Letzten Mittwoch erschien in der Welt ein bemerkenswerter Artikel des Journalisten Frank Lübberding (hinter der Bezahlschranke). Es ging im Kern um den Umgang mit der aktuellen Flutkatastrophe und im Vergleich mit dem Umgang mit der Corona-Pandemie. Er stellt fest: „So gab es zwar eine Bundesnotbremse gegen ein nicht existierendes Risiko, dafür ließ man eine reale Bedrohung weitgehend geschehen. Sie kostete fast 200 Menschen das Leben und das war kein unabwendbares Schicksal.“
Es tut gut, diese zutreffende Bewertung inzwischen auch in der Welt lesen zu können. Denn während unsere Regierung und Institutionen bei der Darstellung der Corona-Gefahren maßlos überziehen und die eigentliche Gefahr für die Bevölkerung in den unverhältnismäßigen Schutzmaßnahmen bis hin zu einer nur bedingten Zulassung von potenziell gefährlichen Impfstoffen besteht, versagen sie, wenn es darum geht, eine reale Bedrohung kompetent zu bewältigen. Das ist kein Zufall, sondern Ergebnis einer langjährigen Entwicklung. In meinem aktuellen Buch „Der Staatsvirus“ habe ich versucht, diese Entwicklung wie folgt zu charakterisieren. Zur Dokumentation hier einige Zitate aus dem Buch:
„Doch Corona ist nicht die Ursache des Abgleitens in einen dilettantischen Despotismus, sondern nur dessen Symptom. Die Aufgabe des Grundkonsens eines aufgeklärten, demokratischen Rechtsstaates hat eine Vorgeschichte. Seit Jahren breiten sich neue autoritäre Bewegungen sehr erfolgreich innerhalb unserer Gesellschaft aus. Inzwischen dominieren sie die öffentliche Meinungsbildung. In Folge werden Vernunft und Kompetenz zunehmend ausgeblendet zugunsten eines Moralismus, der Massen manipuliert, aber an der Realität scheitern muss. Corona hat diese Fehlentwicklung lediglich in aller Breite erkennbar werden lassen.“
„Wer heute Karriere machen möchte, schaltet seine Zweifel an den neuen Wahrheiten deshalb besser ab und erkennt sie an. Auch wenn sie noch so unsinnig sind. Sachwissen stört heute den gesellschaftlichen Aufstieg, während die woken Tugendwächter in der gesellschaftlichen Hierarchie immer weiter nach oben klettern. So wirkt dieser Gruppenmoralismus tief in die Gesellschaft hinein. Im Zusammenspiel von Politik, den angeschlossenen Institutionen, den Chefredaktionen und den Wissenschaftsfunktionären, selbst Kirchen, entstehen auf diese Weise immer breitere Inkompetenz-Netzwerke, die sich gegenseitig protegieren. Was dann passiert, wenn eine tatsächliche Krise zu meistern ist, zeigt das Corona-Desaster. Derart in Inkompetenz trainierte Behörden und Institutionen müssen zwangsläufig versagen. Statt der Anwendung bewährter Standards zur Nutzen-Schaden-Analyse herrscht blankes Chaos, welches einen wesentlich größeren Schaden anrichtet, als es das Virus je gekonnt hätte.“
„Nichts fürchtet die moralistische Deutungshoheit mehr als Kompetenz. Wer Moralapostel mit der Wirklichkeit konfrontiert, holt sie schnell auf den Boden der Tatsachen zurück und entlarvt sie als Dilettanten. Da die Gegenargumente fehlen, reagieren sie darauf mit offener Diffamierung der Persönlichkeit, um Gegner in der Öffentlichkeit mundtot zu machen. Dies funktioniert inzwischen beängstigend gut. Viele Sachkundige in Ämtern, Redaktionen, Schulen, Universitäten und Unternehmen erlebten bereits, wie man sie als Außenseiter, Leugner oder Ketzer kaltstellt, nachdem sie sich, fachlich fundiert, zu den Themen Energie, Klima oder auch Einwanderung nicht meinungskonform äußerten.“
„Wer sich dieser Erkenntnis öffnet, dem sollte auch klar sein, dass autoritäre Moralisten immer weitermachen. Sollte es nicht mehr gelingen, den Corona-Wahn aufrechtzuerhalten, steht der nächste angebliche Weltuntergang bereits vor der Haustür. Wieder wird es nicht um gute Lösungen gehen, sondern um die Fortführung des Umbaus zu einer autoritären Gesellschaft. Diesmal im Namen des Klimaschutzes.“
„Vielleicht ist Corona genau der richtige Schuss vor den Bug, durch den wir noch rechtzeitig einen Kurswechsel einleiten können, ohne zu kentern. Denn das Virus schert sich wenig um Unfähigkeit und wird wie alle Tardivepidemien von selbst zurückgehen. Doch wäre eine echte Bedrohung für die Gesellschaft zu meistern gewesen, wie ein wochenlanger Energieausfall mit sofortigen Versorgungsengpässen oder ein Währungszusammenbruch oder, ja, eine wirkliche Killerseuche, dann gnade uns Gott mit dem derzeitigen Führungspersonal in Politik, Wissenschaft und Institutionen.“
„Gnade uns Gott“ gilt mit dem derzeitigen Führungspersonal offensichtlich auch für eine Sturzflut, die bei Beachtung bereits festgelegter Warnstandards eben nicht 200 Menschen sondern vielleicht „nur“ 20 das Leben gekostet hätte. Diese reale Bedrohung bezog sich nur auf einen regional eingeschränkten Bevölkerungsteil. Doch was wird passieren, sollte es sich um eine reale Bedrohung für die gesamte Gesellschaft handeln? Das Erbe der Ära Angela Merkel verheißt nichts Gutes. Denn unter ihrer Führung fand eine gesellschaftliche Abkehr weg von Kompetenzsteuerung hin zu einer selbstverherrlichenden Wirklichkeitsverweigerung statt.
In Führungsetagen zwar kein neues Phänomen. Doch bisher konnte sich das Führungspersonal darauf verlassen, dass die mittleren und unteren Ebenen den von denen da oben verursachten Unsinn wieder durch gesunden Menschenverstand zurechtbiegen, um Schlimmeres zu verhindern. Das ist heute anders. In Folge der unter Merkel tief durchgreifenden Moralisierung retten im deutschen Fantasia selbst Sportvereine das Klima, erklären sich Landkreise zu genfreien Zonen, kämpft der Betriebsrat tapfer gegen Rassismus im eigenen Land, in das seltsamerweise alle unterdrückten Menschen der Welt streben, statt nach China oder Russland. Vielleicht sollte man in der Realität lieber mal das Dach reparieren und sich einmal kundig bezüglich des Zusammenhangs von Nahrungsmittelversorgung und modernen Pestiziden oder in Fragen der Lebensrealität kopftuchtragender Mitarbeiterinnen machen.
Die Flut-Auftritte Merkels, Söders, Seehofers und Co. könnten in ihrer Absurdität eins zu eins in „Das Leben des Brian, Teil 2“ einfließen. Sie tragen Masken im Freien, obwohl die führenden Aerosolforscher mehrfach im Bundestag vorgetragen haben, dass dies Unsinn ist. Gleichzeitig sind sie unfähig, sich für die Ursachen unterbrochener Warnsysteme zu interessieren. Ich weiß aus dem Umfeld Spahns, dass er sich für die Mitteilung des RKI bezüglich der Sinnlosigkeit öffentlicher FFP2-Masken nur deshalb nicht interessiert, weil die Medien dies nicht aufgegriffen hätten. Vielleicht sollten zukünftig die EU-Sturzflut-Warnmeldungen zuerst im Spiegel oder dem Deutschlandfunk einlaufen. Dann können ja die dortigen „Fakten“-Checker entscheiden, ob Minister autorisiert werden dürfen, ihren Job zu tun. Gleichzeitig halten sich alle für den Nabel der Welt, welche wieder mal von Deutschland aus gerettet werden muss. Was für ein Irrenhaus.
Unter Merkel schrumpfte so die natürliche Widerstandskraft einer demokratischen Gesellschaft, mit der Krisen vernünftig bewältigt werden können, auf ein gefährliches, selbstzerstörerisches Maß. Dies ist das eigentliche Vermächtnis der Regierungszeit Angela Merkels. So leben wir inzwischen in einer Dystopie, die das, was den Westen so erfolgreich hat werden lassen, erfolgreich unterdrückt: das Primat der Vernunft und des offenen Streits um die beste Lösung.
Evolutionssoziologen werden nun einwerfen, dass erfolgreiche
Gesellschaften immer ab einem gewissen Zeitpunkt zur Selbstzerstörung
neigen. Nachdem die Zerstörung der ersten deutschen Demokratie 1945
beziehungsweise 1989 gründlichst und umfassend abgeschlossen wurde, kann
man nur hoffen, dass der nun in Angriff genommene nächste Versuch dann
doch etwas länger auf sich warten lässt. Gunter Frank
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