Außer unter Masochismus und Zwangsstörung leidet der deutsche Michel jetzt auch noch unter dissoziativer Identitätsstörung.
Am Wochenende reiste Angela Merkel nach Polen
zu ihrem ersten Besuch in der Gedenkstätte Auschwitz. In ihrer Rede
sagte sie, an diesem Ort müsse man „eigentlich verstummen“. Das
wäre tatsächlich eine Möglichkeit. Ein deutscher Regierungschef, eine
Regierungschefin könnte stattdessen auch etwas sagen, das in seiner
Substanz über den Moment eines politischen Protokolltermins
hinausreicht. Die Bundeskanzlerin
entschied sich dafür, weder das eine noch das andere zu tun. Zwei Sätze
bildeten allerdings den Kern ihres Referats, nicht, weil sie sich vom
intellektuellen Zuschnitt der restlichen Rede abgehoben hätten, sondern
weil sie beispielhaft für die Kunst Merkels stehen, das Entscheidende
auszulassen. Es ist die Kunst, Konflikte durch demonstrative
Nichterwähnung stumm zu schalten. Ihre beiden Sätze lauteten:
„Wir dulden keinen Antisemitismus. Alle Menschen müssen sich in Deutschland sicher und zuhause fühlen.“
Sicher
und vorübergehend auch zuhause fühlten sich in Berlin-Moabit am 7.
Dezember prominente Unterstützer der Terrororganisation Hamas, deren
offizielles und mehrmals bekräftigtes Ziel darin besteht, den einzigen
jüdischen Staat der Welt, nämlich Israel, auszulöschen.
Organisiert
hatten die Berliner Konferenz unter dem Titel „Die Palästinenser in
Europa und UNRWA“ das Palestinian Return Center (PRC) und die
Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland e. V. (PGD). Beide werden
von verschiedenen Verfassungsschutzämtern dem Umfeld der Hamas
zugeordnet. Auf der Konferenz redete unter anderem Ahmed Abu Artema,
Organisator der „Rückkehr-Märsche“, bei denen Palästinenser aus dem
Hamas-regierten Gazastreifen mehrfach versuchten, gewaltsam die Grenze
zu Israel zu durchbrechen.
Der Aktivist konnte zu der Konferenz in
Berlin problemlos nach Deutschland einreisen. Artema bekräftigte schon
früher, die Rückkehr-Märsche würden weitergehen „bis zu dem Tag, an dem wir mit dem Schlüssel in der Hand auf der Schwelle der Häuser unserer Vorfahren stehen“.
Das wäre das Ende eines jüdischen Staates Israel. Der Hass der Hamas
gegen Juden reicht allerdings über Israel deutlich hinaus. Erst im
Sommer 2019 hatte der führende Hamas-Funktionär Fathi Hamad erklärt:
„Wir müssen jeden Juden auf der Erde angreifen! Wir müssen sie mit Allahs Hilfe abschlachten und töten.“
Berlins
Innensenator Andreas Geisel meinte, er fände die Konferenz natürlich
schlimm, könnte aber wenig dagegen tun. Schließlich sei die Hamas in
Deutschland nicht verboten.
Warum eigentlich nicht? Wenn es ein Land gibt, in dem historische Gründe für dieses Verbot sprechen, dann Deutschland.
Außerdem,
meinte Geisel, finde die Konferenz in Moabit in geschlossenen Räumen
statt und nicht unter freiem Himmel, es gebe also kaum behördliche
Eingriffsmöglichkeiten. Wenn sich Judenfeinde unter dem Himmel von
Berlin versammeln, können sie das allerdings auch weitgehend unbehelligt
tun. Im September fand eine Anti-Israel-Kundgebung vor dem
Brandenburger Tor statt, also nur einige hundert Meter von Merkels
Amtssitz entfernt, zu der die beiden antisemitischen Rapper
Shadi Al-Bourini und Shadi Al-Najjar aus dem Gaza-Streifen anreisen
durften, ausgestattet mit Visa der deutschen Vertretung in Ramallah, für
die ein Außenminister verantwortlich ist, der behauptet, er sei wegen
Auschwitz in die Politik gegangen.
Dass die beiden Shadis in verdeckter
Mission gekommen wären, kann niemand behaupten. Beide sind bekannt für
ihre Songs, in denen sie dazu aufrufen, Tel Aviv zu bombardieren und
Juden zu „zertreten“.
Anders, als Merkel in Auschwitz
behauptete, duldet Deutschland – ganz konkret: der deutsche Staat, der
von ihr geprägte Staat – Antisemitismus. Er fördert ihn sogar, indem er
immer wieder Visa an notorische Judenhasser ausgibt, damit sie in
Deutschland Propagandaveranstaltungen politisches Gewicht geben. Ein
liberaler Rechtsstaat könnte das ohne Schwierigkeiten verhindern. Es
gibt kein Recht auf Einreisevisa für Leute, die in Deutschland
erklärtermaßen gegen Israel und Juden agitieren wollen. Das Grundgesetz
sieht übrigens das Demonstrationsrecht auch nicht für jeden vor, sondern ausdrücklich nur für deutsche Staatsbürger. Merkels Regierung könnte also anders.
Ihr zweiter Satz führt zum Kern ihres Denkens:
„Alle Menschen müssen sich in Deutschland sicher und zuhause fühlen.“
Es
ist ziemlich einfach: In einem Land, in dem sich Judenhasser sicher und
zuhause fühlen können, können sich Juden nicht sicher fühlen.
Merkel
schaltet diese offensichtliche Wahrheit stumm, indem sie auf die Formel „alle Menschen“
ausweicht. Es gibt den Begriff des beredten Schweigens. Was die Frau im
Kanzleramt praktiziert, ist das Gegenstück: das geschwätzige
Beschweigen.
Bei George Orwell kommt der Begriff doublethink
vor, Doppeldenk, die Technik, einen offensichtlichen Widerspruch
einfach offen zu lassen und zu bestreiten, dass es sich überhaupt um
einen Widerspruch handelt.
Auf diese Weise stand auch an diesem
Wochenende beides nebeneinander, als hätte es miteinander nichts zu tun:
Nie wieder Auschwitz, wenn es sich um tote Juden handelt. Und ‚immer
wieder gern’, wenn es um eine Anti-Israel-Kundgebung in der Hauptstadt
geht, beziehungsweise um eine Konferenz, auf der die Endlösung für
Israel besprochen wird.
Routiniert schaltet Merkel auch schon seit
Jahren die Frage stumm, welche Folgen ihre Migrationspolitik für die
Juden in Deutschland hat. Es gibt einen urdeutschen Antisemitismus. Aber
der bekommt dank Merkel seit 2015 die kräftigste politische Verstärkung, die je seit Bestehen der
Bundesrepublik zu beobachten war. Der Mann, der kürzlich mit einem Messer in der Hand
auf das Sicherheitspersonal vor der Synagoge in der Oranienburger
Straße in Berlin losstürmte, war ein syrischer Asylbewerber. Der
Jugendliche, der auf einer Berliner Straße auf einen Jungen mit dem
Gürtel einschlug, weil der eine Kippa trug, kam ebenfalls im großen
arabischen Strom nach Deutschland.
Am heutigen Frankreich, aus dem
jedes Jahr tausende Juden ausreisen, und in dem kaum noch eine jüdische
Familie seine Kinder auf staatliche Schulen bringt, lässt sich
vielleicht ablesen, wohin die Entwicklung auch in Deutschland geht. (nach Alexander Wendt)
Wäre es nicht langsam an der Zeit, Stolpersteine für die Opfer der Willkommenskultur zu setzen?
(indessen in Berlin)
Blick in die Zukunft
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