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Freitag, 30. Juli 2021

Die Würzburger Tagespost teilt mit


Die mediale Inszenierung von Politik ist überlebenswichtig. Als Gerhard Schröder 2002 in Gummistiefeln durch das Elbhochwasser schritt, hatte das mehr Auswirkungen auf den Wahlausgang als jeder Programmparteitag, den die SPD hätte veranstalten können. Parteistrategen wissen das, und so ist die aktuelle Hochwasserkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz nicht nur Nahkampfgebiet für THW, Feuerwehr und unzählige ehrenamtliche Helfer, sondern auch für ambitionierte Politiker angesichts der nahenden Bundestagswahl. Es menschelt knietief im Hochwasser. Betroffenheit zu inszenieren, ist jetzt ganz wichtig. Bedeutungsschwangere Mienen sind besonders hoch im Kurs.

Ich wage die These, den betroffenen Bewohnern wären schnelle Gelder wichtiger. Außerdem haben sie gerade nicht nur kein Haus, kein Wasser und keinen Strom, sondern auch kein WLAN, um im Internet mitzuverfolgen, ob und unter welchen Bedingungen sie sich von welchen Helfern retten lassen sollen. Gerade entdeckte die ARD ein paar rechtsradikale „Querdenker“, die in der Eifel mit anpacken. Gut, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk die guten und die bösen Helfer sortiert. Nicht auszudenken, wenn da jemand von einem Nazi aus der Flut gerettet wird. Ein Gesinnungsschnelltest an den Zufahrtsstraßen zum Katastrophengebiet wäre sicher hilfreich. Politische Hinterbänkler inszenieren sich derweil mit Sandsack in der Hand. Foto für Instagram nicht vergessen!

„Hand in Hand, ein Foto bewegt“, kommentierte bedeutungsschwanger die Tageszeitung „Die Welt“, angesichts von Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die in Trauerflor gekleidet Hand in Hand theatralisch das Krisengebiet durchschreiten. Zwei Landesmütter in tiefer Sorge vereint. Fast kann man Tränen der Rührung aus dem Bildrand tropfen sehen. Es scheint trotz vieler Journalisten und unzähliger Kameras vor Ort für die bundesweite Berichterstattung nur dies einzige Bild zu geben, sonst würde medial sicher auch ein anders genutzt?

Wir schalten um zu NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Von seinem mehrstündigen Besuch im selben Hochwasser an der Seite von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier scheint es auch nur ein einziges Bild zu geben: jenes, wo er im Hintergrund mit jemandem scherzt und lacht. Er lacht! Welch Skandal! Nicht kanzlertauglich! Der Twitter-Mob hat geurteilt und fordert sofort #LaschetRücktritt, denn #LaschetLacht.

Es existiert ein ähnliches Lach-Bild mit Steinmeier, das wiederum interessiert keinen, denn der ist auch kein Kanzlerkandidat. Wenigstens hat er Glück, dass ihm kein Nazi ins Bild gelaufen ist oder um ein spontanes Selfie bat. Dieses Fettnäpfchen erledigt gerade wieder einmal Philipp Amthor von der CDU als willkommenen Ansatzpunkt einer Skandalisierung im Netz. Weiß eigentlich jemand, was aus dem Flüchtling wurde, dessen Selfie mit Kanzlerin Merkel um die Welt ging? Hoffentlich ist er vorbildlich integriert.

Die mediale Inszenierung ist nie neutral, sie hat immer ein Ziel. Wählerstimmen, Selbstinszenierung, Demontage oder schnöde Umsatzzahlen. Die Diktatoren dieser Welt wissen das – genauso gut wie die Deutsche Presse Agentur oder die Parteizentralen. Wir wollen authentische Politiker, nahbare Menschen, gleichzeitig macht es der mediale Betrieb so schwer für Politiker, unter der Beobachtung ständig präsenter Kameras wirklich Mensch zu sein.

Von einem Donald Trump existieren in deutschen Medien nahezu nur Bilder mit fratzenhaften Gesichtsausdrücken. SPD-Vorsitzende Saskia Esken bewirbt sich auf jedem Bild ganz unfreiwillig als Hauptdarstellerin für russische Agentenfilme. Baerbock sieht immer niedlich und sympathisch aus. Habeck scheint dauerhaft auf einem Ponyhof zu leben. Merkel besitzt nur einen Gesichtsausdruck.

Aber kein Foto mit den Angehörigen der Opfer des islamistischen Messerattentäters kürzlich in Würzburg. So, wie ein Bild als Symbol um die Welt gehen kann, ist ein fehlendes Bild auch eine Aussage. „Bitte da drüben in die Sonne“, arrangiert derweil in Bad Münstereifel ein Fotograf Merkel und Laschet vor einem Trümmerfeld. Keiner lacht diesmal. Lektion gelernt.   Tagespost

 

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