustellen, indem den
Opfern einer Tat Genugtuung verschafft wird. Sühne bedeutet, dass dem
Täter für das Leid, welches er zugefügt hat, seinerseits Leid zugefügt
wird. Das ist so einfach und klar wie die Tatsache, dass es Männer und
Frauen gibt oder das Wasser von oben nach unten fließt. Einzig das Opfer
selbst kann dem Täter vergeben, doch eine Justiz, die so etwas wie
Dignität besitzen will, dürfte im Sinne der Unparteilichkeit selbst in
diesem Falle keinen Unterschied machen. Strafe muss sein. –
Freilich: Irgendjemand muss das Recht durchsetzen und den Täter seine
Schuld büßen lassen. Unsere feminisierte postheroische Gesellschaft ist
eine feige Gesellschaft, die dafür kaum Kraft aufbringt. Hinter der
Nachsicht gegenüber virilen Tätern aus drohfähigen Bevölkerungsgruppen,
hinter solchen Sei-doch-wieder-lieb-Urteilen verbirgt sich immer auch
die eigene Schwäche. Ein neues Quid pro quo steht im
Sonderangebot: Wir verschonen dich, bitte verschone beim nächstenmal
uns. Hätte der Erschlagene einem drohfähigen Kollektiv angehört, das
Urteil wäre entschieden härter ausgefallen. Die furchtbare Juristin zu
Köln hat weder Recht gesprochen noch den Rechtsfrieden
wiederhergestellt, sondern das kleinere Übel gewählt. Sie hat die
Angehörigen des Opfers nochmals gedemütigt und verhöhnt, weil sie weiß,
dass ihr dadurch kein Schaden entsteht, denn dort saß ja nur eine Witwe
mit zwei Kindern, kein Familienclan:
"Ahmet R. bekam
als Auflage, zehn Sozialstunden in der Woche zu machen, ein
Anti-Aggressions-Training zu absolvieren und mit regelmäßigen
Drogenscreenings nachzuweisen, clean zu sein. Die beiden Kinder (9, 13)
des Getöteten hatten den Prozess teilweise mitverfolgt. Die Witwe von
Thomas K. weinte nach dem milden Urteil bittere Tränen."
Der
Rassismus hat die Seiten und die Rhetorik gewechselt. Die Richterin
heißt – sagte ich das schon? – Ulrike Grave-Herkenrath. Merken Sie sich
den Namen: Ulrike Grave-Herkenrath. MK am 10. 6.
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