Es ist leicht, die Natur zu verklären. Besonders, wenn man ein
Stadtbewohner ist, der sich noch nie auf der Spur eines Beutetiers
hungernd durch den Wald schleppen musste – im Hochsommer und von
Mückenstichen übersäht. Krebs und andere Krankheiten berauben einen
schnell der Illusion, die Natur sei rein und schön. Tatsächlich ist die
Natur eine äußerst zerstörerische Kraft. Wir können sie nutzen, aber sie
stellt sich auch ständig gegen uns.
Eine andere Sache die zeigt, wie sehr unsere Gesellschaft aus dem Lot
geraten ist, ist der Antihumanismus, der aus vermeintlich „radikalen“
Diskursen nicht mehr wegzudenken ist. Allerorten gelten Menschen als
„Krebsgeschwür“ des Planeten, um einen Bericht des Club of Rome über die
Bevölkerungsexplosion zu zitieren.
Wir sind heute alle schuldig, weil wir angeblich in halsbrecherischem
Tempo unsere Umwelt zerstören. Aber verdammt nochmal: Alles, was uns
umgibt, versucht ständig, uns zu zerstören. Ein Großteil unserer
Existenz besteht daraus, einfach am Leben zu bleiben. Natürlich sind die
Menschen nicht perfekt. Wir sind korrupt, und unsere gesellschaftlichen
Strukturen sind es ebenfalls. Menschen können gierig und gefühllos
sein. Aber das bedeutet nicht, dass die Natur eine wunderschöne,
strahlende junge Frau ist, die in der Wildnis darauf wartet, uns zu
umarmen. Die Natur ist in Wahrheit ein hässliches, altes Weib, das uns
auf jede erdenkliche Weise umbringen kann. Dagegen muss man sich
verteidigen.
Die Menschheit versteht erst seit den 1960ern, dass sie das Potential
hat, die Umwelt im planetaren Maßstab zu verändern. Das wissen wir erst
seit vier Generationen. Noch in den 1890er Jahren kam der große Biologe
Thomas Huxley zu dem Schluss, dass menschliche Aktivitäten niemals zu
einer Überfischung der Weltmeere führen könnten.
Huxley lebte vor gerade einmal 120 Jahren. Uns wurde erst in den
1960er Jahren bewusst, dass wir eine planetare Kraft sind. Was will man
also von den Menschen erwarten? Wir versuchen jetzt, uns
zusammenzureißen und unsere Hausaufgaben zu machen. Aber es wäre
angebracht, die antihumanistische Rhetorik einzustellen.
Wenn die Menschheit ein „Krebsgeschwür“ ist, das die Erde befallen
hat, dann ist derjenige, der Menschenleben auslöscht, ein Held. Denn es
ist heldenhaft, Krankheiten wie Krebs zu besiegen. Nach Amokläufen sind
die Leute entsetzt und fragen sich „Was treibt solche Menschen an?“ Das
lässt sich in circa einer halben Stunde herausfinden, wenn man ihre
Schriften studiert.
Amokläufer schreiben sinngemäß: „Die Menschheit ist ein
Krebsgeschwür, menschliche Existenz ist inhärent böse, ich werde so
viele Menschen wie möglich ausschalten, da mir die Struktur der Realität
missfällt, und dann werde ich mich selbst erschießen, nur um zu zeigen,
wie egal mir alles ist.“ Wer solche Gedankengänge nicht nachvollziehen
kann, hat noch nie tief in sein eigenes Herz geblickt. Denn jeder kommt
irgendwann in seinem Leben in eine schreckliche Situation, in der er
anfängt, so zu denken.
Dieser Beitrag ist ein Ausschnitt aus einem Vortrag, den Jordan
B. Peterson im November 2017 an der University of Wisconsin gehalten
hat.
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