Je wilder in Berlin die CDU-Fetzen fliegen, desto staatsmännischer wirkt Markus Söder in München. Er regiert Bayern souverän, hat seine CSU im Griff,
setzt grün-liberal-mittige Akzente und erntet steigende Umfragewerte.
Ausgerechnet der einstige Polit-Raufbold ist zum ausgleichenden Regenten
gereift. Gerade weil das System Merkel in Berlin so donnernd implodiert, verkörpert Söder zusehends das Prinzip Stabilität in der Union.
Im Gestus eines Schuldirektors greift er nun in die machtpolitische
Pausenhofkeilerei der CDU ein und fordert Disziplin: "In der derzeitigen
Situation können sich Volksparteien nicht leisten, Brüche zu riskieren
oder möglicherweise in Flügel zu zerfallen." Söder richtet einen Appell
"an alle" in der CDU. Die zerstrittene Schwesterpartei müsse wieder "ein
Team darstellen". Denn: "Am Ende gewinnt die Union immer nur im Team."
Söder
erinnert an die innerparteilichen Machtkämpfe der CSU. Ihm und seinem
Vorgänger Horst Seehofer sei es gleichermaßen wichtig gewesen, "dass wir
trotz unterschiedlicher Akzente keinen Bruch in der Partei bekommen".
Wechsel und Übergänge müsse man so organisieren, dass am Ende alle
zusammenbleiben. "Wir als CSU haben letztes Jahr gemerkt, dass es nur
miteinander geht", mahnt Söder. "Ich würde sagen, von dieser Erfahrung
sollten alle in der Union profitieren."
Den Mahnruf aus München zur Geschlossenheit ergänzt Söder gleich
noch mit einer strategischen Festlegung: "Man kann im Osten zwar Wahlen
verlieren, aber gewinnen muss man sie vor allem im Westen … Wir müssen
klar sehen, wer hier unser Herausforderer ist. Daher: Keine einseitige
Fixierung nach Rechtsaußen! Der Hauptkonkurrent um Platz eins sind die Grünen. Sie müssen wir stärker in den Fokus nehmen."
Markus
Söder hat eine Strategie. Er will die Union in wilden politischen
Zeiten als "Hort der Stabilität" und Retterin des Wohlstands
positionieren: "Wir haben internationale Herausforderungen, die werden
jeden Tag größer. Wir haben eine wirtschaftliche Herausforderung, die
wird jeden Tag größer." In solch einer Phase müsse die Union Fels in der
Brandung sein, nicht aber die Brandung.
Man kann Söder derzeit
beim politischen Wachsen regelrecht zuschauen. Er wächst zusehends sogar
in die Rolle eines denkbaren Kanzlerkandidaten für die Union. Ihm
werden Chancen zugesprochen, nach Franz Josef Strauss 1980 und Edmund
Stoiber 2002 der dritte Unions-Kanzlerkandidat aus der CSU zu werden.
Alle zwanzig Jahre wäre es soweit. Doch Söder will nicht. Das Dementi
für eine Kandidaturenkandidatur ist echt: "Meine Ambitionen sind und
bleiben hier in Bayern."
Diese klare Positionierung stärkt zugleich seine Schiedsrichterrolle
in der Union. Söder hat nicht nur ein Veto-Recht bei der Nominierung
des Kanzlerkandidaten, denn der muss von CDU und CSU am Ende gemeinsam
aufgestellt werden. Er ist ab sofort - genau so ist seine dieswöchige
Intervention aus München zu verstehen - der Kanzlermacher. Weder AKK
noch Merz, weder Laschet noch Spahn können gegen seinen Willen Merkels
Nachfolger werden.
AKK mag Merkel hinter sich haben, Merz die
Mehrheit des Wahlvolks, Laschet die gesellschaftliche Mitte - sie alle
aber brauchen am Ende Söders Segen. Das legendäre Zitat von Franz-Josef
Strauß - "es ist mir egal, wer unter mir Kanzler wird" - bekommt eine
neue Aktualität. Die Pointe aber ist: Söder ist es nicht egal, er wird
es gestalten. Wolfram Weimer
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