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Dienstag, 19. Oktober 2021

Es ist leichter, falsch zu reagieren, als nicht zu reagieren

Rot und Grün stellen die Weichen. Die Rolle der FDP wird überschätzt, denn die gelbe Phase in der Ampel-Koalition wird nicht lange anhalten.
In Deutschland wird es wahrscheinlich vor Weihnachten eine von Olaf Scholz geführte Regierung der SPD, der Grünen und der FDP geben. Das ist fast unvermeidlich, denn der deutsche Weg in den Ökosozialismus ist das Resultat von 16 Jahren Angela Merkel. Die Kanzlerin hatte die Union so weit nach links verschoben, dass die Grenzen zu den Grünen und den Sozialdemokraten kaum noch zu erkennen waren. 
 
Bei den Bundestagswahlen verloren CDU und CSU rund zwei Millionen Stimmen an die SPD und mehr als eine Million an die Grünen. Sie kamen allesamt von Wählern, die nur wegen der Kanzlerin die Union gewählt hatten und jetzt lieber gleich links oder grün wählten, weil sie einer CDU ohne Merkel nicht vertrauen. Zugleich gab die Union 1,3 Millionen Stimmen an die FDP und 400.000 an die AfD ab, weil ihr traditionell konservative Wähler aus den bekannten Motiven – vor allem Massenzuwanderung aus islamischen Ländern und Energiekrise aufgrund der Abschaltung der Kern- und Kohlekraftwerke – den Rücken zukehrten. 
 
Das Debakel der CDU hatte seinen Grund nicht nur in den offensichtlichen Schwächen ihres Spitzenkandidaten Laschet, sagt der Politikwissenschaftler Werner Patzelt: „Eine viel größere Rolle spielt, dass die Union durch ihre Aneignung vieler sozialdemokratischer und grüner Positionen diese bis weit hinein in die rechte Mitte als nicht weiter problematisch, ja sogar als alternativlos zukunftsträchtig erscheinen ließ. Deshalb stimmten nun sehr viele Wähler lieber für das sozialdemokratische und grüne Original als für dessen Unionskopie.“
Das hat sich mittlerweile sogar in der Führungsriege der CDU herumgesprochen. Gesundheitsminister Jens Spahn, Corona-Hardliner und lange Merkels treuer Knappe, verstieg sich am Wochenende zu der Äußerung, er wolle „alternativlos“ auf Parteitagen gar nicht mehr hören. Weiterhin auf Merkel-Linie argumentierten Noch-CDU-Chef Armin Laschet und der angeblich so konservative Friedrich Merz. Die Übereinkunft von SPD, Grünen und FDP, sagte Laschet, sei „in Ordnung“, da „hätten wir manches mitmachen können.“ Ähnlich Merz: „Das hätten wir auch haben können“. Nur Ralph Brinkhaus warf den Ampel-Willigen vor, die „strammste Linksagenda“ seit Jahrzehnten zu vertreten. Hat er nicht mitgekriegt, was seine Partei den Deutschen in den vier Legislaturperioden Merkels bereits an Marktfeindlichkeit und Multikulti zugemutet hat? 
 
Übrigens ist die Ampel, woran Brinkhaus erinnerte, ein passendes Bild für die bevorstehende Drei-Parteien-Koalition. Bei der Steuerung des Verkehrsflusses kommt es nämlich auf Rot und Grün an, die kurze Gelbphase regelt nicht, sie signalisiert nur den Übergang von Grün zu Rot und umgekehrt. Mehr als das wird die FDP auch nicht erreichen.
Im November 2017 hatte Christian Lindner eine Zusammenarbeit mit der Union und den Grünen, die sogenannte Jamaika-Koalition, mit der Begründung abgelehnt, es sei „besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“. Seit er nach der Bundestagswahl seine Liebe zu den Grünen entdeckt hat, ist es ihm lieber, falsch zu regieren, als gar nicht. Die Vereinbarung über die Bildung einer linksdrehenden „Fortschrittskoalition“, die aus den Sondierungsgesprächen der SPD, der Grünen und der FDP hervorging, verspricht ein sozial- und klimapolitisches Wunschkonzert nach dem bekannten Motto „Holt euch, was euch zusteht“ (© SPÖ).
Gewiss wird Lindner tun, was er kann, um ökosozialistische Experimente zu blockieren. Olaf Scholz aber steht unter dem Druck einer starken SPD-Linken, der es gelungen ist, moderate Sozialdemokratinnen wie Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern) und Franziska Giffey (Berlin) zur Zusammenarbeit mit den SED-Kommunisten (aka Die Linke) zu zwingen. Auf diese Linke muss Scholz Rücksicht nehmen. Es weht ein kalter Wind in Deutschland. Nicht nur Lindner wird sich warm anziehen müssen.   Karl-Peter Schwarz

 


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