Stationen

Donnerstag, 12. Mai 2016

Auch für Schüler geeignet!

„Wir Deutschen fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt.“ Dieser Satz aus Otto von Bismarcks Reichstagsrede vom 6. Februar 1888 wurde oft als Beleg für das aggressive Machtstreben der politischen Elite des deutschen Kaiserreiches zitiert – und zwar nicht nur von Lohnschreibern der Entente-Mächte, die Deutschland schon etliche Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges faktisch eingekreist hatten, sondern auch von jenen deutschen Historikern wie Fritz Fischer und Imanuel Geiss, die der im fatalen Versailler Friedens-Diktat ausgesprochenen Kriegsschuld-Zuschreibung, getrieben von linkem Selbsthass, voll zustimmten.

[bei Fritz Fischer war es wohl eher der Opportunismus des anpassungsfähigen Nazis, was ihn trieb]

Sie unterschlugen dabei, wie Bismarck fortfuhr: „Und die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt.“ In der Tat lag die Bewahrung des Friedens im ureigensten Interesse aller Deutschen, denn die wirtschaftliche Stärke der rasch aufstrebenden Kontinentalmacht gründete sich nicht auf den Besitz eines Kolonialreiches, sondern auf den Pioniergeist und den Geschäftssinn ihrer Unternehmer insbesondere in der Chemie- und Elektroindustrie. Die Zeit arbeitete für den Kaiser und die hinter ihm stehende Industrie. Dem Reichskanzler Bismarck gelang es, dieses Friedensinteresse durch geschickte Diplomatie gegenüber den Bestrebungen der Kolonialmächte England und Frankreich durchzusetzen. Seine Nachfolger waren leider nicht halb so geschickt. So konnte das Unheil seinen Lauf nehmen.

Bruno Bandulet erhebt in seiner bescheiden als „Bericht“ titulierten Abhandlung nicht den Anspruch, wesentlich Neues zur Frage der Kriegsschuld hervorzuheben, denn inzwischen haben auch bedeutende Historiker der Siegermächte den Passus des Versailler Diktats über die deutsche Alleinschuld mit klaren Worten zurückgewiesen. Erwähnt seien hier nur John Keegan, Niall Ferguson, Virginia Cowles und zuletzt Christopher Clark. Worauf es ihm ankommt, ist Folgendes: Nicht der Kriegsausbruch im Sommer 1914, sondern das Diktat von Versailles stellt den eigentlichen Zivilisationsbruch dar. Es wäre durchaus möglich gewesen, den bis zum Schluss unentschiedenen Stellungskrieg mit Millionen von Opfern auf beiden Seiten durch einen vertraglichen Ausgleich zu beenden. So wären der Welt der Aufstieg Hitlers und der Zweite Weltkrieg erspart geblieben. Doch die US-amerikanische Finanzindustrie unter Führung der Großbank J. P. Morgan und des mysteriösen Präsidentenberaters „Colonel“ House brauchte unbedingt einen Sieg, um die Rückzahlung der Milliardenkredite, mit denen sie die Entente-Mächte unterstützt hatte, in Form von Reparationen zu erreichen. Deshalb wies US-Präsident Wilson die Friedensinitiative von Papst Benedikt XV. in besonders schroffer Form zurück und entschied 1917, im längst kriegsmüden Frankreich massiv militärisch zu intervenieren. Bruno Bandulet, der über die (kluge) Außenpolitik Konrad Adenauers promoviert hat, konzentriert sich aber nicht auf die finanzkapitalistischen Hintergründe des Ersten Weltkriegs, sondern auf die Schwächen und handwerklichen Fehler der Außenpolitik des deutschen Kaiserreiches. In Deutschland fehlte, im Unterschied zum Foreign Office in England, eine Art außenpolitischer Think Tank, der vielleicht in der Lage gewesen wäre, die Vertretung und Durchsetzung deutscher Interessen von langer Hand vorzubereiten. Dabei vermeidet es Bandulet, die internationalen Machenschaften der Freimaurerei als Verschwörung erscheinen zu lassen. Dafür kommen aber auch die Schwächen des durchaus friedliebenden Kaisers Wilhelm II. selbst in den Blick. Wer sich anlässlich des 100. Jahrestags des Kriegsausbruchs von 1914 einen raschen, aber kenntnisreichen Überblick über die Vorgeschichte und den Ablauf des Verhängnisses von 1914/18 verschaffen möchte, der ist mit Bandulets durchaus preiswertem Buch bestens bedient. Zahlreiche Abbildungen, eine Chronik, Personenregister und so weiter machen es zu einem richtigen Arbeitsbuch, das auch für den Schulunterricht geeignet wäre.   Edgar L. Gärtner

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