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Mittwoch, 20. Juni 2018

Verklärung der Natur

Es ist leicht, die Natur zu verklären. Besonders, wenn man ein Stadtbewohner ist, der sich noch nie auf der Spur eines Beutetiers hungernd durch den Wald schleppen musste – im Hochsommer und von Mückenstichen übersäht. Krebs und andere Krankheiten berauben einen schnell der Illusion, die Natur sei rein und schön. Tatsächlich ist die Natur eine äußerst zerstörerische Kraft. Wir können sie nutzen, aber sie stellt sich auch ständig gegen uns.
Eine andere Sache die zeigt, wie sehr unsere Gesellschaft aus dem Lot geraten ist, ist der Antihumanismus, der aus vermeintlich „radikalen“ Diskursen nicht mehr wegzudenken ist. Allerorten gelten Menschen als „Krebsgeschwür“ des Planeten, um einen Bericht des Club of Rome über die Bevölkerungsexplosion zu zitieren.
Wir sind heute alle schuldig, weil wir angeblich in halsbrecherischem Tempo unsere Umwelt zerstören. Aber verdammt nochmal: Alles, was uns umgibt, versucht ständig, uns zu zerstören. Ein Großteil unserer Existenz besteht daraus, einfach am Leben zu bleiben. Natürlich sind die Menschen nicht perfekt. Wir sind korrupt, und unsere gesellschaftlichen Strukturen sind es ebenfalls. Menschen können gierig und gefühllos sein. Aber das bedeutet nicht, dass die Natur eine wunderschöne, strahlende junge Frau ist, die in der Wildnis darauf wartet, uns zu umarmen. Die Natur ist in Wahrheit ein hässliches, altes Weib, das uns auf jede erdenkliche Weise umbringen kann. Dagegen muss man sich verteidigen.
Die Menschheit versteht erst seit den 1960ern, dass sie das Potential hat, die Umwelt im planetaren Maßstab zu verändern. Das wissen wir erst seit vier Generationen. Noch in den 1890er Jahren kam der große Biologe Thomas Huxley zu dem Schluss, dass menschliche Aktivitäten niemals zu einer Überfischung der Weltmeere führen könnten.

Huxley lebte vor gerade einmal 120 Jahren. Uns wurde erst in den 1960er Jahren bewusst, dass wir eine planetare Kraft sind. Was will man also von den Menschen erwarten? Wir versuchen jetzt, uns zusammenzureißen und unsere Hausaufgaben zu machen. Aber es wäre angebracht, die antihumanistische Rhetorik einzustellen.
Wenn die Menschheit ein „Krebsgeschwür“ ist, das die Erde befallen hat, dann ist derjenige, der Menschenleben auslöscht, ein Held. Denn es ist heldenhaft, Krankheiten wie Krebs zu besiegen. Nach Amokläufen sind die Leute entsetzt und fragen sich „Was treibt solche Menschen an?“ Das lässt sich in circa einer halben Stunde herausfinden, wenn man ihre Schriften studiert.
Amokläufer schreiben sinngemäß: „Die Menschheit ist ein Krebsgeschwür, menschliche Existenz ist inhärent böse, ich werde so viele Menschen wie möglich ausschalten, da mir die Struktur der Realität missfällt, und dann werde ich mich selbst erschießen, nur um zu zeigen, wie egal mir alles ist.“ Wer solche Gedankengänge nicht nachvollziehen kann, hat noch nie tief in sein eigenes Herz geblickt. Denn jeder kommt irgendwann in seinem Leben in eine schreckliche Situation, in der er anfängt, so zu denken.
Dieser Beitrag ist ein Ausschnitt aus einem Vortrag, den Jordan B. Peterson im November 2017 an der University of Wisconsin gehalten hat.



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