Stationen

Freitag, 22. Oktober 2021

30 Jahre später kommt die Erkenntnis

Hans-Werner Sinn: "Meine Interpretation des Euro ist inzwischen, dass von vorne herein eine Vergemeinschaftungsaktion (der Staatsschulden) geplant war. Die Staaten des Mittelmeerraums hatten unerträglich hohe Zinsen, 12 bis 15 Prozent (auf ihre Staatsschulden) in den Jahren vor dem Gipfeltreffen in Madrid, wo der Euro festgelegt wurde. Das sprengte die Haushalte."  

Was der gute Hans-Werner Sinn jetzt rausgefunden hat, hätte jeder x-beliebige Italienkorrespondent irgendeiner deutschen Zeitung schon vor langer Zeit der deutschen Leserschaft erklären können, denn in den Monaten vor der Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht, wurde in den italienischen Polittalkshows von nichts anderem gesprochen. Dass Romano Prodi damals, um die Maastrichtkriterien zu erfüllen, extra eine Steuer erhob, die er versprach nach der Unterzeichnung zurückzuzahlen, ist eine Sache, an die man nicht genug erinnern kann, obwohl sie auch in Deutschland als "Buchungstrick" bekannt wurde (selbst die taz war darüber im Bilde), zu Zeiten, als man in Deutschland diese Buchungstricks noch nicht anwandte. Inzwischen gibt es sie, dank Merkel (mehr als dank Schäuble) auch in Germania.

Und ich dachte, ich verstehe nichts von Wirtschaft...

Mit welcher Unbefangenheit diese Leute Deutschland für alles und jedes verantwortlich machen...

Prodi zahlte die erhobene Steuer übrigens tatsächlich zurück! Wir Deutsche müssen irgendwo auf der Stirne eine Tätowierung haben, die das Gegenüber auffordert uns zu verarschen, ohne es uns merken zu lassen, eine Tätowierung, die für Deutsche unsichtbar ist, in einer Sprache, die Nichtdeutsche, egal mit welcher Herkunft offenbar verstehen.


"Der erste große Fehler war, den Euro einzuführen. Das war wirklich verfrüht. Man hätte erst eine politische Union machen müssen und dann den Euro. Nun war das der Preis, den die Franzosen verlangten für die Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung und es ist Geschichte. Heute haben wir den Euro. Man sollte ihn sicherlich nicht mehr abschaffen, denn es ist wie mit dem Rührei. Sie können aus einem Rührei nicht die Eier wieder herstellen. Das geht nicht. Wir müssen heute mit dem Euro leben und das Beste daraus machen.
In dem Euro allerdings sind immer wieder neue Fehler gemacht worden, die mit der Vergemeinschaftung der Risiken zu tun hatten. Das fing 2010 an, als die Zentralbanken die Staatspapiere der Krisenländer mit dem SMP-Programm kaufen sollten. Das hat ja damals dazu geführt, dass Jürgen Stark, der Chefvolkswirt der EZB, und Axel Weber, der deutsche Bundesbankpräsident, unter Protest zurückgetreten sind von ihren Ämtern" (inzwischen auch Jens Weidmann, der 2011 das Amt des Bundesbankpräsidenten übernahm). Diese Rücktritte 2010 seien ja schon bemerkenswert gewesen, so Sinn.
 
"Aber trotzdem hat die EZB diese Beschlüsse getroffen und parallel dazu hat die EZB die Staaten damals 2010 bedrängt, doch Rettungsschirme aufzuspannen für die konkursgefährdeten Saaten, allen voran eben Griechenland. Das war der erste große Sündenfall (im Euro nach der Ursünde seiner verfrühten Einführung), weil damit ja Art. 125 verletzt wurde, wonach es nicht Aufgabe der Staaten und auch nicht der Zentralbanken ist, die Käufer von Staatspapieren zu retten, wenn der Staat pleite ist."
Die Nichtbeistands-Klausel, No-Bailout-Klausel, bezeichnet eine fundamentale Klausel der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU), die in Art. 125 AEU-Vertrag festgelegt ist und die Haftung der Europäischen Union sowie aller EU-Mitgliedstaaten für Verbindlichkeiten einzelner Mitgliedstaaten ausschließt! Die Haftungsübernahme ist also vertraglich verboten. Aber daran hält man sich einfach nicht mehr. Im Gegenteil, die EZB, getragen von der Politik der einzelnen Staaten, umgeht den Vertrag einfach.
 
Und dann kam das 'Whatever it takes' 2012. Eine Vergemeinschaftung der Staatspapiere, die ausgesprochen wurde durch die EZB mit ihrem OMT-Programm."
Mit dem "Outright Monetary Transactions"-Programm, das vor dem Bundesverfassungsgericht landete, kann die EZB Staatsanleihen anderer EU-Staaten in unbegrenzter Höhe aufkaufen. EZB-Präsident Mario Draghi kündigte am 26. Juli 2012 an, die EZB werde „innerhalb [ihres] Mandates alles Erforderliche tun (,whatever it takes'), um den Euro zu erhalten“.

Nach Aussage Draghis unterstützten im EZB-Rat 21 der 22 Mitglieder den OMT-Beschluss. Es wird weithin davon ausgegangen, dass die abweichende Stimme jene der durch ihren Präsidenten Jens Weidmann vertretenen Deutschen Bundesbank war. Deutschland, genauer Jens Weidmann als Vertreter einer anderen, einer nicht den Markt aushebelnden, einer nicht sozialisierenden Sichtweise, wurde quasi mit 21 gegen eine Stimme niedergestimmt. Das Ergebnis könnte man in etwa so zusammenfassen: Vor allen Dingen Deutschland haftet für die Schulden und Risiken, für die unsolide Fiskal- und Geldpolitik der anderen Länder, insbesondere der südeuropäischen inklusive dem inzwischen mit fast 120 Prozent verschuldeten Frankreich.

Das Schlimmste aber an dem Ganzen ist, dass durch all diese Programme der EZB nicht nur die Verträge, die vor und bei der Einführung des Euro geschlossen wurden, massiv verletzt werden, sondern dass der Markt ausgehebelt wird. Stellt euch einfach vor, wir leben mit insgesamt 19 Parteien in einem großen Haus. Jeder hat aber seine eigene Wohnung, kann sich Dinge für seine eigene Wohnung kaufen oder kann Urlaub machen, sich irgendwelche Dinge kaufen, seinen Kindern das Taschengeld verdoppeln und das über Kredite finanzieren, die er einfach immer weiter aufstockt. Und die anderen 18 müssen für diese Kredite mit haften, haben aber kaum Mitspracherechte, was derjenige kauft und wie viel Geld er ausgibt, bzw. man macht Verträge, in der das Geldausgeben und Schuldenmachen begrenzt wird und bei Überschreiten der Grenze Strafen fällig werden. Diese Strafen werden aber niemals verhängt. Im Gegenteil, wenn einer völlig überschuldet ist, dann sagt die Hausverwaltung: Wir übernehmen die Schulden und verteilen sie auf alle anderen. 
In der Folge führt das natürlich dazu, dass andere auch alles Mögliche kaufen und sich immer mehr verschulden, weil sie ja keine Angst mehr haben müssen, dass sie insolvent werden könnten, zumal wenn es einen sehr starken Bewohner gibt, der jede einzelne Insolvenz immer wieder abfedern kann. Und dieser Eine, das ist Deutschland. 
Damit aber stellt sich immer mehr eine Mentalität ein, dass man nicht mehr selber für das haften muss, was man tut. Der Markt wird ausgehebelt, was langfristig enorme Auswirkungen auf die gesamte Mentalität hat. Die Menschen verlernen immer mehr, Verantwortung für ihr eigenes Handeln zu übernehmen. Und irgendwann droht dann nicht nur einem oder zwei oder drei Wohnungseigentümern die Insolvenz, sondern dem ganzen Haus mit allen 19 Wohnungen.

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