Stationen

Mittwoch, 21. Juli 2021

Thema Bildung

Dass man bei der „gerne herumeiert“, stellte Festredner Michael Köhlmeier gleich am Eröffnungsabend (zum Symposion Dürnstein) fest.

Und setzte noch nach: „Vielleicht auch deshalb, weil wir sie nicht brauchen“. Denn: Kultur, so der Schriftsteller, sei immer „Überfluss“. Und zu sagen, Bildung sei ein Lebensmittel – wie es auch das diesjährige Symposiumsmotto postulierte –, sei „arrogant“. Denn: „Jeder hat das Recht, ohne Bildung durchs Leben zu gehen.“ Und, so Köhlmeier weiter, „die größte Bildung besteht darin, dass wir etwas lernen, das wir nicht brauchen können.“ Er würde zwar „so gerne glauben“, dass „Bildung uns zu besseren Menschen macht“. Das sei aber nicht so. Mozarts 40. Sinfonie, erzählte der gebürtige Vorarlberger in der Kremser Minoritenkirche, hätte er auswendig gekannt, „aber ich verstand sie nicht. Und wenn ich ins Theater gehe, kann es sein, dass ich erahne, dass unser Leben einen Sinn hat – ohne es zu begreifen.“ Denn: Kultur sei etwas, was man um der Sache selbst willen tue.

"Ich könnte ohne Musik zwar leben, aber ich würde es als ein freudloses Leben empfinden. Ich kenne allerdings jemanden, dem geht es nicht so. Der hört nie Musik, und wenn, dann sagt sie ihm nichts. Der besucht nie ein Theater, er liest auch keine Romane, und bei Gedichten bleibt er verständnislos. Dieser Mann ist kein Ungeheuer, er ist ein aufmerksamer, sehr kluger Mitmensch, er ist lustig und warmherzig und so weiter."

Shakespeare lässt König Lear sagen: 

O streite nicht, was nötig sei! 
Der schlechteste Bettler
hat bei der größten Not noch Überfluss.
Gib der Natur nur das, was nötig ist,
so gilt des Menschen Leben
wie das des Tiers!

Nicht was wir brauchen begründet unsere Würde, sondern was wir über das Brauchen hinaus wollen. Das ist die Botschaft dieser einfachen vier Zeilen aus dem schönsten aller Dramen. Kultur ist immer Überfluss." Michael Köhlmeier

Das ist natürlich Quatsch (wenn auch klüger als der schöne Gasser, der allen Ernstes fragte, wozu Orientalistik nutze sei, so als handele es sich dabei um ein Orchideenfach wie die Genderpseudowissenschaft). Im Gegensatz zum Tier braucht der Mensch tatsächlich Kultur. Die ist nie überflüssig, aber immer notwendig (auch für Köhlmeiers unmusischen Freund, der zwar keine musischen Passionen haben mag, aber allemal kulturelle). Wenn Kultur entbehrt werden muss, kann die Entbehrung durch die Erinnerung an sie besser ertragen werden. Primo Levi überlebte Auschwitz auch deshalb, weil er Dantes Dichtung zum Teil auswendig gelernt hatte und mit ihr in einer Situation totaler Entbehrung seine Identität aufrechterhalten konnte, Ernst Jünger schrieb einmal (mit Blick auf die Bibel und andere heilige Schriften), die Aufgabe der Dichtung sei letztlich die Angst vor dem Tod zu überwinden und Ernst Niekisch überlebte die Gefangenschaft, indem er allein in seiner Zelle vor einem imaginären Publikum wie ein dem Wahnsinn Verfallener Vorträge hielt. 

Nur im Überfluss aber kann Kultur gedeihen und erst im Überfluss kann Kultur sich wirklich entfalten, sowohl die große Literatur Goethes, der zwar - wie Konrad Lorenz uns mahnte - außer einem kargen Tisch und einem harten Holzstuhl beim Schreiben keinen Komfort genoss, aber als Geheimrat alles im Überfluss zu seiner Verfügung hatte, was er brauchte, wie auch die Trashkultur, die sprechpuppenmonoton gegen die Konsumgesellschaft motzt und den Mund sofort halten würde, wenn es all die wundervollen Supermärkte nicht mehr gäbe.

 

 

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